Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


Portrait

Todbringende Leidenschaften

„Il trovatore“ auf der Eutiner Freilichtbühne

Aus dem Feuer geboren und alles verzehrend – die Rache, der Hass, das Begehren und die Liebe sind die übermächtigen Größen in dieser Inszenierung, deren musikalische Leitung in den bewährten Händen von Generalmusikdirektor Urs-Michael Theus liegt. Innere Spannung entwickelt sich dabei eben nicht aus einer fortlaufend erzählten Handlung, sondern aus der Emotionalität der Figuren. Verstrickt sind sie, Gefangene allesamt, und so ziehen sich dann auch starke gespannte Seile durch das Bühnenbild, das Ursula Wanda-ress als eine apokalyptische Trümmerlandschaft gestaltet hat, die wohl Schlupfwinkel, aber keinen Rückzugsort birgt.

Innere Spannung entwickelt sich aus der Emotionalität der Figuren. Foto: Pressedienst Ostholstein

Innere Spannung entwickelt sich aus der Emotionalität der Figuren. Foto: Pressedienst Ostholstein

Bedrohung ist allgegenwärtig, ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In dieser Szenerie lässt Dominique Caron, seit 2012 in Eutin, die Vorgeschichte erzählen, die in der Oper zu ihrem Schluss kommt. In ein aschenes Gewand gehüllt – auch die Kostüme hat Ursula Wandaress entworfen – führt die Mutter der Azucena in die Oper ein, deren Tod auf dem Scheiterhaufen die Tochter um jeden Preis rächen will. Dominique Caron hat in ihrer Regieführung als Entsprechung für die Wucht der Gefühle, die die Figuren antreibt und quält, voll und ganz auf Effekte gesetzt. Und das meint nicht nur das vielfarbige Licht (Lichtdesign: Klaus Emil Zimmermann), Tontechnik und Sound (Christian Klingenberg) und die Pyrotechnik, sondern gerade und vor allem die Stimmen.

Dazu gehört natürlich der Festspielchor unter der Leitung von Carsten Bowien, zu dem immer auch ein Extrachor von 25 Eutinerinnen und Eutinern zählt. Den Solosängern gibt Caron viel Raum, lässt sie verharren und aussingen, denn es ist ja die Musik, der der „Troubadour“ seine ungebrochene Magie verdankt. Mit Romelia Lichtenstein hat sie für die Leonora eine Sängerin ausgesucht, die deren Zartheit und Empfindsamkeit ebenso Ausdruck zu verleihen vermag wie der verzweifelt konsequenten Entschlossenheit, mit der sie in den Tod geht. Die Sopranistin, die im Juni 2012 am Theater Halle zur Kammersängerin ernannt wurde, kennt die Eutiner Festspiele bereits von den beiden vorherigen Spielzeiten, in denen sie als Abigail in „Nabucco“ (2012) und als Königin der Nacht in der „Zauberflöte“ (2013) zu erleben war. Annette Hörle, die das Engagement in einem Nachwuchswettbewerb gewonnen hat, ist als Inez ihrer Aufgabe gewachsen. Für James Tolksdorf, derzeit engagiert am Landestheater Detmold, ist der „Troubadour“ ein Wiedersehen mit der Bühne im Schlosspark der ostholsteinischen Kreisstadt. 2013 war er hier als Escamillo in „Carmen“ verpflichtet. Seinem Grafen von Luna gibt er eine starke Physis, agiert mit kantigen Gesten. Immer wieder aber scheint in seinem kraftvollen Bariton ein Anflug von Wärme durch; dann berührt den Zuhörer die Gewissheit, dass auch der Graf von Luna ein Herz hat. Ihm zur Seite steht Christoph Woo als sehr präsenter Ferrando. Lunas Gegenpart verkörpert Charles Kim als Manrico durchaus überzeugend, es gelingen ihm Momente großer Intensität. Die Höhepunkte der Aufführung aber gehören Milana Butaeva, die im letzten Jahr die Eutiner „Carmen“ gab. Ihre Azucena, die einst den eigenen Sohn den Flammen übergab, hat nur noch einen Grund, am Leben zu bleiben: Rache. Wie entfesselt spielt Butaeva stimmlich und darstellerisch alle Facetten dieser Figur aus. Ihr wahnhafter Taumel als Gefangene ist ein Totentanz, Vorausdeutung auf das nahe Ende in absoluter Verderbnis.

Es ist eine Herausforderung, auf der Bühne unter freiem Himmel die Spannung bis dahin zu halten. „Die Natur spielt immer mit“, sagt Dominique Caron. Das kann sehr reizvoll sein, etwa wenn die Blätter der mächtigen Bäume rauschen oder Fledermäuse bei einsetzender Dunkelheit durch das Scheinwerferlicht fliegen. Wenn aber die Enten auf dem Großen Eutiner See zur Unzeit quaken, gerät es zum Kraftakt, das Publikum bei der Stange zu halten. Dazu kommt, dass der Orchestergraben je nach Witterung mit einer Überdachung versehen werden muss. Kontaktstelle zwischen dem Bühnengeschehen und dem Orchester ist Generalmusikdirektor Urs-Michael Theus. Nach 15 Jahren in der Funktion des Musikalischen Direktors am Theater Lüneburg ist er nun freiberuflich tätig und seit 2009 in Eutin als Generalmusikdirektor verantwortlich. Dazu gehört auch, in Auditions an der Universität von Kansas junge Musiker auszuwählen, die dann in einer kurzen Probenzeit mit Berufsmusikern von Theatern und Opernhäusern aus Lübeck, Hamburg, Lüneburg und Hannover zu einem Ensemble mit geschlossenem Klang zusammengeführt werden müssen. Unter anderem diese Kooperation mit der amerikanischen Universität war die Rettung der Festspiele, die nach internen Querelen 2011 Insolvenz anmelden mussten und seitdem als Neue Eutiner Festspiele weitergeführt werden. Auch der diesjährige „Troubadour“ zeigt, dass sich die damaligen Anstrengungen gelohnt haben.

Astrid Jabs

 

 

 

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner