Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


 

Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
Brenn-Punkte
Zur Situation deutscher Theater
Berlins Ballette ohne Lobby
Die Antwort des kommissarischen Intendanten der Komischen Oper
Aufatmen in den Chefetagen
Der ARD-Wettbewerb in München
Die Kunst des Chorklangs
Chordirigenten-Forum des Bayerischen Rundfunks
Zwischen Kunst und Pädagogik
Symposium zu Perspektiven der Gesangskunst
Inhaltlich neu und zukunftweisend
Die RuhrTriennale in ihrem zweiten Jahr
Verona in Thule (Teil 2)
Nordische Oper und Chortradition

Berichte
Neues Stuttgarter Opernlabor
Forum Neues Musiktheater mit „Im Spiegel wohnen“
Umbruchssignal
Peter Aderholds Oper „Luther“ in Erfurt
Viel Schicksal, Geister ohne Zahl
„Freischütz“ am Staatstheater Darmstadt

Otello auf dem Luxus-Dampfer
Neue Opern-DVD
Für Sänger: Music minus Voice
Intelligentes Gesangstrainingspaket auf CD

VdO-Nachrichten
Nachrichten
Entfernungspauschale beim Bundesverfassungsgericht // Verschiebung des Gehaltszahlungstermins... // ... und entsprechende Verschiebung des Beitragseinzugs // VddB-Geschäftsbericht liegt vor // Wir gratulieren
„Aufgestellt“ für die Spielzeit 2003/04
Die deutschen Operntheater und ihre Chöre

Service
Schlagzeilen
Namen und Fakten
Oper und Tanz im TV
Stellenmarkt
Wettbewerbe 2003
Spielpläne 2003/2004

 

Berichte

Neues Stuttgarter Opernlabor

Forum Neues Musiktheater mit „Im Spiegel wohnen“ · Von Andreas Hauff

Mit Andreas Breitscheids Musiktheater „Im Spiegel wohnen“ nach „Bildbeschreibung“ von Heiner Müller eröffnet die Staatsoper Stuttgart ihr „Forum Neues Musiktheater“. Wer von auswärts zur Vorstellung anreist, findet das Gebäude, einen ehemaligen Pferdestall, etwas verlassen in der hintersten Ecke eines früheren Kasernengeländes über dem westlichen Neckarufer von Bad Cannstatt. Dass man in unmittelbarer Nähe auf dem Gelände des so genannten Römerkastells erst einmal eine große, gut ausgeleuchtete Videothek passieren muss, ist wahrscheinlich Zufall, aber dennoch bezeichnend. Mit dem Forum Neues Musiktheater sucht man ja in Stuttgart gerade nach Formen zeitgemäßen Musiktheaters für das Medienzeitalter. Klaus Zehelein, Stuttgarts Intendant, hat Recht mit seiner Diagnose, dass die herkömmliche Institution Opernhaus durch ihre klare Raumkonzeption, ihren gewaltigen Apparat und ihre starke Tradition Komponisten heute kaum eine Chance lässt, sie von innen heraus zu überwinden. Das Forum Neues Musiktheater soll dem abhelfen. Es soll unter der Leitung des Komponisten und langjährigen künstlerischen Mitarbeiters der Stuttgarter Intendanz Andreas Breitscheid einen kreativen Freiraum bieten, ein Entwicklungslabor heutigen Musiktheaters werden und dabei neue Medien nicht additiv oder dekorativ, sondern konstitutiv einsetzen. Das Projekt wurde gefördert durch die Landesstiftung Baden-Württemberg, die Landesbank Baden-Württemberg, das Programm „Kultur 2000“ der Europäischen Kommission und den Betreiber und Investor des Römerkastells. Es hat eine Bestandsgarantie bis zur Spielzeit 2005/2006 und kooperiert unter anderem mit dem ZKM in Karlsruhe, dem IRCAM in Paris und dem STEIM (Studio for Electro-Instrumente) in Amsterdam; von dort kam eine spezielle Audio-Software, die den Zugriff auf den Klang in Echtzeit ermöglicht.

