|
Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann wäre
es die Verankerung von Kultur als Pflichtaufgabe auf allen staatlichen
Ebenen. Ich weiß, dass das noch keinen Euro mehr bringt. Aber
nur wenn die Kultur und die für sie Verantwortlichen auf einer
Stufe mit anderen wichtigen Aufgaben stehen, rücken sie dahin,
wo sie hingehören, in die erste Reihe.
Auch die gerechtere Verteilung der finanziellen Lasten zwischen
Bund, Ländern und Gemeinden gehört zu meinen dringenden
Wünschen. Verschiebebahnhöfe, auf denen Bund und Länder
Lasten auf Städte und Gemeinden zurollen lassen, gehören
stillgelegt. Da ist einiges auf dem Weg, aber von einer ausreichenden
finanziellen Ausstattung der Städte und Gemeinden kann noch
nicht die Rede sein.“
Bundespräsident Johannes Rau ist für den öffentlichen
Vortrag dieser zwei seiner Wünsche auf dem Kongress „Bündnis
für Theater“ (vgl. O&T Ausg. 1/03), der im November
2003 in Berlin veranstaltet wurde, zu preisen. Wenn mit der Autorität
des Staatsoberhauptes darauf aufmerksam gemacht wird, dass die Kulturstaatsverpflichtung
verfassungsrechtlich in einer Grauzone liegt, dass die wichtigsten
Träger der Kultur- und Bildungspolitik, die Städte finanziell
unzureichend ausgestattet sind, hat das zum einen weit mehr als
nur deklaratorische Bedeutung, zeigt das zum anderen, wie ernst
die Lage geworden ist.
Selbst die reichen Bundesländer sehen sich angesichts stagnierender
Wirtschaft, fehlender Steuereinnahmen und um nicht tiefer in die
Schuldenfalle zu geraten genötigt, nicht nur ihre Kulturhaushalte
zu kürzen. Und die seit Jahren geradezu beschworene Gemeindefinanzreform,
auch eine Missgeburt des vorweih-nächtlichen Vermittlungsausschusses
im Dezember 2003, verdient ihren Namen nicht: Bund und Städte
streiten erbittert darüber, ob die Mehreinnahmen aus der Gewerbesteuer
nicht von den Mehrausgaben aus der Sozialreform (Hartz 4) Anfang
2005 wieder aufgezehrt werden. Der Bund hält das Zahlenmaterial
immerhin „für nicht streitfrei“: Er rechnet mit
einer Entlastung der Kommunen um 2,5 Milliarden, die aber fürchten
eine Mehrbelastung von 3,5 Milliarden Euro. Wer hat da wohl wie
im Vermittlungsausschuss gerechnet?
Die Kommunen ziehen erste Konsequenzen: Demonstrativ besetzen
der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund
ihre Dezernate für Kultur und Bildung nicht wieder. Für
etwas, das nicht mehr stattfindet, braucht’s auch keine Dezernenten.
Wie wichtig der Appell des Bundespräsidenten ist, Kultur als
staatliche Pflichtaufgabe zu verankern, und wie dagegen die real
existierende deutsche Kulturpolitik aussieht, erweist sich am Beschluss
des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 10. März
2003, die ohnehin in den 90er-Jahren schon kräftig zusammengestrichenen
Mittel für auswärtige Kulturarbeit (Goethe-Institute,
Akademischer Austauschdienst zum Beispiel) um weitere mehr als zwanzig
Prozent abzubauen. Auslöser dafür ist das „Rasenmäher“-Papier
der Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück
(SPD) vom September 2003, in dem pauschale Kürzungen von Steuervergünstigungen
und Finanzhilfen (Subventionen) vorgeschlagen wurden. In ihm gehört
Auswärtige Kulturpolitik in die gleiche Kategorie wie landwirtschaftlich
genutzter Dieseltreibstoff, Steinkohlenabbau oder Eigenheimzulage.
Der eigentliche Skandal ist die Geistlosigkeit aufzeigende Verwirrung
der Begriffe: Exportförderung ist notwendige Unterstützung,
doch wer das wenige, was in Deutschland schön und geistvoll
ist, im Ausland vorstellt, dem wird die Unterstützung entzogen,
weil es sich hierbei um eine „Vergünstigung“ oder
„Subvention“ handelt.
Kultur ist nicht die Sahne auf dem Kuchen,“ illustrierte
Bundespräsident Johannes Rau, „sondern die Hefe im Teig.
Wer das nicht versteht, der bekommt am Ende die falschen Backwaren.“
Fragt sich nur, wer sich an ihnen die Zähne ausbeißt.
Ihr
Stefan Meuschel
|