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Berichte

Innovativ und zartbitter

David Pountneys letzte Bregenzer Festspiele

Begonnen hat David Pountneys Beziehung zu Bregenz schon 1989: mit der spektakulären Inszenierung des „Fliegenden Holländer“, in der er und sein kongenialer Bühnenbildner Stefanos Lazaridis für die Seebühne neue Maßstäbe setzten – vergleichbar nur mit Harry Kupfers Bayreuther Inszenierung. Die erfolgreiche „Bregenzer Dramaturgie“ des Vorgängers Alfred Wopmann – „Draußen das populäre Werk anspruchsvoll spektakulär, drinnen die Opern-Orchidee“ – hat Pountney ab 2004 als Intendant fortgeführt und dann neu akzentuiert: Noch nie zeigte das Festival so viele Raritäten, Erstaufführungen und in den letzten fünf Jahren sogar fünf Uraufführungen.

»Geschichten aus dem Wiener Wald« mit Albert Pesendorfer als Zauberkönig und Angelika Kirchschlager als Valerie. Foto: Bregenzer Festspiele/Karl Forster

»Geschichten aus dem Wiener Wald« mit Albert Pesendorfer als Zauberkönig und Angelika Kirchschlager als Valerie. Foto: Bregenzer Festspiele/Karl Forster

Dabei blieb es nicht bei „Eintagsfliegen“, viele Werke gingen als Gastspiel und in den letzten Jahren angesichts ihrer Qualität als Koproduktion hinaus in die ganze Opernwelt: „Die größte Freude diesbezüglich ist die Entdeckung von Mieczyslaw Weinberg, die Uraufführung von ‚Die Passagierin‘ 2010, die über London nach Houston ging, jetzt Premiere in New York in Anwesenheit der 90-jährigen Titelheldin Zofia Posmysz hatte, nun nach Chicago und Florida, dann nach Tel Aviv und womöglich nach Perm in Russland geht. Wir haben inzwischen 23 Werke Weinbergs aufgeführt – einen vergessenen Komponisten der Musikwelt wiedergegeben“, führt Pountney ein wenig stolz an. Auch die gefährliche Enttäuschung mit „Andrea Chenier“ auf der Seebühne – statt 400.000 kamen nur rund 230.000 Besucher – verschweigt er nicht: „Doch nun mit meiner Abschiedsinszenierung ‚Zauberflöte‘ überlassen wir meiner Nachfolgerin wieder ein gutes Finanzpolster – so wie ich die Festspiele übernommen habe.“ Theatralisch in Richtung Cardiffs Welsh National Opera verabschiedet hat sich Pountney am 24. August mit einem von ihm anspielungsreich inszenierten und mit „hausinternen“ Akzenten und Künstlerauftritten gespickten „Schauspieldirektor“ von Mozart.

In seinem Abschiedsjahr gelang Pountney sogar noch eine weitere künstlerische Verbeugung vor dem Musikland Österreich. Der 71-jährige Wiener Heinz Karl Gruber, der ungemein vitale „Kurator, Chansonnier, Erzähler und Dirigent“, der 1978 als Komponist im tonalen Bereich mit „Frankenstein!“ unter Simon Rattle einen Welterfolg landete, passte als Schwerpunkt genau: immer ein bisschen anders, mal sperrig, mal schräg, aber künstlerisch immer wieder herausfordernd – getreu dem Festspielmotto „Wien zartbitter“. HK Grubers jetzt bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführte Vertonung von Ödön von Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ diente ganz der Wortmelodie. Den Sängern mutet er nicht das zeitgenössisch oft übliche Diskant-Geschreie zu, sondern eine fast mediterran klingende Sanglichkeit, die nur gelegentlich schrill und grell wird. Selten vertieft die Musik Charakterzüge ins Psychologische oder zu packender Musikdramatik. Auch szenisch bot der Abend keinen Regie-Egotrip, keine Dekonstruktion. Grubers langjähriger Mitarbeiter, Librettist und nun auch Regisseur Michael Sturminger erzählte die Geschichte klar und eingängig – fast zu „zart“, zu wenig bitter.

Satirische Kammeroper: »Gloria von Jaxtberg«. Foto: Bregenzer Festspiele/Anja Köhler

Satirische Kammeroper: »Gloria von Jaxtberg«. Foto: Bregenzer Festspiele/Anja Köhler

HK Grubers anschließend gespielte satirische Kammeroper um das schöne Schweinchen „Gloria von Jaxtberg“ vereinte in der Regie von Frederic Wake-Walker zwei Stilkomponenten: die typisch österreichische „hass-liebende“ Selbstpersiflage wie in der TV-Satiresendung „Wir sind Kaiser“ und das dann durchtobt von der grotesken bis herrlich absurden Situationskomik à la Monty Python – sie ließ aber auch an die Kapriolen einer gleichnamigen Dame des Hochadels denken. Im intimen Seestudio-Konzert „Musik & Poesie“ entfachte HK Gruber als Dirigent und als mal brecht-weillscher, mal raunzig wienerischer Chansonnier Jubelstürme.

Dieses Niveau erreichte die von Pountney ausgebaute Reihe „KAZ – Kunst aus der Zeit“ in den letzten Jahren immer seltener. Auch die diesjährige Uraufführung von „Das Leben am Rande der Milchstraße“ wirkte unausgegoren. Die intendierte neue Form einer „Sitcom-Oper“ über das „EBF-European Bureau for Future“ mit Sitz in der Milchstraße 142 a des österreichischen Klosterneuburg und seine Projekte „Weltraummüllabfuhr“, „Europäisches Armutsverbotsgesetz“, „Eichelhäher-Sturm-Frühwarnsystem“ oder „Zukunftsfähigkeitsformel“ könnte eine ätzende Satire über Bürokratismus kontra Kreativität oder eine eiskalte Analyse des kapitalistischen Effizienzwahnsinns bezüglich Evaluierung, Qualitätssicherung und -steigerung oder Synergieeffekten sein. Das gelang weder im Libretto eines Autorenduos, noch in Nicola Raabs Regie oder in der Klang-Geräusch-Collage von Bernhard Gander – ein „Ministerium für Zukunft“ auch des Musiktheaters wird folglich weiter dringend benötigt. Hier hat also die 2015 antretende Intendantin Elisabeth Sobotka ein weites Feld. Pountneys augenzwinkerndes Resümee seiner zehn Intendantenjahre: „From bad to worse“ – dieser typisch britische Humor prägte die Festspiele erfrischend.

Wolf-Dieter Peter

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