 
 

Zeitgemäßes Musiktheater. Marc Barbé. Foto: A.T. Schäfer

 

Zum Eröffnungsprojekt kommt der Zuschauer in eine schlichte Halle mit einer mobilen Haupttribüne und zwei kleinen Seitentribünen; diese bilden drei Seiten eines Rechtecks, in dessen vier Ecken vier Instrumentalisten sitzen. Über die Musik ist in der Vorankündigung zu lesen, sie unternehme den Versuch, „den nicht dramatischen Text in einen szenisch-musikalischen Kontext einzubinden.“ Breitscheid untersuche die Möglichkeiten der Raumerkundung und Darstellungsformen mit neuen Medien. „Klänge werden verschoben, manipuliert und transformiert. Sie wandern nicht nur elektro-akustisch durch den Raum, sondern werden im Moment der Klangerzeugung bereits verändert, verschoben und unterdrückt.“ Wirklich eingelöst wird dieses Programm, soweit man hören und sehen kann, allerdings nur zum Teil. Die vier Instrumentalisten bleiben zumeist brav an ihrem Platz, der Klang wandert zwischen ihnen hin und her und sie lassen es dabei nach guter alter Avantgarde-Tradition knattern und kratzen, wimmern und zischen, orgeln und gurgeln. Dazu gibt es Überblendungen, Echo- und Nachhallwirkungen, die vor allem bei der nach einer Weile hinzutretenden Mezzo-Sopranistin Lani Poulson reizvoll wirken, ohne dass man sich über Ausdruck und Bedeutung dieser Klangwirkungen so recht im Klaren wäre.

"Bildbeschreibung“ von Heiner Müller, 1984 entstanden und 1985 beim Steirischen Herbst uraufgeführt, ist ein schwieriger Text. „Eine Landschaft zwischen Steppe und Savanne“, beginnt die Beschreibung eines fiktiven Bildes, die sich assoziativ fortspinnt, dabei verschiedene Szenen, Gegenstände und Menschen ins Spiel bringt und sich zusehends auf eine gewalttätige, tödlich endende Beziehungsgeschichte zwischen einem Mann und einer Frau zuspitzt. Scheinbar harmlos beginnend zeigt „Bildbeschreibung“ immer stärker albtraumhafte Züge und zieht das lyrische Ich immer mehr in die beschriebenen Szenarien hinein. Am Ende steht die Deu tung des Bildes als Spiegel.

Breitscheid entnimmt zwar dieser Schlusspassage den Titel seiner Musiktheater-Produktion; die dorthin führende Dynamik des Textes will er indessen nicht wahrhaben; er kann keine Finallogik erkennen. „Es geht nicht um die Vertonung des Textes“, so formuliert Klaus Zehelein in Juliane Votterles zum Verständnis sehr hilfreichem Programmheft die Intention, „sondern darum, die Möglichkeiten zu erforschen, die es heutzutage gibt, um einen Text mit Musik in einen neuen Zusammenhang zu bringen!“

Heiner Müllers Text aber ist zu stark, um bloß als Spielmaterial für formale Experimente zu dienen. Regisseur Jean Jourdheuil und sein Partner Mark Lammert (Raum- und Filmkonzeption, Kostüme) scheinen dies zu spüren. Sie setzen auf Ausdruck: Verschiedene Darsteller schreiten bedeutungsvoll durch den Raum. Alle führen mit großer Geste die anscheinend existentielle Bedeutung ihrer Aktionen vor Auge, eine altbackene Pathosformel jagt die andere. Dazwischen kommt auch die der Haupttribüne gegenüber liegende Plattform zum Einsatz; wenn sie nicht gerade waagerecht von Darstellern benutzt wird, wird sie des öfteren ganz mechanisch (!) von Hand in die Senkrechte heruntergekurbelt. Die eine Seite zeigt dann dem Publikum mehrmals anscheinend bedeutungsvoll den Spiegel, auf der anderen erscheinen bisweilen Video-Projektionen. Die Bebilderung erscheint keineswegs zwingend, sondern ziemlich willkürlich. Mit wachsender Beklemmung erlebt so der Beobachter, wie Phantasie und Engagement in szenisch-musikalische Langeweile umschlagen. Allzu halbherzig schwanken Breitscheid und sein Team hin und her zwischen Kunst und Handwerk, zwischen Aussage und Spiel, zwischen Opernhaus und Laboratorium. Über den zukünftigen Erfolg der Institution Forum Neues Musiktheater ist damit noch nichts gesagt: Die weiteren Projekte der Spielzeit sind „Infinito Nero“ von Salvatore Sciarrino und „Voyeur“ von Jörg Mainka.

Andreas Hauff


startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner