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Kulturpolitik

Ärzte und Pädagogen aller Länder...

Leipziger Symposium zur Kinder- und Jugendstimme · Von Barbara Lieberwirth

Welch komplexes System die Formierung eines Tons auf dem Weg vom Hören zum Singen ist, weiß wohl kaum jemand, dessen Berufung der Gesang ist. Im Februar wollten beinahe 480 Neugierige in Leipzig erfahren, was sich zwischen Ohr, Gehirn und Stimmlippen abspielt. Aus diesem Grund besuchten sie das mittlerweile 6. Symposium zur Kinder- und Jugendstimme, das in diesem Jahr unter dem Motto „Hören – Wahrnehmen – (Aus)Üben“ stand. Ein Drittel der Teilnehmer war der medizinischen Zunft – Logopäden, Musiktherapeuten und Ärzte – zuzurechnen, zwei Drittel kamen hingegen aus den Reihen der Gesangs-pädagogen, Chorleiter und Sänger.

Organisatorische Meisterleistung

 
Malte Heygster beim Workshop „Erleben - Handeln - Verstehen“. Foto: Universität Leipzig
 

Malte Heygster beim Workshop „Erleben - Handeln - Verstehen“. Foto: Universität Leipzig

 

Diese interdisziplinäre Ausrichtung ist wie jedes Jahr das Markenzeichen des Symposiums. Unterstützt vom Arbeitskreis Musik in der Jugend (AMJ), der Leipziger Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy und dem Bundesverband Deutscher Gesangspädagogen vollbrachte die Abteilung für Stimm-, Sprach- und Hörstörungen an der Universität Leipzig und deren Chef Michael Fuchs eine logistische und organisatorische Meisterleistung. Elf Fachvorträge und fünf Workshops mussten so aufeinander abgestimmt sein, dass jeder Teilnehmer an allen Veranstaltungen teilhaben konnte und zusätzlich noch Zeit fand, mit Fachkollegen zu kommunizieren. Vermittelten die Vorträge einerseits neueste wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Gebiet des Hörens und der akustischen Wahrnehmung, so konnten andererseits diese Erkenntnisse in den Workshops zur Anwendung kommen.

Hörstörungen früh abwenden

Hören ist die Voraussetzung für die Stimmfunktion, erklärt Michael Fuchs. Doch vom Hören bis zur Bildung eines Tons ist es ein weiter Weg. Die komplexen Vorgänge, die im Gehirn stattfinden, wie das Gehirn es vermag, einen Geräusch-Mix aus verschiedenen simultan gehörten Schallquellen auseinander zu halten und verschiedene akustische Objekte zu bilden, erläutert der Leipziger Universitätsprofessor Rudolf Rübsamen. Aber auch dem Phänomen Hörstörung wird ein breiter Platz im Symposium eingeräumt. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sprach- und Stimmheilkunde, Rainer Schönweiler, referiert über Ursachen, Folgen und Früherkennung von Schwerhörigkeit bei Kindern. So erfährt man, dass jedes tausendste Neugeborene hörgeschädigt zur Welt kommt. Diesen Kindern kann geholfen werden, wenn eine frühzeitige Erkennung gewährleistet ist. Folgerichtig aufbauend auf die Problematik der Hörstörung kam Hans Volker Bolay, Professor für Klinische Musiktherapie an der Fachhochschule Heidelberg, zu Wort. Er weiß, dass sich durch das Hören und Ausüben von Musik neuronale Netzwerke ausbilden, dass diese regelrecht trainiert werden können und dass sich in der Musiktherapie ein Vorher-Nachher-Effekt mit Hilfe von bildgebenden Verfahren nachweisen lässt.
In die musikalische Praxis leitet Lutz Jäncke, Neuropsychologe an der Universität Zürich, über. Er forscht seit den neunziger Jahren an den Gehirnen von Spitzenmusikern und weiß, in welcher Weise Training (Üben) die Gedächtnisleistung erhöht. Nicht nur Begabung, sondern auch regelmäßiges langandauerndes Üben ist dabei außerordentlich wichtig.

Stichwort Kommunikation

Ein weiteres wichtiges Thema war der interaktive Vortrag von Claus Harten, Kommunikationstrainer aus Weikersheim. Dass im zwischenmenschlichen Bereich oft der Ton die Musik macht, ist jedem bekannt. Aber wie kann man herausfordernde Gesprächssituationen meistern? Harten stellt die Frage: Wie schaffe ich es zu sagen, was ich meine, so dass der andere hörend mich versteht, auf dass wir gemeinsam handeln? Dann spricht er von Metakommunikation und vom Kommunikationsquadrat (Selbstaussage, Beziehung, Sachinhalt und Appell), auf dessen vier Ebenen man sich gleichermaßen bewegen sollte, damit ein Gespräch nicht unkontrollierbar wird.

Theorie und Praxis

Genug der Theorie! In den fünf Workshops des Symposiums sollte nun einiges von der Theorie praktisch angewendet werden. Es ging um Stimmklanglauschen und Hörtraining, durchgeführt von Wolfram Seidner, Facharzt an der Berliner HNO-Klinik Charité. Um Mitsingen, Mitmachen und Mitdenken: Die Musikpädagogen Malte Heygster und Uli Führe zeigten ihren Kursteilnehmern, wie „körperlich“ Musik sein kann. Dass Singen und Bewegen Bauelemente der Musik sind, oder welche Erkenntnis das simple aber punktgenaue Fallen eines Steines bringen kann. Selbst der menschliche Körper wurde hier zum Instrument.

Partiturstudium und Werkkenntnis war hingegen zur Vorbereitung auf den Workshop mit dem Chorleiter Helmut Steger und der Sängerin Olga Kroupová nötig. Anhand ausgewählter Literatur rückten sie der Musik „näher auf den Leib“, um besser und intensiver zu vermitteln, welche Intention der Komponist seiner Musik mitgegeben hat, welche Ansprüche sie deshalb stellt, was sie fordert. Diese Erkenntnis ist die Brücke zum Einstudieren, Üben und Darstellen.

Nach dem Symposium ist vor dem Symposium. Das siebente ist bereits in Vorbereitung. Die Workshops und Vorträge stehen vom 20. bis 22. Februar 2009 wiederum in Leipzig unter dem Motto „Wechselwirkungen zwischen Erwachsenen- und Kinderstimme“.

Barbara Lieberwirth

 

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