Fantasievolle Sparten-Verknüpfung
»Der Graf von Luxemburg« im Schlossgarten Neustrelitz
Sie nannten sich die größten Operettenfestspiele Deutschlands: die Schlossgartenfestspiele in der einstigen Residenzstadt Neustrelitz. Zwar wurde das Residenzschloss 1945 zerstört. Doch an seiner Stelle krönte bis 2013 eine Schlossattrappe den barocken Schloss-garten, der den Festspielen als Kulisse diente. 2.400 Plätze boten einen herrlichen Blick auf die Bühne und die dahinter ansteigende Parklandschaft bis hinauf zum Schloss.Im Jahr 2001 begannen die Festspiele mit „Königin Luise – Königin der Herzen“, einem Operetten-Pasticcio mit Musik von Johann Strauß, Jacques Offenbach und Walter Kollo über Luise von Mecklenburg-Strelitz, Gemahlin König Friedrich Wilhelms III. von Preußen. Der Erfolg war groß, Luise blieb in aller Munde.
Marion Costa als Gräfin auf Zeit. Foto: Kunstmann
Danach wurde der Schlossgarten umfangreich saniert, und die Festspiele mussten umziehen. Heute bieten die „Festspiele im Schlossgarten“ oberhalb des eigentlichen Gartens auf knapp 1.400 Plätzen den Blick über die Bühne auf die Schlosskirche, die den letzten Krieg überstand und keine Attrappe ist. Luise mag noch immer Königin der Herzen sein, doch gingen auch schon andere Blaublütige über die Festspielbühne. In diesem Sommer ist es „Der Graf von Luxemburg“ in der Operette von Franz Lehár, der an den Juli-Wochenenden das Publikum auf den Schlossplatz einlädt.
In einer Produktion des Landestheaters Neustrelitz hat Operndirektor Wolfgang Lachnitt die Geschichte des mittellosen Grafen inszeniert, der für eine halbe Million eine Bürgerliche heiratet, nur um sie nach der Scheidung drei Monate später als nunmehr Adlige an den reichen russischen Fürsten Basilowitsch abzugeben. Mit dieser Inszenierung ist eine spielfreudige Open-Air-Aufführung gelungen mit vielen fantasievollen Kostümen von Stephan Stanisic. Sie hat die heitere Leichtigkeit, die ein breites Sommerpublikum zu seiner Unterhaltung erwartet, lebt aber auch von der fantasievollen Verknüpfung der verschiedenen Sparten miteinander.
Der Regisseur nutzt das Ballett der Deutschen Tanzkompanie in der Choreografie von Thomas Vollmer und den Opern- und Extrachor in der Einstudierung von Gotthard Franke nicht nur für ein paar große Tableaus. Er übersetzt den Liebesstreit des Malers Brissard mit seinem Modell Juliette im Hintergrund in die choreografische Sprache von sechs Tanzpaaren, die ihn gleichsam verallgemeinern. So füllt Lachnitt auch in kleinen Szenen die Bühne mit Chorsängern und Tänzern und projiziert durch sie die Handlung zwischen den Protagonisten ins Vielfache. Auf der weitläufigen Bühne ist das ein reizvoller Trick.
Die Fußball-WM in Brasilien kommt einem in den Sinn, wenn die sechs Damen und sechs Herren des Balletts im zweiten Teil des Abends als zwölf Brasilianerinnen im Samba-Kostüm auftreten. Köstlich, wie man erst nach und nach gewahr wird, dass nicht alle Tänzerinnen Damen sind. Der Chor ist leider nicht groß, die etwa 25 Stimmen bekommen ihre Klangkraft erst durch elektroakustische Verstärkung. Der Textverständlichkeit ist das nicht immer zuträglich, doch der Gesamtklang bleibt klar und ebenmäßig.
Die Solisten kann das Landestheater aus eigenem Haus aufbieten. Drei Tenöre teilen sich den Applaus des Publikums: Alexander Geller eher heldisch als Graf, der Kolumbianer Andrés Felipe Orozco mit schönem lyrischem Timbre als Brissard und der Spieltenor Bernd Könnes in der Fürstenrolle. Die Sopranistin Marion Costa als Gräfin auf Zeit und Lena Kutzner in der Mezzo-Partie der Juliette bedienen das Opernhafte in Lehárs Musik mit schönen Stimmen. Dahinein bringt die Sängerin Dagmar Frederic als einziger Gast der Aufführung eine überraschende Chansonfarbe. Die Neubrandenburger Philharmonie begleitet die Aufführung unter der Leitung von Jörg Pitschmann, der mit Markus Baisch alterniert, schwungvoll und gelöst und legt unter den Schlussapplaus noch einmal eine Reprise der schönsten Melodien.
Michael Baumgartl
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