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»Zigeunerbaron« auf der Seebühne
Operettensommer in Kriebstein
In der Einsamkeit von ausgedehnten Wäldern unweit der mittelalterlichen Ritterburg ist die Seebühne der Kriebsteintalsperre seit wenigen Jahren im Sommer ein erstrangiger Anziehungspunkt für Musikfreunde. Hier spielt das Mittelsächsische Theater publikumswirksame Inszenierungen, bietet die perfekte Hanglage der Zuschauerreihen beste Sicht auf allen Plätzen.
Einfallsreiches und vielseitiges Bühnenbild. Foto: Rene Jungnickel
Sonnenhut oder Regenumhang: Ein bisschen Equipment braucht der Besucher, um in den vollen Genuss der Vorstellungen zu gelangen. Denn Wetter ist immer. So gestaltete sich die Premiere des „Zigeunerbaron“ von Johann Strauß in glühender Hitze bei gefühlten 50 Grad extrem für Künstler und Zuschauer. Gespielt und gesungen wurde in üppigen Kostümen, Publikumsliebling Sergio Raonic Lukovic trug stolz Pelz als umwerfend gewiefter Zsupán. Regisseur Manfred Straube verzichtet in der reichen Ausstattung von Peter Sommerer auf nichts, nicht auf anmutige Bootsfahrten, nicht auf kriegerisches Gerangel oder folkloristisches Lagerleben samt Pferden und Kutschen. Das alles auf einer bespielten Totalen von 30 Metern Festland und einer Seebühne dahinter, die in Beton ins Wasser eingelassen ist.
Das ungarische Grenzland Siebenbürgen ist Schauplatz der Operette, ein Vielvölkerstaat mit wechselvoller Geschichte. Die Seebühne zeigt das verfallene Schloss der Barinkays. Das Zigeunerlager zur Linken ist ein farbenfroher Tross an Menschen um die kluge Czipra. In ihrer Obhut befindet sich Pflegetochter Saffi, geboren als Tochter des türkischen Statthalters. Daneben das Schweineimperium des leutseligen Geschäftemachers Zsupán. Mit ihm will der heimkehrende Barinkay einen Deal für gute Nachbarschaft schließen – und flott seine Tochter heiraten, doch es kommt zum Glück anders.
Zugegeben, mit den überholten Sitten und Bräuchen hat man im „Zigeunerbaron“ immer ein Problem. Das beginnt schon beim Titel, der sich heutigem Sprachgebrauch sperrt. Aber hier will auch Geld zu Geld, und es gibt einen kaiserlichen Kommissär als Sittenwächter. Und das arme Zigeunermädchen wird erst rehabilitiert, als seine Herkunft als Paschatochter offenbar wird. Sehenswert aber ist die Verortung im historischen Umfeld zur Zeit diverser Kriege. Hier zündet die Spiellaune aller, allen voran Frank Ungers, Gast des Theaters Annaberg-Buchholz, als flotter, stimmfester Barinkay, dazu die donnernde Frohnatur Sergio Raonic Lukovic als Zsupán – sowie Rebekah Rota als bezaubernde Saffi und Margo Weiskam als kluge Czipra. GMD Raoul Grüneis leitet die Mittelsächsische Philharmonie mit sicherem Schwung. Ohrwürmer wie „Ja, das alles auf Ehr“, „Der Dompfaff, der hat uns getraut“ bis zum „Borstenvieh und Schweinespeck“ sorgen für schöne Stunden.
Gespielt wird mit größtmöglichem Ensemble – mit Solisten, Chor und einem guten Dutzend amerikanischer Gesangsstudenten: Die sind – seit zehn Jahren – ein Glücksfall für dieses Theater. Alljährlich im Frühsommer kommen sie von der James Madison University in Harrisonburg/Virginia nach Sachsen. Ihre Professorin, Dorothy Maddison, war Anfang der 90er-Jahre als Sopranistin am Döbelner Haus engagiert und organisiert seitdem den Sommerkurs. Für Chordirektor Tobias Horschke ist die Verstärkung seines Opernchores mit nur 16 Sängern durch junge, starke Stimmen ein Pfund, mit dem er gern wuchert. Sein Motto: „Je besser die Vorbereitung, umso mehr Bewegungsfreiheit auf der Bühne.“ Denn Sicherheit erst gibt das Spielerische frei, auch soll jeder Chorsänger den Blick auf den 30 Meter entfernten Dirigenten mit gekonntem Selbstverständnis meistern. Wenig Technik, super Sound – so einfach ist das in Kriebstein.
Die Idee für die Seebühne entstand um das Jahr 2000, die erste Vorstellung gab es 2005. Das Publikum zeigte sich begeistert von dem neuen Spielort: 2007 wuchs darum eine 250 Quadratmeter große Bühnenplatte aus dem See. Zunächst saßen die Besucher noch auf einer provisorischen Tribüne oder drängten sich auf dem Uferweg. Für 2008 wurden 400 Plätze im neuen Auditorium geplant, dank der Förderung durch den Kulturraum Mittelsachsen konnten dann aber 850 Plätze fertiggestellt werden. Intendant Ralf-Peter Schulze hat die Erfahrungen der letzten Jahre ausgewertet: Weniger Produktionen, weniger Vorstellungen werden gezeigt, die dafür besser auszulasten sind.
Marianne Schultz |