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Erkundungen der Wirklichkeit
Musik für Kinder und Jugendliche in Magdeburg · Von
Herbert Henning Wenn Kinder ins Theater gehen, haben sie viele Fragen. Warum heißt
die Oper „Oper“, und wozu braucht man eigentlich Musik
im Theater? Singt eine „Kammersängerin“ in einer
Kammer? Warum versteht man oft den Text so schwer? Fragen über
Fragen. Im Opernhaus Magdeburg bekommen Kids ab 6 Jahren auf ganz
ungewöhnliche Art und Weise Antworten. Seit einem Jahr erleben
sie „Spuk in der Oper“, gehen dabei in einem Streifzug
durchs Theater dem Geheimnis der Oper auf den Grund und begegnen
dabei so manchem Kulissenzauber, einer wirklichen Kammersängerin
(Ute Bachmaier), einem Sänger (Wolfgang Klose) und der patenten
Putzfrau Sybille Strusemann (Susanne Krassa), der zu den vielen
Requisiten und Kulissen immer neue Geschichten einfallen. Mehr
als 40 Mal wurde „Spuk in der Oper“ bisher gespielt
und die Nachfrage ist ungebrochen. Der junge Regisseur Stephan
Beer hat das Stück entwickelt und hat die Kinder auf eine
Musiktheater-Entdeckungsreise mitgenommen. „Spuk in der Oper“ ist
im Spielplankonzept des Magdeburger Theaters für Kinder und
Jugendliche Teil der Erkundungen „möglicher welten“.
So ist das Motto der Spielzeit 2007/2008 und vieles, was für
Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren angeboten wird,
hat einen direkten Bezug dazu. Für Besucher von 6 bis 10 Jahren
gibt es als Einstieg den „Spuk in der Oper“ und für
die, die Spaß am Musiktheater haben, gibt es Gian Carlo Menottis
zauberhafte Science-Fiction-Oper „Die Braut vom Pluto“.
Und das Musical „No Sex“ von Nicolas Ramdohr führt
Schüler ab 12 Jahre direkt an das Musiktheater heran. So bekommen
Schüler Lust auf Theater, das sie über ihre ganze Schulzeit
begleiten soll. So erklärt sich auch, dass die Musicalinszenierungen „Fame – das
Musical“, „Hair“ und „Jesus Christ Super
Star“ im Opernhaus vor allem das jugendliche Publikum anziehen.
Bundesweit einmalig
Für ein spezielles Angebot an Kinder und Jugendliche wurde
die Podiumbühne im Keller des Opernhauses zur „Jungen
Bühne“. Hier hat der Theaterjugendclub seine „eigene“ Spielstätte
zum Proben, Experimentieren, Lernen und Spielen mit Unterstützung
der Theaterpädagogen, von Schauspielern und Sängern,
Dramaturgen und Technikern. Seit 2003 leitet die Theaterpädagogin
Katrin Richter das Theaterjugendclub-Projekt „freijungwild“.
Mit fast 200 Mitgliedern zwischen 10 und 20 Jahren ist dies bundesweit
einmalig und die entwickelten Stücke und Inszenierungen der
verschiedenen „Teams“, ob Schauspiel, Musical oder
Tanztheater machen auch außerhalb Magdeburgs Furore. Die
Warteliste für ein Mitmachen im Theaterjugendclub ist lang
und Katrin Richter ist immer wieder auf der Suche nach neuen Talenten.
Das Besondere des Theaterjugendclubs ist, dass sich ein Team über
einen langen Zeitraum mit einem Thema auseinandersetzt, nach gründlichen
Recherchen das Stück entwickelt, gemeinsam an der Inszenierung
arbeitet, sich für Bühnenbild, Musik und Technik verantwortlich
fühlt. Und in der Regel kommt der „Teamer“ (Projektleiter)
aus den eigenen Reihen. Katrin Richter legt auf diese eigenverantwortliche
Arbeit sehr viel Wert: „Man muss Verantwortung übertragen
und Möglichkeiten des Sich-Ausprobierens schaffen. Man glaubt
nicht, wie viel schöpferisches Potential da vorhanden ist.“
Mehr als zehn Premieren, verteilt auf die gesamte Spielzeit, stellt
der Theaterjugendclub vor. Immer wieder überrascht dabei die
Vielfalt der theatralischen Möglichkeiten, die die Jugendlichen
für sich neu entdecken. Da gab es in Zusammenarbeit mit dem
Konservatorium „Georg Philipp Telemann“ die Revue „MagdeBob“ zum
1.200-jährigen Jubiläum der Stadt Magdeburg als Streifzug
durch die bewegte Geschichte der Elbestadt und das hinreißende
Musical „East Side Story“ als eine deutsch-deutsche
Liebesgeschichte. Beeindruckend auch die Tanzperformance „Vom
Fallen und Aufstehen“, bei dem in einer wirkungsvollen Körpersprache
die Jugendlichen in flüssigen, ausdrucksstarken und spannungsgeladenen
Bewegungen Geschichten erzählen – ein Ergebnis der Auseinandersetzung
mit verschiedenen Techniken des Tanzes in einem langen Probenprozess. Gesungene Schulstunde
Eine wichtige Konstante der Arbeit des Theaterjugendclubs bildet
die Zusammenarbeit mit „The Pipers“ e.V., einer Theatergruppe
für Menschen mit geistiger Behinderung, deren Stück „HerzMutVerstand“ (nach
dem Musical „Der Zauberer von Oz“) einen großen
Erfolg erlebte und auf zahlreichen Gastspielen gezeigt wurde. Mit
dem szenischen Lieder-abend „Nachsitzen“, wiederum
in Kooperation mit dem Konservatorium „Georg Philipp Telemann“,
betritt Katrin Richter gemeinsam mit Michael Otto Neuland. In einer „Schulstunde“ wird
beim Nachsitzen nur gesungen – über das Leben, die erste
Liebe, über Frust und Träume. Und das mit Songs von Christina
Stürmer, Britney Spears, den Prinzen, Rosenstolz und vielen
anderen. Als ein besonderer Höhepunkt machen die 4. Werkstatt-Tage „unerhört – junge
musik magdeburg“ das Erlebnis Musiktheater zum Thema. An
drei Tagen bekommen junge Menschen in verschiedenen Workshops Gelegenheit
zum Selbermachen, zum Komponieren, zum Tanzen und Singen. Begleitet
werden sie auf dieser Entdeckungsreise durch die Musik und das
Musiktheater von Mitgliedern der Magdeburgischen Philharmonie,
von Sängern des Opernensembles und des Opernchores und von
Tänzern des Balletts. Die Ergebnisse der Workshops werden
vorgestellt und in diesem Jahr dreht sich alles um Camille Saint-Saëns‘ „Karneval
der Tiere“. Öffentliche Proben mit Musikern, Tänzern
und Sängern geben Einblick in den Alltag des Theaters, sollen
neugierig machen auf die Welt vor, auf und hinter der Bühne
und Lust zum Selbermachen.
Herbert Henning
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