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Für Sänger: Music minus Voice
Intelligentes Gesangstrainingspaket auf CD
Die Idee ist so gut, dass man sich fragt, warum niemand früher
darauf gekommen ist. Nicht gerade wenige angehende und professionelle
Sänger eignen sich neue Partien über das wiederholte Anhören
einer Aufnahme an und nehmen dabei gravierende Risiken in Kauf,
denn unvermeidlich „lernen” sie mit dem Notentext zugleich
die fixierte Interpretation der Aufnahme und den Stimmklang der
jeweiligen Sänger mit.
Natürlich sind auch längst Aufnahmen nach dem Music-Minus-One-Prinzip
auf dem Markt, viele Verlage bringen Arien-Sammlungen, Liederbände
und selbst Oratorien-Klavierauszüge für Chorsänger
mit Übe-CDs heraus, doch von unterschiedlicher Qualität.
Die italienische Reihe „Cantolopera“ etwa, auf deren
CDs jeweils eine Auswahl von Arien mit Gesang und Orchester, gefolgt
von der Orchesterbegleitung allein zu hören sind, ist schlicht
indiskutabel. Viele der Stimmen nerven mit einem ausladenden Vibrato,
der Notentext ist nicht immer exakt wiedergegeben. Das Klangbild
ist verrauscht, häufig hallig und von Nebengeräuschen
gestört.
„Coach Me“ verfolgt einen neuen Ansatz und wie die
meisten guten Ideen entstand er direkt aus der Praxis. Die meisten
Korrepetitoren haben schon einmal für ihre Sänger „mal
eben“ die Gesangslinie einer schwierigen Arie auf Kassette
aufgezeichnet. Genau diese Hilfe und einiges mehr zum Erarbeiten
eines Stückes oder einer kompletten Rolle erhalten Sänger
mit „Coach Me“ in einer ausgearbeiteten Form und dem
Klangbild, wie es ihnen von der Korrepetition her vertraut ist.
Zu jeder CD gehört ein Booklet mit dem vollständigen Text
des Librettos in der Originalsprache sowie mit wörtlichen Übersetzungen
ins Deutsche, Englische, Italienische, Französische und Spanische
und eine Übertragung in die internationale Lautschrift. Die
erste Nummer zu einer Szene enthält jeweils den Originaltext
vorgetragen von einem Muttersprachler. Als zweites ist die Lernfassung
zu hören, gespielt auf dem Klavier und sparsam ergänzt
mit Stichnoten zur rhythmischen und harmonischen Orientierung. Bei
schwierigen Partien, etwa Koloraturen, wird zusätzlich eine
Lernfassung im reduzierten Tempo angeboten. Hat man Text und Melodie
einstudiert, kann man mit der darauf folgenden vollständigen
Begleitung üben.
Der Notentext ist auf den „Coach Me“-Aufnahmen mit
musikalischem Puls und äußerst exakt wiedergegeben; die
Klavierbegleitung bietet eine gute Unterstützung und ist sanglich,
mit Gespür für sängerische Bedürfnisse, eingespielt.
Seine natürlichen Grenzen als Einstudierhilfe findet „Coach
Me“ bei längeren Generalpausen oder rubatoreicher Musik,
hier werden bei der Begleitfassung jeweils die ersten Noten einer
neuen Phrase als Orientierungshilfe mitgespielt. Für die Vorbereitung
dieser Aufnahmen vergleicht die Künstlerische Leiterin des
Projektes, die Amerikanerin Denette Whitter, die jeweils wichtigsten
Einspielungen, um Anschluss an die gängige Aufführungspraxis
bieten zu können. Ohne eine Interpretationsweise festzulegen,
bieten die Aufnahmen so eine gute Arbeitsgrundlage für den
professionelle Gebrauch. Wünschenswert wäre, dass die
jeweils verwendeten Klavierauszüge angegeben werden. Für
Mozart-Opern etwa wird seit Jahren schon vermehrt auf Aufführungsmaterial
der neuen Bärenreiter-Ausgabe zurückgegriffen, die sich
schon allein textlich von den älteren Ausgaben des Peters-Verlages
unterscheidet.
Die Aussprache ist hervorragend und unterscheidet etwa im Italienischen
jederzeit deutlich zwischen langen und kurzen, offenen und geschlossenen
Vokalen. Angesichts der erfreulichen Tatsache, dass vermehrt in
der Originalsprache aufgeführt wird, legt Whitter großen
Wert auf die korrekte Aussprache und die wörtlichen Übersetzungen:
„Ein Sänger muss in jedem Moment wissen, was er singt.
In einem modernen Handwörterbuch finden Sie aber viele Begriffe
eines Da Ponte-Librettos überhaupt nicht, wenn Sie das selbst
übersetzen wollen“. So werden etwa auch die Besonderheiten
des Bühnen-Französisch genau berücksichtigt, das
bis zu den Werken von Ravel auch die Artikulation von im Alltagsfranzösisch
unbetonten Wortbestandteilen verlangt. Whitter, die bislang alle
Aufnahmen der Reihe einspielte, leitete unter anderem die Longwood
Opera in Massachusetts, korrepetierte am Opernstudio in Zürich,
begleitete Meisterkurse von Sängerinnen und Sängern wie
Gwyneth Jones und Carlo Bergonzi und unterrichtet derzeit an den
Hochschulen in Würzburg, Nürnberg und Augsburg –
viel Bühnenerfahrung, die den Aufnahmen zugute kommt.
Inzwischen liegen Mozarts „Zauberflöte“ und „Figaro“,
„Die Fledermaus“, Rossinis „Barbier“ und
Verdis „Rigoletto“ als vollständige Partiensätze
vor; Ariensammlungen verschiedener Komponisten für alle Stimmlagen;
die häufig zu Unterrichtszwecken verwendete „Arie Antiche“
sowie der „Messias“ und Bachs Weihnachtsoratorium. Neben
dem Opernrepertoire wird sich Famiro demnächst den Mozart-Liedern
und den wichtigsten Liedzyklen der Romantik von Schubert und Schumann
zuwenden.
Interessant wird es dann, sollten irgendwann einmal Strauss, Hindemith
und Alban Berg erarbeitet werden. Einen Mozart-Klavierauszug kann
man sich mit einem Klavier-Nebenfach-Abschluss vielleicht noch ansatzweise
erarbeiten, Opern dieser Komponisten sicher nicht.
Fazit: ein sehr gutes Arbeitsinstrument für professionelle
Sänger, Gesangsstudenten und ambitionierte Laien, das sich
sicher durchsetzen wird. Es kann und soll keine Korreptitionsstunden
ersetzen, aber wirkungsvoll dafür sorgen, dass diese effizient
für die musikalische Arbeit genutzt werden können. Vertrieb
über den Musikalienhandel, Informationen unter www.famiro.de.
Johannes Hirschler
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