Von Mücken, Elefanten und der Macht in den Händen“ – es orakelt sehr im Forum der Bundeskunsthalle. Bereits der Titel seltsam sperrig, entwurfhaft-konzeptuell. So unvermittelt, so schroff das Ende kommt in dieser durchgespielten Achtzig-Minuten-Produktion, so tänzelnd, beinahe skrupulös ihr Anfang. Und so geht’s los: Eine Schauspielerin tritt auf, stellt sich vor, unterweist das Publikum dahingehend, dass dieses sich im Zuschauerraum befinde, sie selbst auf der Spielfläche und dass „es“ nun „gleich“ losgeht. Der Anfang als Hinauszögern, Verweigern des Anfangs. Loop, Endlosschleife als Stilmittel. Regisseur/Autoren-Duo Melanie Mohren/Bernhardt Herbordt und Komponist Hannes Galette-Seidl präsentieren ein offenes Formkonzept. Trichtergleich macht es mit jeder Spielminute weiter auf, wehrt sich unmissverständlich gegen so ziemlich alles, was auch nur entfernt nach Theaterkonvention riecht oder riechen könnte. Handlung? Personalprofil? Dramatischer Konflikt? Musikthematische Zuordnung und Charaktere? Alles steht zur Disposition, ist verquirrlt zu einer Art Malstrom aus Zeichen, Verweisen, Andeutungen, Geräuschklängen. Viel muss geschehen, bis in dieser Produktion auch gesungen wird. Einstweilen agieren zwei Schauspieler, die auch auf der Bühne so heißen wie sie wirklich heißen: Katharina Zoffmann, Andreas Hilscher. Diese halten den Whirlpool in Gang. Hilscher baut einen Kartonturm und sagt: Ich bin Prospero! Gemeinsan imaginiert man den amerikanischen Senator d’Amato, der mit einer fünfzehnstündigen Dauerrede „den Lauf der Dinge aufhalten wollte“. Was ist Wirklichkeit, was nur Theater und was die Wirklichkeit des Theaters? Und – wenn aus Mücken Elefanten werden können – was ist Macht anderes als Vorstellungsvermögen? Ersichtlich sind die Dinge im Fluss. Die Vorstellung festen Bodens jedenfalls gilt nicht in der Mohren/Herbordt/Seidl-Vorstellungswelt. Elektronik, Posaune, Bassklarinette, Perkussion, das verkleinerte Bonner Beet-hoven Orchester respektiert diesen Ansatz. Welches Wort verträgt sich wie mit welcher Musik?, lautet die Frage des Komponisten. So kommt es zu diesen eigentümlich in sich gekehrten Soli, zu einem Abschiedstrio à la Haydn, zu Melodien allerdings nur aus einem herumgetragenen Kofferradio – Musik, die Reflexionsinseln schafft und überbrückt. Dass allerdings, so kritische Stimmen, die kompositorischen Anteile dadurch „an den Rand gedrängt“ seien, ist mitnichten die Wahrnehmung der Produzenten. So stark das Gefälle zwischen großen Wort- und kleinen Musikanteilen auch ist – es ist gewollt. Auch, dass am Ende die Spiel- zur Wasserfläche wird. Was Land war, ist nun Insel, auf die sich die Protagonisten, die keine sein wollen oder können, retten. Da sitzen sie nun und wehren sich gegen das Drehmoment ihres eigenen Spiels. Hilfreich springt ihnen jetzt die Regie bei mit unverblümten Traditions-Anleihen. Aus dem Nichts des Bühnenhintergrunds erscheint eine Sängerin, ein hochdramatischer Sopran, deren Tonfall das vorausgegangene antidramatische Geschehen konterkariert und die Bruchkante dieses experimentellen Musiktheaters markiert. Eine Grenze ist berührt – die zur Oper. Das Team spürt es und führt das Ende herbei. Es sei, so der Komponist, der „ewige Loop“, der an dieser Stelle drohe. Gelöst wird das subjektiv verspürte Dilemma nach barockem Vorbild: Ex machina. Aus dem Theaterhimmel fällt ein Schlauchboot auf den Bühnenboden. Licht aus. – Was das alles bedeutet? Eine gute Frage. Sie bleibt offen. Offenkundig ist nur die Poesie, die von diesem dahingehauchten, zeichenhaften Musiktheater ausgeht. Noch im Nachklang wird sie gespürt. Georg Beck |
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