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Ausgabe 2001/01

Editorial

Götz Friedrich
Laudatio Harry Kupfer
Dankesrede Götz Friedrich
Pressemitteilung der Deutschen Oper
Oper als großes Menschentheater

Kulturpolitik
Ein kulurelles MacPomm?
Karlsruhe: Pierre Wyss neuer Ballettchef

Portrait
Kiel als Musikstadt

Berichte
Zwei mal „Boris Godunow“
„Pelleas et Melisande“ in Leipzig

Alles, was Recht ist
Konzert-Rechtssprechung
Gesetz über Teilzeitarbeit
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Rezensionen
Rettich: Zwischen Kunst und Politik
Neue Opereinspielungen

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CD Aktuell

Eiskalte Engel des Todes

Neue Opern-Einspielungen

Amiens, Pariser Platz: Studenten treiben sich herum, warten auf die Kutsche aus Arras: „e la notte regnerà“; die Triangel klirrt, ein kurzes Ritardando, dann setzt der Chor wieder ein: „e splendente ed irruente“. Wir sind im ersten Akt von Puccinis „Manon Lescaut“. Riccardo Muti dirigiert in einem Live-Mitschnitt vom Juni 1998 Chor und Orchester der Mailänder Scala. Ein großer Moment, nicht zuletzt dank der differenzierten Chor-Stimmen. Das Tempolimit ergibt sich aus dem musikalischen Verlauf. Muti kostet es aus – einer der wenigen Momente, in denen er Puccini in die Nähe der französischen Opéra rückt. Denn ansonsten verzichtet er weitgehend auf psychologisierende und idealisierende Überbauten: Verismo statt Verklärung. José Cura singt den Des Grieux erhaben, ausgeklügelt, doch mit leichtem Hang zur Überzeichnung. In seine Tränen mischt sich Sirup, und prompt verliert sein Leiden an Natürlichkeit. Maria Guleghina als Manon überzeugt mit ihrer Fähigkeit, natürlich-fein kalkulierte Bögen zu spannen, angereichert mit rollengerechter Emotionalität. Doch wenn sie ins schwebende Piano zurückfällt („In quelle trine morbide“), setzt unverhofftes Flackern ein. Der lyrische Fluss gerät kurz ins Stocken.
(DG/Universal 2 CD 463 186)

Bereits neun Jahre vor Puccini hatte Jules Massenet denselben Stoff unter dem Titel „Manon“ vertont. Das so oft hochgejubelte Dream-Team Angela Gheorghiu und Roberto Alagna ist nun in den Hauptrollen der neuen EMI-Produktion zu hören. Schnell wird klar: Beide nehmen ihren Patz in der Champions-League der Sängergilde völlig zu Recht ein. Perfekt die Mischung aus Präzision und Lyrismus; unmanieriertes, flexibles Singen, Hochspannung bis in die Haarspitzen. In den weiteren Rollen hören wir unter anderem Earle Patriarco, José van Dam und Gilles Ragon. Antonio Pappano hält das Orchestre symphonique de la Monnaie über zweieinhalb Stunden unter Dampf. Kein Platz für Unzulänglichkeiten. Und der Chor? Nur so viel: Wer sich das Finale des vierten Aktes einverleibt, sollte seinen CD-Spieler zuvor auf „Wiederholung“ programmiert haben.
(EMI 3 CD 5 57005 2)

Und noch einmal Massenet: Die Rolle der Thaïs in seiner gleichnamigen Oper ist ein Psychogramm, das stimmlich umzusetzen eine höchst vertrackte Sache ist. Die Anforderungen an die Sänger sind enorm. Doch was Renée Fleming aus dieser Rolle macht, lässt nur eine Verordnung zu: Bei dieser Aufnahme herrscht Besitzzwang. Sie singt mit unglaublicher Elastizität und mit einem ästhetisierenden Kunstsinn, der uns Abgründe erschauen lässt: hysterische Süße, höllische Selbstzweifel, keusche Verhaltenheit. Wie glänzend die Stimme gestützt ist, erweist ihre Fähigkeit, Pianissimi mit Minimalluft zu produzieren. Bravouröser, inniger, glaubwürdiger ist Thaïs wohl nicht denkbar. Ebenso exponiert Thomas Hampson, einen wundervollen, mit feinen dynamischen Nuancen singenden und deutlich deklamierenden Athanaël, sowie Giuseppe Sabbatini den Nicias. Ein glänzender Chor und das Orchestre National Bordeaux Aquitaine werden von Yves Abel zu Diskretion und Temperament gleichermaßen verpflichtet.
(Decca/ Universal 2 CD 466 766)

Beim Schweizer Label Nightingale Classics hat man die Reihe der Donizetti-Einspielungen mit „Maria Stuarda“ fortgeführt. Octavio Oprisanu ist ein verhaltener Roberto, mit einem manchmal unglücklichen Timing der Phrasen. Edita Gruberova in der Titelpartie singt mit einer gebärdenhaften Intensität, die ihresgleichen sucht: Bel-Canto in Reinkultur. Die Genauigkeit ihrer Dynamisierungen ist frappierend, überwältigend die unmerklichen Rückungen, mit denen sie die Linearität der Tonfolgen vor jeder Monotonie bewahrt. Ausdrucksvoll der Chor des Bayerischen Rundfunks, überzeugend das Münchner Rundfunorchester unter Marcello Viotti.
(Nightingale Classics/Koch 2 CD 190 209)

Eines der großen Chorwerke der Romantik haben Charles Dutoit sowie Chœur und Orchestre symphonique de Montréal eingespielt – und dabei Maßstäbe gesetzt: die „Grande Messe des morts“ von Hector Berlioz. Heikel wird das Ganze erst im „Dies irae“, wenn mit niederschmetternder Gewalt das Jüngste Gericht Einzug hält. Prassel-Pauken und Fernorchester als Pforten zum Weltende, der Chor als ein Volk aus Furcht und Klage. Die Masse wirkt für sich – willkommen, Apokalypse. Doch Dutoit behält auch hier stets die Übersicht, sorgsam wacht er über seine Instrumentalisten und einen Chor, dem es weder an Schärfe noch an Durchsichtigkeit fehlt. Kalte Engel des Schreckens halten das Zepter hoch und verkünden das Jenseits. Doch plötzlich tauchen Momente der Erhebung auf: Wärme kriecht durch die Totenmesse, Besinnlichkeit und ein Hauch von Zuversicht breiten sich aus. Eine Aufnahme, die Spaltungen offenlegt und Gegenwelten miteinander verbindet.
(Decca/Universal 2CD 458 921)

Christoph Vratz

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