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Blumenmädchen und Queen im Freien

Augsburgs „Freilichtbühne am Roten Tor“ verschmelzt Natur, Kunst und leichte Muse

Das böse Bonmot lautet, dass das Schönste an Augsburg der Zug nach München sei. Doch es war der Münchner Kammerspieldirektor Otto Falckenberg, der in dem zwar wuchtigen, aber vielfältig gegliederten Festungsrest eine Spielstätte für Freilichttheater imaginierte, die Stadtväter überzeugte und sie – als Konkurrenz zu Salzburg – 1929 mit einer ersten Inszenierung einweihte. Nach wechselvoller Geschichte bespielt seit 1946 das Theater Augsburg das „Rote Tor“. Die vom berühmten Stadtbaumeister Elias Holl geschaffene Architektur wurde denkmalpflegerisch restauriert und mit unauffälligen theatertechnischen „Einbauten“ vorbereitet. Jetzt blicken 2.100 Besucher vom amphitheatralischen Parkett aus auf eine vielfältig nutzbare „Spiellandschaft“: Normalerweise sitzt im alten Stadtgraben das Orchester; auf Normalniveau liegt eine gut fünfzig Meter breite Spielfläche; dahinter erhebt sich eine erste, etwa sechs Meter hohe Festungsmauer, deren Rundbögen schon per se „Kulisse“ sind; auf ihr verläuft jedoch nicht nur ein Wehrgang, sondern eine gut befahrbare „Straße“, die links in ein ehemaliges Stadttor führt – alles herrlich auszuleuchten, durch Treppenbauten oder diagonal abwärts führende Wege mit der Hauptbühne zu verbinden und vielfältig zu bespielen. Hinter dieser zweiten Ebene ragt dann die eigentliche Stadtmauer fast zehn Meter empor und bildet mit ihren Kanonenöffnungen einen ersten, imposanten Hintergrund; nicht genug: Vom Parkett links und rechts an den Bühnen- und Mauerseiten bis hoch oben über die Stadtmauer ragen alte Laubbäume in den Abendhimmel und sind durch raffinierte Beleuchtung als Kulisse zusätzlich in die Szenerie mit einzubeziehen – Superlative sind mit Vorsicht zu genießen, doch die Formulierung „eine der schönsten Freilichtbühnen Deutschlands“ kann uneingeschränkt gelten.

Cathrin Lange als Eliza und Mitglieder des Balletts Augsburg. Foto: Nik Schölzel

Cathrin Lange als Eliza und Mitglieder des Balletts Augsburg. Foto: Nik Schölzel

Kein Wunder also, dass dieses Jahr Professoren-Mutter Higgins einmal im Mercedes-Oldtimer, dann im Triumph-Sportcabrio vorfuhr – doch noch größeren Applaus erhielt eine kleine alte Dame, die oben auf der Stadttorstraße in einer Galakutsche vorfuhr und dann gnädig winkend die große Treppe herabstieg, um den Ball offiziell zu eröffnen, auf dem Higgins und Pickering das ehemalige Blumenmädchen Eliza wie eine Prinzessin debütieren ließen. In der Maske von Queen Elizabeth stieg da Stefanie von Mende herab und hielt in traumhaft echtem „Upper-class-English“ eine kurze Ansprache, dankte, bekannte, dass sie „not amused“ sei über das WM-Ausscheiden der englischen Fußballmannschaft (in anderen Vorstellungen gab sie die aktuellen Spielstände bekannt!) – und all dieses Amüsement steigerte hinter ihr ein völlig vergreistes Prinz-Charles-Double, das stolpernd-trottelig gerade noch den Weg in die nun unten auf der Bühne vorfahrende Kutsche schaffte. Das war mit der unterhaltsamste Einfall in Thilo Reinhardts Inszenierung von „My Fair Lady“. Die Ansiedlung von Vater Doolittle und seinen Kumpanen bei der Londoner Müllabfuhr, die Verkomplizierung der Balletteinlagen als „Mülltonnen-Choreografie“ durch Riccardo De Nigris, die Verdreifachung der sonst herrlich ältlichen Haushälterin Mrs. Pearce in drei sexy Sekretärinnen – all das zündete nicht so recht. Die Dialoge gerieten nicht zum Ping-Pong und Dirigent Samuele Sgambaro degradierte den Schmiss von Loe-
wes Melodien zum dahindödelnden Kurkonzertklang; die seitlich postierten Augsburger Philharmoniker können es besser.

Auch aus dem deutlich jüngeren Professor Higgins von Christian Heller hätte die Regie mehr Funken als einen zappelig grauen Wirrkopf im grüngelben Pyjama unterm Trenchcoat schlagen können. Dieser Kostümeinfall Annette Brauns bis hin zu Elizas „Ich hätt’ getanzt heut‘ Nacht“ in schwarzer Reizunterwäsche rettete leider nichts – Cathrin Langes Eliza mit ihrer blendenden Bühnenerscheinung hätte Besseres verdient. Das Werk mit seinem Witz und seiner Ironie erwies sich dennoch als unverwüstlich unterhaltsam.

So wird sich womöglich der Vorjahreserfolg mit „Hair“ (41.000 Besucher, eine Auslastung von 98 Prozent) wiederholen. Hinter dieser Musical-Phase am „Roten Tor“ stecken Kosten-Probleme. Die anstehende Sanierung der Freilichtbühne muss angesichts einer millionenteuren, unumgänglichen Sanierung des Haupthauses und dann der Werkstätten samt Verwaltungsgebäude verschoben werden, das „Sommertheater“ darf keinerlei Zusatzaufwand verursachen – also keine Opernproduktionen am „Roten Tor“ wie in den Jahren zuvor.

Wolf-Dieter Peter

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