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Zwischen Rache, Liebe, Dienerschaft
„Tristan und Isolde“ in Köln · Von Joachim Gerth
Diesmal also „Tristan und Isolde“ in Köln nach
mehreren mehr oder weniger gelungenen, aber musikalisch dichten
Aufführungen in den letzten 35 Jahren.
David Pountney (Regie) und Robert Israel (Bühnenbild) schufen
einen eindrücklichen Rahmen mit einer durchaus bildhaften
Personenregie. Im ersten Akt sind die Planken eines angedeuteten
Wikingerschiffes zu sehen. Ein ebenfalls nur angedeuteter Boxring,
der Raum des Beziehungsgefüges zwischen Isolde und Tristan,
Brangäne und Kurwenal, ist die Fläche, auf der die Vorgeschichte
des Musikdramas und das daraus resultierende vielschichtige Verhältnis
der Personen zueinander schwankend zwischen Rache, Liebe, Dienerschaft
visualisiert wird.
Im zweiten Akt erwartet den Zuschauer ein Irrgarten aus Trümmern
und Versatzstücken eines Hauses, – Sinnbild einer zusammengebrochenen
Beziehungsstruktur – durch den Tristan und Isolde wandern
um zueinander zu kommen. Man hat das Gefühl in einem „Seelenirrgarten“ zu
sein, in dem Tristan und Isolde sich bis zur Entdeckung durch König
Marke langsam finden. Das Liebesduett findet an einem kleinen,
abgegrenzten und intimen Platz in diesem Trümmerfeld statt
(ähnlich wie in der Essener Tristan Inszenierung). Kurwenal
dringt dort mit seinem Schwert gewaltsam und störend ein;
unter anderen ist dies ein dramatischer Höhepunkt der Inszenierung.
Schließlich der dritte Akt, der optisch an Kargheit, Trostlosigkeit
und Ödnis nicht zu überbieten ist. Das Englisch-Horn
führt beredt Klage, „es ist kein Schiff zu sehen“....
Ohne Regiemätzchen unterwirft sich der Regisseur dem Verdikt
des handlungsarmen Werkes und führt die Wanderung durch die
Seelen der Beteiligten eindrucksvoll und mit Intensität vor
Augen.
Bedauerlicherweise werden die Sänger diesem Konzept musikalisch
nur bedingt gerecht. Lediglich die Darsteller des Kurwenal (Samuel
Youn), der Brangäne (Dalia Schächter) und des König
Marke (Alfred Reiter) erfüllten die Erwartungen des Publikums
begrenzt. Tristan (Richard Decker) und Isolde (Anna Persson) hingegen
konnten stimmlich nicht überzeugen. Im ersten Akt drangen
sie trotz des extrem zurückgenommenen Orchesters nicht durch.
Im zweiten Akt wurden sie sicherer, gingen aber im dritten Akt
völlig unter. Es gibt durchaus geeignetere Darsteller, die über
die Rampe dringen könnten .Warum lässt man diesen Sängern
(ohne große Erfahrung, ohne stimmliche Substanz vor allem
in der Mittellage) nicht mehr Zeit für ihre Entwicklung? Beide
Darsteller zeigten zumindest zuweilen durchaus hörenswerte
Ansätze.
Leider kommt vor allem das Rauschhafte der Musik im Orchester
entscheidend zu kurz. Handwerklich hörbare Koordinationsprobleme
im Vorspiel zum 1. Akt und der erste völlig verhauchte Akt
führen zu diesem Schluss . Der tristen und bisweilen lustlosen
Interpretation liegt ein Missverständnis zugrunde, denn wo
gibt es sonst in der Musik ein solches Psychogramm, so unerhörte
Klänge, so verzehrende Sehnsucht, so einen Trancezustand,
so eine Hypnose bis zur Bewusstlosigkeit, solche Emotionen, solche
Akkorde? Warum kommt Dirigent Markus Stenz erst am Ende des Werkes
in die Spur? Der Schluss mit Isoldes Liebestod bot endlich orchestral
das vom Kölner Gürzenich-Orchester gewohnte Niveau.
Eine spezielle Rolle spielten an diesem Abend die Zuschauer. Sie
folgen dieser Aufführung mit nur begrenzter Aufmerksamkeit,
unterbrachen die Stimmungen mit großem chronisch anmutenden
Husten. Man könnte meinen, dass es hier um eine Gegenvorstellung
mit einem speziellen Kölner Auftragswerk unter dem Titel „Das
große Husten“, Konzert für Bonbonpapier, Grippe
und Handtaschenreißverschluss ging. Warum empfanden die hustenden
Besucher keine Scham bei Ihrem Tun ? Oder war es gar ein fachkundiger
unterschwelliger Kommentar zu einer nicht besonders geglückten
musikalischen Darbietung ? Am Ende kräftige Buhs vor allem
für die Hauptdarsteller und den Dirigenten.
Joachim Gerth |