In Chemnitz wählte der neue Generalintendant Bernhard Helmich für die erste Opernpremiere seiner Amtszeit Sergej Prokofieffs 1921 in Chicago uraufgeführte, hintergründige Märchenkomödie „Die Liebe zu den drei Orangen“ aus. Für sie holte er als Gastregisseur Dietrich Hilsdorf, der Anfang des Jahres in Leipzig Mozarts „Entführung aus dem Serail“ buchstäblich vergewaltigt hatte. Er verlegt die Handlung an den Ort und die Zeit der Uraufführung mit entsprechender Einkleidung der Akteure. Aus dem ziemlich hilflosen Märchenkönig Treff wird ein Gangsterboss, den Roland Schubert gespreizt in einer Spielbank vorführt. Mittels Drehbühne rückt Dieter Richter deren verschiedenartige Räumlichkeiten nach Bedarf ins Blickfeld. Für die gewitzten Szenen in der Wüste ist da natürlich kein Platz. Und die beiden Zauberer sowie die Hexe Fata Morgana passen auch nicht recht in das Gangstermilieu. Truffaldino wird in einen Kellner verwandelt, Smeraldine in eine Tellerwäscherin. Tiefere Einsichten in das Stück gibt es damit schwerlich. Doch das Werk besitzt unverminderten und unverwüstlichen musikalischen Witz. Das kosten die Akteure in Spiel und Gesang weitgehend aus: Um den König Roland Schuberts agieren Edward Randall als Prinz, Tiina Penttinen als Clarica, Frank Schiller als Pantalone, Matthias Winter als Premierminister Leander, Kouta Räsänen als Tschelio, Nancy Gibson als Fata Morgana, Thomas Mäthger als Farfarello und Köchin, André Riemer als Truffaldino, Elisabeth Kraus als Smeraldine, weitere Mitglieder des spielfreudigen Ensembles und die im Zuschauerraum verteilten Chorgruppen. Dirigent Frank Beermann spielt mit der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz überlegen auf. In den Theatern in Plauen und Zwickau ist die 1899 in Schwerin uraufgeführte Oper „Der Pfeifertag“ von Max von Schillings zu erleben. Um den einst neben Richard Strauss, Hans Pfitzner und Franz Schreker in einem Atemzug genannten Komponisten ist es still geworden. Intendant und Regisseur Ingolf Huhn baute auf das bunte Bühnengeschehen dieses Gegenstücks zu Richard Wagners „Meistersingern“ mit seiner vitalen, melodisch reizvollen, farbig instrumentierten Musik. Die szenischen Möglichkeiten nutzt Ingolf Huhn mit seinem Team im Unterschied zu seinen bisherigen Inszenierungen nur bedingt aus. Dem Einheitsbühnenbild fehlt es an Farbe, und von den Kostümen (Ausstattung Marie-Luise Strandt) könnte man annehmen, jeder Darsteller habe sich das ihm gerade Passende aus dem Fundus geholt. Die Solisten stehen oder liegen, wenn sie nicht am Geschehen beteiligt sind, im Dunkel. Wenn bei den beträchtlichen Anforderungen der Partitur in der hier besprochenen zweiten Aufführung die Solisten, der Chor und das Orchester unter Leitung Georg Christoph Sandmanns noch nicht ihre ausgewiesene Gestaltungsfähigkeit ausschöpften, lassen weitere Vorstellungen Steigerungen zu. Das Mittelsächsische Theater Freiberg/Döbeln tritt mit dem 1920 in München unter Bruno Walter uraufgeführten lyrisch-phantastischen Spiel „Die Vögel“ von Walter Braunfels hervor. Wer das von den Nationalsozialisten verbotene Werk unvoreingenommen erlebt, fragt sich unweigerlich, warum es nicht längst wieder in den Opernspielplänen Platz erhalten hat. Schon der Ouvertürenbeginn lässt mit geschmeidigen Streichklängen und ebenso eigengeprägten Holzbläserkombinationen aufhorchen. Dann zieht die Nachtigall mit einem beseelten Gesang in den Bann. Der 1882 in Frankfurt geborene, 1954 in Köln gestorbene Komponist Braunfels prägte beeindruckende melodische Entwicklungen, eine eigenständige, tonal erweiterte Harmonik aus und kleidete alles in ein individuelles klangliches Gewand. Die originelle, anrührende und bewegende Musik verbindet sich mit dem bei aller Phantastik durchaus gegenwärtigen Bühnengeschehen. Der praktisch denkende Ratefreund und der idealisch schwärmende Hoffegut suchen die Vogelwelt auf und gewinnen deren zunächst skeptischen Bewohner für den Bau einer festungsartigen Stadt. Bald überhebt sich Ratefreund, lässt sich an Stelle Wiedehopfs zum König ausrufen und treibt die Stadt in Krieg und Untergang. Der Chefdirigent Jan Michael Horstmann und der Regie führende neue Intendant Manuel Schöbel mobilisierten alle Gestaltungskraft und Spielfreude der Solisten, des Chores, des Extrachores, der Mittelsächsischen Philharmonie für eine in sich geschlossene, spannungsvolle Inszenierung. Vor allem Susanne Engelhardt als Zaunschlüpfer, Esther Hilsberg als Nachtigall, aber auch Guido Kunze als Wiedehopf, Angelo Raciti als Hoffegut, Joachim Goltz als Ratefreund beeindrucken in den großen Rollen. Anerkennung verdient zudem, welchen Klang- und Farbenreichtum Jan Michael Horstmann mit der kleinen Mittelsächsischen Philharmonie erreicht. Werner Wolf |
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