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Aktuelle Ausgabe

Im Zeichen der Stimme
Editorial von Gerrit Wedel

Kulturpolitik

Brennpunkt
Bayreuth: Ende einer Welt-Institution?

Auf ein Wort mit Nele Hertling
Über die Notwendigkeit der Kunst

Verborgene Potenziale
Was kann der Bühnentanz vom Leistungssport lernen?

Statt Asche bewahren Glut entfalten
Pina Bauschs „Kontakthof“ überwältigt – und Neues entsteht

Regietheater zwischen Ichverliebtheit und Werktreue
Gedanken zum Regisseur und Bühnenbildner Gottfried Pilz

The Invisible Labor of Ballet Masters (en / de)
The Unsung Backbone of Performance: A Ballet Master’s Perspective

Berichte

Spannend bis zum Schluss
Händels „Alcina“ in Bonn

„So könnte es bald immer aussehen“
Sparfassung von Jacques Offenbachs „Robinson Crusoé“ an der Komischen Oper Berlin

Der Kreis der Wahrheit
Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf glänzt mit Alexander Zemlinskys „Der Kreidekreis“

Romeo und Julia – oder anders herum?
Sergej Prokofjews Ballettklassiker in Leipzig und Basel

Globales Panoptikum
Die Ausstellung TANZWELTEN der Bundeskunsthalle Bonn

Um Leben und Tod
Wiederaufnahmen „Mahler X drei Meister“ des Stuttgarter Balletts

Alternativen zum realen Opernbesuch?
Die neuen Brettspiele „Kronologic – Paris 1920“ und „Ausverkauft“

Seine Bühne ist überall
Eine Annäherung an den charismatischen Tänzer und Choreografen Boris Charmatz

Verlöschender Vulkan
Der Callas-Spielfilm „Maria“ mit Angelina Jolie überzeugt weitgehend

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Berichte

Um Leben und Tod

Wiederaufnahmen „Mahler X drei Meister“ des Stuttgarter Balletts

In die überschäumende Lebensfreude mischt sich gleich zu Anfang der Keim von Trauer und Vergänglichkeit. Im moosgrün gekleideten Corps de Ballet der Männer hebt sich eine Gestalt mit metallisch-blauem Ganzkörperanzug und weißer Augenbinde ab. Solist David Moore ist Teil des Tuttis, doch schließlich immer weniger. Der schottische Choreograph Kenneth MacMillan schuf 1965 ein symbolisches Handlungsballett zu Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“. Sechzig Jahre später präsentierte das Stuttgarter Ballett eine Wiederaufführung im Rahmen von „Mahler X drei Meister“ zusammen mit zwei weiteren auf Musik von Mahler bezogenen Choreographien von Maurice Béjart und John Cranko.

Kenneth MacMillan, „Das Lied von der Erde“ 1965/2025, Elisa Badenes, Jason Reilly, David Moore und Ensemble. Foto: Roman Novitzky/Stuttgarter Ballett

Kenneth MacMillan, „Das Lied von der Erde“ 1965/2025, Elisa Badenes, Jason Reilly, David Moore und Ensemble. Foto: Roman Novitzky/Stuttgarter Ballett

Musik und Tanz schwanken zwischen übersteigerter Lust und dunkler Verzweiflung. Die von Mahler vertonte Nachdichtung chinesischer Lyrik zeichnet eine Jugendstil-Idylle mit Pavillon, Brücke, Park und Blumen. Dazu bewegt sich ein Pas de quatre der Damen mit blumenhafter Grazie. In den zarten Reigen schiebt sich erneut Gevatter Tod. Er greift sich die wunderbare Elisa Badenes, verführt sie zum Tanz und lässt sie wie unter Eishauch erstarren. Wie eine leblose Porzellanpuppe wird die Prima donna dann akrobatisch von einem Mann zum nächsten weitergereicht. Die Frau wird zur zerbrechlichen Preziose und vollends zum Objekt, was zeigt, wie historisch derlei Rollenzuschreibungen von Männern und Frauen inzwischen geworden sind.

Das sittsame Spiel der Mädchen unterbrechen auftrumpfende Blechbläserfanfaren und hereinstürmende Burschen. Die vor Schreck erstarrten Elfen demonstrieren den wilden Kerlen dann, wie man galant gemeinsam tanzt. MacMillans Choreographie zeigt viele sprechende Gruppierungen und expressive Gesten. Die Tanzenden greifen mit vollen Armen nach dem blühenden Leben, halten aber anschließend nichts in den Händen. Die Frühlingspracht zerfällt zu Staub, die Weltumarmung verkehrt sich zum Sinnbild von Hinfälligkeit. Im letzten Satz symbolisieren Badenes, Moor und Jason Reilly als unzertrennliches Trio den zwischen Leben und Tod taumelnden Menschen. Zum langen „ewig, ewig“ von Mahlers „Abschied“ schreitet das Trio dann mit erhobenem Haupt trotzig weiter im endlosen Kreislauf von Werden und Vergehen.

Mezzosopranistin Anna Werle und Tenor Airam Hernández sangen ausgezeichnet zum Staatsorchester Stuttgart unter Leitung von Mikhail Agrest. Bariton Yannick Debus präsentierte mit klarer Diktion die „Lieder eines fahrenden Gesellen“. Béjart hatte Mahlers frühen Zyklus 1971 in Brüssel und dann 1976 in Stuttgart choreographiert. Das Wohl und Wehe des von Weltschmerz geplagten Lyrischen Ich verkörperten Henrik Erikson und Marti Paixà als ausdrucksvolle Doppelrolle „Der Tod und der Jüngling“. Während sich Béjart und Macmillan auf neutrale Ganzkörperanzüge und kahle Bühne beschränkten, um existentielle Aspekte apersonal auszudrücken, thematisierte Cranko historisch konkreten Schrecken. Seine „Spuren“ zeigte die Stuttgarter Weltklasseformation erstmalig im April 1973, zwei Monate vor seinem plötzlichen Tod. Einer der Sätze basiert auf dem „Adagio“ von Mahlers unvollendeter 10. Symphonie.

Ohrensessel, Tischchen und gediegene Abendrobe führen in die 1950er Jahren. Doch eine Frau passt nicht ins „Hurra, wir leben noch!“ der feiernden Nachkriegsgesellschaft. Sie wird vom Schatten ihres bisherigen Lebens in einem totalitären Land heimgesucht. Um welchen Schrecken es sich handelt, zeigt die Statisterie plötzlich mit tätowierten KZ-Nummern auf den entblößten Rücken. Der drastische Realismus führte einst zu Publikumsprotesten und schockiert noch heute. Erneut bildete die exzellente Solistin Elisa Badenes  mit David Moore und Marti Paixà eine schicksalhafte Einheit. Der einfühlsame Gatte ringt mit dem Geist der Vergangenheit um die Gegenwart und Liebe seiner Frau, bis das Paar am Ende einer lichtvollen Zukunft entgegenschreitet.

Rainer Nonnenmann

 

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