Rezensionen
Verlöschender Vulkan
Der Callas-Spielfilm „Maria“ mit Angelina Jolie überzeugt weitgehend
„My candle burns at both ends; It will not last the night; But ah, my foes, and oh, my friends – It gives a lovely light!“ Das hat Edna St. Vincent Millay 1920 gedichtet und damit – ohne es zu wissen – ein Lebensbild für die 1923 geborene Maria Callas geschaffen.
Nach Philippe Kohlys „Callas assoluta“ von 2007 und Tom Volfs Spiel-Doku „Maria by Callas“ von 2018 kommt nun ein auf den ersten Blick „Star-glitzerndes“ Biopic „Maria“ ins Kino. Der Chilene Pablo Larraín erkannte in seiner hypochondrischen Vorstellung, als Filmregisseur zu erblinden, eine Brücke zu der ihrer Stimme verlustig gegangenen Maria Callas. Zusammen mit dem erfahrenen Drehbuchautor Steven Knight beschränkt er sich in der Haupthandlung auf die letzte Lebenswoche „der Callas“ in ihrer luxuriösen Pariser Wohnung samt dem zu letzten Gesangsversuchen genutzten kleinen Théâtre, dem Hotel Ritz und den wenigen Lokalen, in die sie noch ging, um „bewundert zu werden“. Umsorgt wird sie realitätsgetreu vom viel Zeit opfernden, warnenden Arzt Dr. Fontainebleau (Vincent Macaigne), vor allem aber von der liebevoll ergebenen Haushälterin Bruna und dem väterlich strengen, aber tief ergebenen Butler Ferruccio – wobei die puppenhaft zarte Alba Rohrwacher und der feinfühlig seriöse Pierfrancesco Favino den Opernfreund auch an Brangäne und Kurwenal denken lassen.
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Angelina Jolie als Maria Callas. Foto: STUDIOCANAL GmbH/Pablo Larraín
Larraín weitet diese Realitäten durch einen hinzuerfundenen jungen Reporter, der sich mit einem Hauch von Todesengel „Mandrax“ nennt, dem Namen der Pillen, die Marias Tod beschleunigen. Auch für die zentrale Liebesbeziehung zu Aristides „Hermes“ Onassis (überzeugend Haluk Bilginer) werden nachgestellte und originale Filmschnipsel treffend gemischt. Hauptsächlich aber weitet sich die Szene in Marias Reflexionen zu Arienausschnitten als Desdemona und Norma, auch aus „Medea“ und „Anna Bolena“. Angelina Jolie tritt in nachgeschneiderten Kostümen und nachgebauten Bühnen-Szenerien auf. Die Digitaltechnik beschwört gekonnt den Zuschauerraum der Mailänder Scala, die Kamera schwenkt bruchlos über das taktgenau spielende (Budapester Film-)Orchester wieder auf die Bühne zur optisch beeindruckend ähnlichen Jolie-Callas. Im Playback zu den originalen Callas-Aufnahmen überzeugt die Schauspielerin mit lippengenauer Synchronizität und genau passendem Atemholen. Natürlich fehlen die Muskelanstrengungen im Hals und die vom ganzen Körper mitgetragene expressive Innenspannung.
Dafür sind die bruchlosen Schnitte von der Schauspielerin zu originalen Bühnenauftritten der Callas sehr gut gelungen. Reizvoll weitet der Regisseur Marias Reflexionen: Bei ihrem Bummel über den Pariser Trocadero formen sich alle Besucher zum Zigeuner-Chor aus Verdis „Trovatore“; eine „Butterfly“-Erinnerung findet in strömendem Regen vor einem Kirchenportal statt. All das gipfelt in der finalen Szene, als sie Toscas „Vissi d’arte“ singt und ihre singuläre Identifikation mit dieser Rolle aus dem Fenster schallt, wo prompt „alle Welt“ gebannt stehen bleibt, während sie in ihrer Zimmerflucht das spielende Orchester imaginiert – und zusammenbricht.
Zuvor gibt es Rückblenden zu Marias erzwungenem Singen vor deutschen SS-Offizieren und ihrer Auseinandersetzung mit der Schwester. Der Callas-Musiktheaterfreund fragt jedoch, ob nicht 1955 die acht Wochen lange hyperintensive Probenarbeit an „La Traviata“ mit Meisterregisseur Luchino Visconti und Dirigent Carlo Maria Giulini ein prägender Gipfel ihres Künstlerlebens war. Und was ist mit den Anfängen? Was ist mit der ersten „Tosca“ der erst 19-Jährigen, dem „Fidelio“ der 21-Jährigen 1944 und den Jahren 1948/49, als sie sich durch ein Repertoire zwischen Brünnhilde, Elvira, Isolde, Kundry, Norma, Turandot und Abigail – „lauter vokale Achttausender“ – jagt und trotz Betreuung durch ihren Mentor Tullio Serafin auch jagen lässt, was zu ihrem kometenhaften Leuchten beitrug und womöglich auch zu ihrem bitter-frühen Verlöschen. Insgesamt verdichtet „Maria“ gut das ruinös-faszinierende Zweifach-Brennen zwischen „privater Liebe“ und „künstlerischer Singularität“.
Wolf-Dieter Peter
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