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Einklang von Tanz und Musik
„Für Uwe Scholz 2008“ in Leipzig · Von Vesna Mlakar
Noch strömt das Publikum ins Theater, wenn Choreografien
des „ausdrucksstarken Neoklassikers mit der wunderbaren Gabe,
Musik sichtbar zu machen“ auf dem Programm stehen. Denn was
Uwe Scholz auszeichnete, war seine große Liebe zur Musik:
Sie ist Fundament und Leitfaden seiner zahlreichen Ballette, die
er rund um den Erdball und – quasi als prägender kreativer
Motor – während seiner 13-jährigen Direktionszeit
von 1991 bis zu seinem frühen Tod am 21. November 2004 an
der Spitze „seines“ Leipziger Balletts erarbeitete.
Dabei verstand er es, hochkomplexe Orchester-Partituren in fließend
getanzte Bilder umzusetzen. Ein ewig-lebendiges „Scholz-Museum“ soll
jedoch nicht Ziel des Leipziger Balletts sein! Christine Villinger,
Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Haus, ist überzeugt: „Auch
wir hier müssen mit der Zeit gehen, den jungen Tänzern
Neues bieten und können die rasante Entwicklung im choreografischen
Bereich nicht einfach negieren.“ Dem fünften Jahrestag
von Uwe Scholz’ Tod 2009 sieht sie deshalb ganz locker entgegen.
Eine größere Gala ist bisher nämlich nicht geplant…
Als im August 2005 Paul Chalmer die Scholz-Nachfolge antrat, entschied
er allerdings, neben großen Klassikereinstudierungen und
Neuaufträgen für das Ensemble auch das künstlerische
Erbe seines international geschätzten Vorgängers auf
der Bühne präsent zu halten. Ausgehend von einer ersten
Gala mit dem Titel „Für Uwe Scholz“ im Juni 2005
verankerte er ab dem folgenden Jahr jeweils einen Premieren-abend
mit Scholz-Werken fest im Repertoire. Die so entstandene Tradition
ermöglicht es den Tänzern, aufs Engste mit dem Oeuvre
des verstorbenen Meisters verbunden zu bleiben. Am 13. Januar konnte
Chalmer mit „Für Uwe Scholz 2008“ in der Oper
Leipzig nun bereits die vierte – und vielleicht konzentrierteste – Ausgabe
eines Ballettabends zu Ehren des Choreografen präsentieren.
Der Fokus war dabei ganz auf den russischen Komponisten Sergej
Rachmaninow gerichtet. Die Wiedereinstudierung zeigte, mit welcher
Sensibilität Scholz zum einen Rachmaninows virtuose Tonschöpfungen
zu analysieren und zum andern darin aufgespürte Spielideen
und Bildlandschaften in die Sprache des Balletts und der getanzten
Geometrie zu übersetzen wusste. Sein Ansatz war dabei sowohl
in der Suite für zwei Klaviere Nr. 2 op. 17 als auch beim
Klavierkonzert Nr. 3 d-moll op. 30 gleich: Schnelligkeit, Leichtigkeit
und Präzision, gekoppelt mit ein wenig Witz (z. B. zwei Männer
in der Suite, die sich solistisch beweisen, dabei aber dem Kollegen
beflissen-höflich den Vortritt lassen wollen) sowie ungewöhnliche
Figuren und viel formvollendete Elegie. Hier sei die Erste Solistin
Maiko Oishi hervorgehoben, die – unter anderem fabelhaft
gepartnert von Jean-Sébastien Colau – Scholz’ eleganten,
bisweilen pointierten Stil in jeder Faser ihres biegsamen Körpers
verinnerlicht zu haben scheint. So kraftvoll und scheinbar mühelos,
wie sie ihren grazilen Körper im Griff hat, ist sie der Eyecatcher,
der Anfang und Ende dieses sehenswerten Ballettabends mit verhaltener
Munterkeit und Bewegungstemperament verknüpft.
Beide Werke leben von Emotionen, die sich aus der Situation ergeben
und in wirbelnder Technik zwischen Soli, Duetten und fulminanten
Trios aufgehen, von Stimmungen, die ihren Nährboden in immer
wieder neuen Gruppenformationen, musikgestützten Reprisen,
dezenten Lichtwechseln und wohlgesetzten Akzenten finden. Und davon,
dass bei aller brodelnden Dynamik sowohl der Solisten wie des ganzen
Corps sich Wogen der Unruhe im choreografisch wohldurchdachten
Spannungsbogen zu einer Harmonie fügen, die das Fehlen jeglicher
Gefühlskonflikte oder narrativer Elemente vergessen lässt.
Gerade hierfür aber steht das Pas de deux „Sonate“ zum
dritten Satz aus Rachmaninows Sonate für Violoncello und Klavier
c-moll op. 19. Zelebriert wird der Weg eines Paares, das in der
Bühnenmitte aus dem vorgegeben Lichtflur ausbricht und sich
erregter Momente besinnt. Die Frau zuckt kraftvoll mit den Ellbogen
und fällt ihrem Partner, den Handrücken gedankenversonnen
zur Stirn führend, mit einer sentimentalen Weichheit im Rücken
in die Arme, wie man sie sonst den ganzen Abend über nicht
zu sehen bekommt. Befindlichkeiten der Seele und des Herzens geben
hier den Ton an, ohne dass sie in allzu komplizierten Hebungen
verloren zu gehen drohen.
Vom Orchestergraben aus begleitete das Gewandhausorchester (Leitung:
Ivan Anguélov) gemeinsam mit den Solisten Wolfgang Manz
und Julia Goldstein-Manz am Klavier sowie Veronika Wilhelm am Violoncello
die Tänzer nach bester Leipziger Manier – also fast
schon vorbildhaft. Es vereinigten sich konzertgleicher Hörgenuss
mit Scholz’ impulsiv-originellen Bewegungsfindungen zu einem
nachhaltigen Gesamteindruck. Trotz eines eher geringen Abwechslungsreichtums
reagierte das Publikum beglückt. Und nicht zu vergessen: Der
Abend stellte eine schöne Herausforderung für die erst
nach Scholz’ Ableben engagierten jüngeren Compagniemitglieder
dar.
Vesna Mlakar
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