Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


 

Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
Brenn-Punkte
Zur Situation deutscher Theater
Berlins Ballette ohne Lobby
Die Antwort des kommissarischen Intendanten der Komischen Oper
Aufatmen in den Chefetagen
Der ARD-Wettbewerb in München
Die Kunst des Chorklangs
Chordirigenten-Forum des Bayerischen Rundfunks
Zwischen Kunst und Pädagogik
Symposium zu Perspektiven der Gesangskunst
Inhaltlich neu und zukunftweisend
Die RuhrTriennale in ihrem zweiten Jahr
Verona in Thule (Teil 2)
Nordische Oper und Chortradition

Berichte
Neues Stuttgarter Opernlabor
Forum Neues Musiktheater mit „Im Spiegel wohnen“
Umbruchssignal
Peter Aderholds Oper „Luther“ in Erfurt
Viel Schicksal, Geister ohne Zahl
„Freischütz“ am Staatstheater Darmstadt

Otello auf dem Luxus-Dampfer
Neue Opern-DVD
Für Sänger: Music minus Voice
Intelligentes Gesangstrainingspaket auf CD

VdO-Nachrichten
Nachrichten
Entfernungspauschale beim Bundesverfassungsgericht // Verschiebung des Gehaltszahlungstermins... // ... und entsprechende Verschiebung des Beitragseinzugs // VddB-Geschäftsbericht liegt vor // Wir gratulieren
„Aufgestellt“ für die Spielzeit 2003/04
Die deutschen Operntheater und ihre Chöre

Service
Schlagzeilen
Namen und Fakten
Oper und Tanz im TV
Stellenmarkt
Wettbewerbe 2003
Spielpläne 2003/2004

 

Berichte

Umbruchssignal

Peter Aderholds Oper „Luther“ in Erfurt · Von Frank Kämpfer

Die Kirche von gestern ist nur mehr Ruine, die Orgel ist in Trümmer gelegt. Die Künstler feiern Exzesse, die Nonnen werden zu Huren, die Bauern sind zum Aufstand bereit. Peter Aderholds Oper „Luther“ führt in eine dramatische Umbruchszeit mitteldeutscher Geschichte, ist aber nur zum Teil biographisch gemeint. Das Libretto skizziert vielmehr ein Positionengeflecht. Die Titelfigur (Johannes M. Kösters) erscheint darin als in sich gespalten. Der Reformator hat die Botschaft der Gleichheit aller vor Gott allen kenntlich gemacht. Andererseits plagt ihn Schuld, weil die hungernden Bauern schon auf Erden ein lebbares Leben einfordern. Sein Alter Ego ist Lucas Cranach (Albert Pesendörfer), der als Künstler ein sinnenfrohes Dasein im Diesseits auslebt.

 
 

Kelly God als Katharina von Bora. Fotos: Theater

 

Bemerkenswert im sprachlich biederen Text ist ein Geschlechter-Diskurs. Autor Egon Aderhold entfaltet ihn an der Gestalt der Katharina von Bora (Kelly God), die mit zwei anderen Nonnen dem Kloster entflieht und die bürgerliche Ehe anstrebt. Als Trägerin frühen emanzipatorischen Denkens verweigert sie sich jeder Art Unterwerfung und schlägt der Titelfigur am Ende eine Lebensgemeinschaft vor, die auf einem emanzipierten Beziehungsverständnis beruht. Musikalisch erfährt dieses utopische Moment keine vertiefte Gestaltung. Peter Aderholds Orchesterpart scheint unter Walter E. Gugerbauers beherztem Dirigat reich an theatralischen Gesten. Doch statt Figuren präzise zu zeichnen, werden lediglich Vorgänge illustriert. Obwohl die Partitur auf einer Reihe basiert, bleibt ihr Grundklang meist im Grenzbereich des Tonalen. Musikhistorie – im Stilzitat modern übermalt – hat beim Komponieren reichlich Pate gestanden. Bläserchoräle, die romantische Orgel, Hindemiths Theatermusik und die Instrumental-Prosa Wagners vermischen sich zu einem unpersönlichen Sound.

Peter Aderhold, Jahrgang 1966, hat für seine Erfurter Auftraggeber geschrieben: Für das nunmehr 59-köpfige Opernorchester und für Generalintendant Guy Montavon, der seinen hochmodernen, aber nicht unumstrittenen Theaterneubau mediengerecht zu eröffnen verstand. Der kompositorische Eklektizismus war vielleicht als vermittelnde Geste gedacht – um das städtische Publikum, das Oper bisher als Unterhaltung kennt, nicht zu verschrecken.

Vermutlich aber entscheidet nicht allein die Besucherauslastung, wie sich das aparte 60-Millionen-Objekt in Zukunft rentiert. Die spar- und fusionsgeplagte Konkurrenz befürchtet, der „Theaterersatzbau“ hinter dem Erfurter Dom würde kulturpolitisch favorisiert, um diverse gewachsene Theaterkultur im verschuldeten Freistaat Thüringen elegant zu entsorgen und die Landeshauptstadt zu profilieren. Die Stadttheater in Eisenach, Saalfeld, Rudolstadt oder Nordhausen werden schon im Sommer 2004 neu fusioniert. Im nahen Weimar ließ sich die geplante Schließung des Opernbetriebs gegen den politischen Willen für einige Jahre verhindern. Dass Intendant Montavon in Erfurt sowohl das Ballett als auch das Schauspielensemble auflösen musste und nurmehr ein reduziertes Orchester betreibt, interpretiert man in der Region als klares Signal, dass das Ende des kleinstädtischen Ensembletheaters bevorsteht.

 
 

Außenansicht des neuen Theaterbaus

 

In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation und schwindender öffentlicher Finanzen zählen in Sachen Theater-Erhalt aber nur längerfristige Strategien. Montavons Erfurter Ansatz lässt sich deshalb auch ganz anders verstehen. Ökonomische Beweglichkeit und Konzentration der Mittel sorgen für Spielräume. Zum Beispiel für eine Eröffnungssaison, die verschiedenste Bedürfnisse berücksichtigen muss, um den nötigen Neuanfang im Ensemble, beim Publikum und im Feuilleton anzugehen. Die hier geplante Mischung aus Operette, Belcanto-Oper und Novitäten soll mit Hilfe von Gastspielen und internationaler Koproduktionen realisierbar werden. Im Eröffnungsstück „Luther“ wird Kultur sowohl gerettet als auch zerstört. Gastregisseurin Karoline Gruber gestaltet den Maler Cranach als Immendorf-Persiflage und stellt mangels besserer Ideen so die zu-treffende Frage nach der Notwendigkeit, elitäre Kunst weiter zu subventionieren. Bühnenbildner Hermann Feuchter hingegen verleiht dem Krieg Dominanz und Aktualität. Seine zersplitterte Orgel ist die zentrale Metapher der Produktion. Wenn sich ihre geborstenen Pfeifen als schrottreife Pershings auf Figuren und Darsteller richten und schließlich gar ins Publikum drehen, vermittelt sich die Gefährdung aller Kultur durch verantwortungslose Weltpolitik.

Frank Kämpfer

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner