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Gemischte Gefühle
„Maria Stuarda“ an der Mailänder Scala · Von Joachim
Gerth
Die Aufführung der „Maria Stuarda“ von Gaetano
Donizetti in der Mailänder Scala wurde dem Ruf des zuletzt
wunderschön restaurierten Hauses nicht gerecht. Eine wenig
auf Personenregie setzende Inszenierung, eine sich auf große
Gesten beschränkende Besetzung, ein wenig inspiriert wirkender
Dirigent und ein viel zu kraftloser Tenor bewirkten eine nur in
Ausnahmefällen wirkungsvolle Darbietung. Dabei stimmte der äußere
Rahmen des Bühnenbildes durchaus: der mit Gefängnisgittern
umgrenzte Raum symbolisierte Staatsräson, unterdrückte
Gefühle und Unausweichlichkeit des Schicksals. Das Werk bietet
dabei einige berühmte Belcanto Szenen wie die Beichte Marias über
ihre Taten, ihr Gebet und die Schlussszene mit Marias Hinrichtung;
doch es bedarf schon eines großen Spannungsbogens, um die
bekannten und weniger kantablen Szenen zu einem großen Ganzen
zusammenzufügen; man darf sich nicht – wie hier geschehen – nur
auf die zentralen Szenen verlassen.
Diesem Grundirrtum unterlag vor allem der Dirigent Antonio Fogliani,
der die Serie in Mailand dirigierte. Er zerdehnte und zerlegte
die Musik und nahm dadurch die Spannung aus dem Ablauf. Lediglich
in den zentralen Szenen vermochte er dem Belcanto Ausdruck zu verleihen
und so etwas wie musikalische Substanz zu vermitteln. Zu diesem
Bild passte die Leistung des Tenors, ein gewisser Dario Edgardo
Schmunck, der viel Bewegung, aber wenig Stimme vermittelte. Man
muss nicht Pavarotti oder Araiza im Ohr haben, um sich hier zu
fragen, ob es nicht geeignetere Tenöre für diese Rolle
gegeben hätte. Schmunck, der die wichtige Rolle des Roberto
Conte di Leicester sang, kam in den Schlüsselszenen mit seiner
kleinen Zwischenfachstimme gar nicht über die Rampe hinaus
und vermittelte den Eindruck, von irgendwo hinter der Bühne
zu singen. Lediglich in der Schlussszene zeigte er überraschend,
dass der Kritiker ihm möglicherweise nicht ganz gerecht wird.
Wer jedoch schon an den akustischen Gegebenheiten scheitert, sollte
sicherlich näher beim Orchester stehen. Dies wäre eine
Aufgabe des Dirigenten gewesen. Über schöne Höhen
in leisen lyrischen Stellen verfügte Herr Schmunck durchaus.
Aufgrund der mangelnden stimmlichen Präsenz, die das Publikum
wie beim Dirigenten zu Widerspruch herausforderte, war aber dem
Stück der männliche Katalysator von Liebe und Eifersucht
der Boden entzogen, Roberto war praktisch nicht existent , so dass
sich „Maria Stuarda“ wie schon zu Uraufführungszeiten
(1835 in Mailand) auf den Kampf der weiblichen Hauptdarstellerinnen
konzentrierte. Anna Caterina Antonacci als Elisabetta und Mariella
Devia als Maria konnten vor allem stimmlich wie darstellerisch
als Gegenspielerinnen in Gefühl und Politik überzeugen.
Hier gab es trotz der beschriebenen Umstände wunderschöne
Momente. Zu nennen sind hier das Zusammentreffen der beiden Königinnen
in Fotheringhay, die Demütigung Marias durch Elisabeth und
die dann folgende Beleidigung Elisabeths durch Maria. Davon hätte
man sich wirklich mehr gewünscht. Positiv aufhorchen ließ noch
der Bariton des Carlo Cigni, der den Vertrauten Marias Conte di
Shrewsbruy sang, während man sich über die mangelnde
Präsenz des Cecil, interpretiert von Pieri Terranova, ärgerte.
Das Gesamturteil: eine spannungsarme Aufführung mit wenigen
stimmlichen Glanzpunkten hinterließ gemischte Gefühle.
Joachim Gerth
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