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Dramatisch, sinnlich, komisch
Jo Ann Endicott „Warten auf Pina – Aufzeichnungen
einer Tänzerin“, 126 S., Henschel Verlag, 16,90 Euro
Die gebürtige Australierin Jo Ann Endicott, Jahrgang 1950,
ausgebildet in klassischem Tanz, war ab 1973 das Vollblut in Pina
Bauschs revolutionärem Wuppertaler Tanztheater. Und genau
so schreibt sie auch: direkt aus dem Bauch. Dramatisch, sinnlich,
wunderbar komisch – die Realität treffend. Meisterhaft
ihr Porträt über die vergötterte und gefürchtete,
schwierige, immer sehr distanzierte Tanzkönigin Bausch. Hier
ein Porträt-Telegramm: „Pina wirkt ungreifbar, eigen,
stark, kühl. In sich versunken, arbeitssüchtig, stur...
Ist sie klug? Ich glaube, sie ist viel zu klug. Sie ist eine sehr
gute Businesswoman geworden. Mächtig berühmt. Grenzenlos
kreativ... Sehr deutsch, voll von sich eingenommen. Oft spricht
sie in Rätseln... Ich kann ihre Worte, Sätze, ihre Sprache
eher fühlen und sehen als hören... sie ist sehr, sehr
besonders.“
Endicott, die sich das Deutsche auf bewundernswerte Art erarbeitet
hat, redet direkt mit dem Leser, so dass man unmittelbar in ihre
Erlebnisse und Erfahrungen hineingezogen wird: Wenn sie, mittlerweile
längst Bausch-Assistentin, 2000 das 1978 entstandene „Kontakthof“ mit „Damen
und Herren ab 65“ einstudiert, steht man förmlich neben
ihr, begreift ihre Anstrengung, aber auch ihre Freude über
diese Arbeit mit begeisterten Laien. Fühlt sich in ihrem Körper,
wenn sie mit 52 noch in „Sacre“ für eine erkrankte
Tänzerin einspringt: „Am nächsten Tag lief ich
wie ein Krüppel so neben mir herum. Aber es war spitzenmäßig
toll. Wie auf Drogen, stelle ich mir so vor.“ Was dieses
auch blendend bebilderte Buch so attraktiv, ja unbedingt lesenswert
macht, ist Endicotts humorvolle Bodenständigkeit, aus der
heraus sie diesen trotz aller Mühen selbst gewollten Spagat
beschreibt zwischen dem süchtig machenden Tanzberuf und ihrem
Privatleben mit Mann, drei Kindern, inklusive Kochen, Backen und
Garteln.
Malve Gradinger
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