Brenn-Punkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Aachen
Der Generalintendant des Theaters Aachen, Paul Esterhazy, wird
seinen im Sommer 2005 auslaufenden Vertrag nicht verlängern.
Die entsprechende Pressemitteilung der Stadt löste Überraschung
aus, schien doch die aufgrund der Etatkürzungsbeschlüsse
entstandene Vertrauenskrise Ende vergangenen Jahres überwunden.
Esterhazy, der dem Aachener Theater zu künstlerischer Anerkennung
und wirtschaftlichem Aufschwung verholfen hatte, sieht jedoch seiner
weiteren Tätigkeit in Aachen die Grundlage entzogen, nachdem
über die Details seiner vorgesehenen Vertragsverlängerung
gezielte Indiskretionen an die Öffentlichkeit gedrungen waren.
Chemnitz
Ein Antrag der CDU-Fraktion im Chemnitzer Stadtrat, den Generalintendanten
der Städtischen Theater Chemnitz, Rolf Stiska, zu entlassen,
fand nicht die erforderliche Mehrheit. Stiska wird die Verantwortung
für die beim Umbau des Chemnitzer Schauspielhauses entstandenen
Mehrkosten von 913.000 Euro angelastet. Stiska verweist zu seiner
Verteidigung auf die auch der – kritisierten – Renovierung
zu verdankenden Besucherzuwächse und darauf, dass ihn das Städtische
Hochbauamt im Stich gelassen habe. Das Ensemble des Theaters und
die neun sächsischen Theaterintendanten stellten sich hinter
Stiska und machten auf seine künstlerischen und kulturpolitischen
Verdienst aufmerksam. Rolf Stiska ist zugleich Vorsitzender der
Landesgruppe Sachsen im Deutschen Bühnenverein.
Cottbus
Die Regierung des Landes Brandenburg hat beschlossen, das Staatstheater
Cottbus in eine neu zu errichtende „Brandenburgische Kulturstiftung
Cottbus“ einzubringen. Der Entwurf eines Stiftungsgesetzes
liegt vor.
Dresden
Spaltenlang hatte „Oper & Tanz“ (Ausgabe
6/03, S. 6) über die auf einer Expertise der Beratungsfirma
Dümcke/Culture Concepts beruhenden Pläne „zur Zukunft
der Opern- und Theaterbetriebe in der Landeshauptstadt Dresden“
berichtet. Basierend auf bis 2010 garantierten Betriebszuschüssen
in der Höhe des Jahres 2003 sollten unter dem Arbeitstitel
„Städtische Bühnen Dresden“ das Staatsschauspiel,
die Staatsoperette und das Theater Junge Generation zusammengeführt
werden.
Kaum veröffentlicht, waren alle Pläne und Berichte schon
wieder überholt. Die Landeshauptstadt Dresden erörterte
ein neues, 67 Millionen Euro Einsparungen umfassendes Rotstiftkonzept,
das den Fusionsplänen die Geschäftsgrundlage entzog: Der
Betriebszuschuss für die Staatsoperette soll um 1,5 Millionen
Euro, der Zuschuss für das Theater Junge Generation um 1,2
Millionen Euro gekürzt werden. So ganz nebenbei sollen auch
die Dresdner Musikfestspiele, mit rund 150.000 Besuchern das größte
Klassik-Festival Deutschlands, im Jahr 2006 zum letzten Mal stattfinden.
Sachsens Kunstminister Matthias Rößler reagierte, bevor
Oberbürgermeister Ingolf Roßbergs Rotstiftkonzept den
Stadtrat überhaupt erreicht hatte: Ende der Fusionspläne,
jetzt nur noch Kooperation! Schuld trägt die Landeshauptstadt,
sagt der Freistaat, weil sie ihre Finanzierungszusagen nicht einhalten
will. Schuld trägt der Freistaat, sagt Dresden, weil er vorzeitig
und unbegründet das Kind mit dem Bad ausschüttete. Und
sie verweist darauf, dass sie 2004 erstmals keinen ausgeglichenen
Haushalt vorlegen könne, so dass ihr die Zwangsverwaltung drohe.
„Narren regieren“, sagt die Presse und fügt hinzu:
„Dresden streicht seinen Ruf!“ Tausende demonstrieren
am 3. März auf dem Theaterplatz. Auch wenn es keine Montags-,
sondern eine Mittwochsdemonstration ist, hört man die Rufe:
„Wir sind das Volk.“
Theater Junge Generation, Staatsoperette Dresden und Dresdner
Philharmonie haben zu einer Unterschriftenaktion aufgerufen, deren
Formulare im Internet unter der Adresse www.dresden-waehlt-kultur.de
abrufbar sind.
Freiburg/Heidelberg
Die städtischen Theater Freiburg und Heidelberg haben eine
gemeinsame Tanztheater-Compagnie gegründet. Die neue Tanzgruppe,
die 16 Mitglieder und 2 Choreografen umfasst, wird je zur Hälfte
von Freiburg und Heidelberg finanziert. Die beiden Städte versprechen
sich Einsparungen von je 40 Prozent ihrer bisherigen Ballett-Haushalte,
insgesamt rund 500.000 Euro. Zu Beginn der Spielzeit 2004/05 soll
der Betrieb aufgenommen werden.
Hessen
Die drei Hessischen Staatstheater in Darmstadt, Kassel und Wiesbaden
sollen die für den Haushalt des Ministeriums für Wissenschaft
und Kunst beschlossenen Etat-Kürzungen anteilig durch haustarifvertragliche
Regelungen nachvollziehen, um Personalabbau zu vermeiden.
Hof
Das Städtebundtheater Hof und die Hofer Symphoniker sind
existenzbedrohend in die roten Zahlen geraten; ein Defizit von rund
1,2 Millionen Euro haben sie angehäuft, das die Stadt Hof,
deren Gewerbesteuer-Einnahmen binnen zwei Jahren von 15 auf 6,1
Millionen Euro geschrumpft sind, abzudecken nicht mehr in der Lage
ist. Bayerns Kunstminister Thomas Goppel sagte eine Anhebung des
staatlichen Betriebszuschusses ab 2005 um jährlich 250.000
Euro zu, regte aber zur Sanierung des Theaterhaushalts einen regionalen
„Kulturpakt“ der umliegenden Gemeinden und der Wirtschaft
an.
München
Die Bayerischen Staatstheater müssen eine Kürzung ihrer
Betriebszuschüsse um 4,8 Millionen Euro verkraften, von denen
3,2 Millionen auf die Staatsoper entfallen. Staatsintendant Sir
Peter Jonas‘ protestierender Hinweis, Minderausgaben in dieser
Höhe seien aus juristischen und ökonomischen Gründen
so kurzfristig gar nicht zu realisieren, bewirkte den Kompromiss,
„Ministerium und Staatstheater seien einvernehmlich bemüht,
für die Jahre ab 2005 einen Stufenplan zu entwickeln, der den
Bedürfnissen einer langfristig planenden Einrichtung Rechnung
trägt.“ Für 2004 verpflichtete sich die Staatsoper
zu Minderausgaben von 1,5 Millionen Euro.
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