Verregnet – Verstaubt
»Figaros Hochzeit« und »Die Zirkusprinzessin« auf der Luisenburg in Wunsiedel
Es begann verheißungsvoll. Graf Almaviva stürmte mitten hinein in die Naturbühne und über Treppen und Felsen hinauf auf eine Art Kommandobrücke, von der er per Fernbedienung das Orchester und damit die Ouvertüre in Gang setzte. Die Botschaft war klar: Zwar sind ausnahmslos alle Figuren in Mozarts „Figaro“ vom Trieb, dem Geschlechtstrieb nämlich, na ja: getrieben halt. Aber der Herr Graf mit seinem Faible für Susanna und der erkalteten Leidenschaft gegenüber seiner Gräfin ist dann doch so etwas wie der Auslöser des Ganzen. Dumm nur, dass das turbulente Treiben da auf der Luisenburg beim Gastspiel der Landesbühnen Sachsen alsbald baden ging. Noch während Figaros Cavatina im ersten Akt unterbrach Dirigent Jan Michael Horstmann nämlich die Vorstellung und verwies auf die Gesundheit der Sänger. Der nicht enden wollende Regen hatte die Bühne zu einem gefährlichen Pflaster gemacht. Schon zuvor mussten von fleißigen Helfern immer mal wieder Pfützen beseitigt und Requisiten in Sicherheit gebracht werden. Es ging fortan weitgehend konzertant weiter.
Gastspiel der Operettenbühne Wien: »Die Zirkusprinzessin«. Foto: Luisenburg-Festspiele/Claudius Schutte
Schade. Die Inszenierung von Anja Sündermann und das irgendwie galaktisch, auf jeden Fall ziemlich spacig anmutende Bühnenbild von Olga von Wahl hatten bis dahin einen „Figaro“ versprochen, der das übliche Tür-auf-Tür-zu-Spiel ebenso angenehm wie witzig variierte. Aber so ist das nun mal unter freiem Himmel – man weiß nie, ob der auch dicht hält. Und natürlich drängt sich sofort wieder die Frage auf, ob Oper „Open Air“ überhaupt Sinn macht.
Immerhin gelang dann doch noch ein durchaus unterhaltsamer, wenn auch musikalisch alles andere als glanzvoller Konzertabend. Statt der üblichen Rezitative erzählte Dirigent Horstmann einfach das Geschehen nach und sparte dabei nicht mit ironischen Bemerkungen. Dazwischen all die hinlänglich bekannten Nummern des Figaro, auf die sich das Ensemble mit viel Laune und begleitet von der reichlich brav musizierenden Elbland Philharmonie einließ.
Vor allem Paul Gukhoe Song in der Titelrolle konnte mit seinem gut sitzenden Bassbariton überzeugen, während Bryan Rothfuss als Almaviva stimmlich doch etwas die Durchlagskraft fehlte. Esther Hilsberg gelang eine sängerisch handfeste Susanna, die freilich Glanz und Leichtigkeit missen ließ. Ulrike Staude als Gräfin wiederum schien am meisten unter den widrigen Umständen zu leiden; ihre Stimme wirkte schlicht angeschlagen. Dafür sorgte Patrizia Häusermann mit ihrem üppigen Mezzo als Cherubino für reichlich Wohlklang. Und auch der Rest des Ensembles sowie der gut eingestellte Chor waren trotz der widrigen Verhältnisse ganz ordentlich mit dabei.
Den Regen dieses Abends hätte man sich übrigens gut eine Woche zuvor sehnlichst gewünscht. Er hätte die zentimeterdicke Staubschicht abwaschen können, die da auf der Inszenierung von Emmerich Kálmáns „Zirkusprinzessin“ lag. Heinz Hellberg und seine „Operettenbühne Wien“ haben bei ihrem Gastspiel einmal mehr das Altbackene zum Prinzip erhoben. Mit dem Etikett „originalgetreu“ werden die Inszenierungen Hellbergs ja gerne mal versehen. Fragt sich nur, wo genau dieses Originalgetreue in diesem Fall eigentlich zu verorten ist. In den wilden Zwanzigern, in denen das Stück entstanden ist? Oder doch eher in der Gemütlichkeit der 1950er- und 1960er-Jahre?
So gab es eine in jeglicher Hinsicht reichlich biedere, etwas arg abgestandene „Zirkusprinzessin“ zu erleben. Dabei böte doch gerade dieses Stück, in dem Kálmán gewissermaßen den Walzer auf den Foxtrott treffen lässt, eindeutig Stoff genug für eine peppigere, schärfere Show mit reichlich Tempo, ohne dabei die melancholische Seite zu vernachlässigen. Hellberg hat sich wohl mit Blick auf die Zielgruppe anders entschieden. Am Schluss jedenfalls großer Jubel – vielleicht ja auch, weil es den ganzen Abend über trocken blieb.
Thomas Göttinger
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