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Fast wie Wagner
Lustige Nibelungen in Chemnitz und Tannhäuser-Keilerei in
Hof · Von Werner Wolf
Opernparodien sind selten geworden. Dass sie aber noch Vergnügen
bereiten, ist jetzt im Opernhaus Chemnitz und im Theater Hof zu
erleben. Den Stoff der Parodien bilden beide Male Werke Richard
Wagners. Die Verfahrensweise der Verfasser und noch mehr die Umsetzung
durch die Interpreten unterscheiden sich aber weitgehend. Für
ihre burleske Operette „Die lustigen Nibelungen“ übernahmen
der sich Rideamus nennende Librettist Fritz Oliven und der Komponist
Oscar Straus zu den wenigen Gestalten der Wagnerschen „Götterdämmerung“
weitere, hier komisch ausstaffierte aus dem Nibelungenlied, so Gunthers
hageren Papa Dankwart und dicke Mama Ute, die Recken Volker und
Giselher nebst Verwandt- und Dienerschaft. Das ernste Geschehen
der „Götterdämmerung“ kippt immer wieder ins
satirische um. Vom gespannt erwarteten Drachentöter Siegfried
weiß man, dass er sein Vermögen auf der Rheinbank angelegt
hat und man nur auf raffinierte Weise darankommen kann. Oscar Straus
komponierte 1902 pfiffige, an Offenbach orientierte Couplets, verleugnete
in Tanzszenen seinen großen Namensvetter Johann nicht und
wusste virtuos mit Wagnerschen Gesten umzugehen.
Für die aus Chemnitz, aus dem Umland und auch zahlreich von
weiter her kommenden Besucher des Opernhauses bereitet die Aufführung
erhöhtes Vergnügen, weil der „Ring“-Regisseur
Michael Heinicke es sich nicht nehmen ließ, diese Burleske
mit dem hauseigenen Nibelungen-Ensemble verschmitzt und wo sinnvoll
auch zugespitzt zu inszenieren. Als Siegfried darf André
Riemer mit blonder Thomas-Gottschalk-Mähne in knallbuntem Anzug
den Deppen spielen. Wieland Müller reagiert als „grimmer
Hagen“ dessen Mordgelüste humorvoll ab. Der „Götterdämmerungs“-Gunther
Dietrich Greve spielt die Hilflosigkeit König Gunthers gewitzt
aus. Weitere Solisten und die in verschiedenen Gestalten lebendig
agierenden Chorsänger (musikalische Einstudierung Pablo Assante)
lösen ihre Aufgaben souverän. Insgesamt wird pointiert
und kultiviert gesungen. Eckehard Stier musiziert mit der Robert-Schumann-Philharmonie
schwungvoll und kostet auch die motivischen und instrumentatorischen
Reize der Partitur voll aus. Der vergnügliche Abend löst
Beifall aus wie eine Wagner-Oper.
Während die Oper Chemnitz all ihre künstlerischen und
technischen Möglichkeiten nutzt, beschränkt sich das Theater
Hof bei seiner Inszenierung von Johann Nestroys Parodie „Tannhäuser
und die Keilerei auf der Wartburg“ auf eine Einrichtung im
Studiosaal des Hauses auf kleiner Bühne und einer seitlichen
Spielfläche. Der Regisseur Klaus Straube vertraut der witzigen
Handlungsführung und den humorvollen, teils abgewandelten und
auch aktualisierten Versen Nestroys von 1857. Die stützen sich
übrigens auf eine umfangreichere Parodie des Breslauer Arztes
Hermann Wollheim. Nestroy hat diesen Text gestrafft und gewürzt.
Der tüchtige Theaterkapellmeister Carl Binder schuf eine gekonnt
mit Motiven Wagners jonglierende Partitur, die immer wieder ins
Wienerische, auch in parodierte Banalitäten gleitet und zumal
Kennern der Wagnerschen Musik Vergnügen bereiten kann.
Statt der dafür geforderten klassischen Orchesterbesetzung
wartet das Theater Hof mit „Tannhäusers Höllenfahrts
Kapelle“ auf, bestehend aus Flöte, Trompete, Flügelhorn,
Kontrabass, Klavier, Akkordeon. Aus Binders Partitur werden nur
Fragmente geboten. Dafür wird textlich und musikalisch eine
Menge aus heute gängigen Repertoireopern einbezogen. Warum
soll Tannhäuser auf des Landgrafen Purzels Frage „Na,
wo bist du denn gewesen“ heute nicht mit (dem 1857 in Wien
noch unbekannten) Lohengrin singend antworten: „Nie sollst
du mich befragen“ und Purzel erwidern „Nie soll mir
die Frage kommen“. Die Theaterbesucher haben auch großen
Spaß daran, dass auf des Landgrafen Ruf mit dem Jägerchor
aus Webers „Freischütz“ geantwortet wird, Papagenos
Vogelfänger-Lied oder Marthas „Letzte Rose“ angesungen
werden. Der Thüringer Herbert Roth dürfte noch im Grab
schmunzeln, dass der von Purzel verstoßene Gesangverein im
dritten Akt mit dem unverwüstlichen Rennsteig-Lied aufzieht.
Der kleine, 20 Mitglieder umfassende, international besetzte, von
Michel Roberge vorbereitete Chor hat auch sonst noch allerlei zu
tun, als Gesangverein im ersten Aufzug, beim Einzug und bei der
„Keilerei“ auf der Wartburg im zweiten. Das lebt er
spielfreudig und wandlungsfähig, locker singend aus.
Klaus Straube lässt alles, nicht zuletzt den Sängerkrieg,
als deftige Gaudi spielen und die Akteure kosten das weidlich aus:
Karsten Jesgarz als Tannhäuser in Lederhosen, Regula Rosin
als Elisabeth im Dirndlkleid, Peter Stöckigt als Landgraf,
Jürgen Schulz als Wolfram, weitere Solisten und der Chor. Die
Musikanten und zuweilen auch die Sänger nehmen es mit ihren
Aufgaben nicht allzu genau. Aber das gehört mit zum Spaß
dieser Inszenierung, die viel Beifall auslöst.
Werner
Wolf
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