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Buch aktuell

Musik-Collagen von Pina Bausch

Eine Werk-Monografie · Von Malwe Gradinger

Norbert Servos/Gert Weigelt: „Pina Bausch – Tanztheater“, K. Kieser-Verlag, München 2003, 256 Seiten, 48 Seiten Fototeil, 20 Euro

Ihr „Frühlingsopfer“ brachte Pina Bausch 1975 die erste breite Bewunderung und ist längst zum Klassiker geworden. Sogar das Ballett der Pariser Oper tanzt es seit 1999. Es ist noch gehalten in einem Stil, in dem deutscher Ausdruckstanz und US-Modern-Dance dynamisch verschmelzen. Und: es ist das letzte durchchoreografierte Stück. Somit markiert „Frühlingsopfer“ zugleich Zäsur und revolutionäre Wende zu Bauschs Tanztheater: zu dieser völlig neuen Form aus montierten schauspielnahen Szenen. Tanz als ästhetische Kunst wird so in Frage gestellt – scheint nur noch fragmentarisch auf: als geschrittener Reigen und gestisches Zeichen. Folgerichtig beginnt Norbert Servos genau mit diesem „Sacre“ seine Bausch-Werk-Monographie „Pina Pausch – Tanztheater“ zum 30. Jubliäum ihres Wuppertaler Ensembles. 32 Arbeiten beschreibt er unter dem jeweiligen Stück-Titel.

 
 

Szenenfoto aus „O Dido“ von Pina Bausch (Fototeil). Foto: Gert Weigelt

 

Es sind jeweils nur fünf bis sechs Seiten. Aber die komplex und dicht, alles Wesentliche enthaltend: das stets direkt in Spiel und Bewegung hineinwirkende fragil paradiesische Bühnenbild, mal Nelkenfeld, mal Rosenhügel oder projizierte Wälder und Unterwasserwelten, Bauschs immer auch mitdeutende Musik-Collage aus Opern-Arien, romantischen Liedern, Jazz, Pop, Volksmusik und Schlagerschnulzen und die körperlichen Aktionen der Tänzer-Darsteller – von den leisen poetischen Szenen bis zu den hysterisch-lauten Geschlechter-Kämpfen. Aber auch die darunter liegenden Motivationen liefert der Autor dem Leser: ein Aufspüren-wollen menschlicher Ängste, das Aufzeigen von Tabus, die Sehnsucht nach und die Unfähigkeit zur Liebe. „Eigentlich sind es immer Mann-und-Frau-Themen und -Beziehungen“, zitiert Servos die Bausch.

Servos ist Journalist, Kritiker, aber auch selbst Tanztheaterchoreograph. Und es ist wohl dieser Umstand, der ihn zu einer vertieften Innenansicht der Bausch-Arbeit befähigt. Profund analysiert er in zwei Einleitungskapiteln ganz präzise alle Stilmittel der Bausch und ihre historische Wirkkraft bis hinein in Theater, Oper und Film. Allerdings ist es offensichtlich auch gerade diese Leidenschaft fürs eigene Metier, die ihn letztlich jede Kritik an der Wuppertaler Tanztheater-Chefin umgehen lässt. Denn wenn auch verständlich, bleibt es dennoch Fakt: auch die große Pina Bausch hat begonnen, sich zu wiederholen. Vor allem ist sie nach der Revolte, mit ihrer intensiven Rückkehr zum Tanz nun selbst gefangen in einer Ästhetik des Schönen und Glamourösen – die sie dem Ballett vor 30 Jahren angekreidet hat. Dennoch ist dieses sprachlich geschliffene Buch das Beste, was bis jetzt über die Grande Dame des Tanztheaters geschrieben wurde. Und exquisit ergänzt durch 48 Szenen-Fotos des Ex-Tänzers und Fotokünstlers Gert Weigelt.

 

 

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