Heldenhaftes Kammerspiel
Cleopatra e Cesare in Wuppertal · Von Guido Fischer
Größer kann der Publikumszuspruch eigentlich nicht auseinander liegen, als er momentan an den Wuppertaler
Bühnen zu erleben ist. Einerseits ist traditionell jede Vorstellung der Pina Bausch-Compagnie schon Monate
vorher ausverkauft. Dagegen könnte der seit Saisonbeginn tätige Generalintendant Gerd Leo Kuck bei
den Opernvorstellungen jeden Zuschauer schon fast persönlich per Handschlag begrüßen. Dabei
gehört der Spielplan zu einem der avanciertesten in der bundesdeutschen Musiktheaterbreite. Kuck präsentiert
sich besonders als neugieriger Verfechter des Abseitigen. Dazu gehört die Ausgrabung der Operetten-Rarität
Der Schokoladesoldat von Oscar Straus ebenso wie Die tödliche Blume des italienischen
Zeitgenossen Salvatore Sciarrino. Und als ob damit die auch interpretatorische Neuprofilierung der Wuppertaler
Oper nicht erst einmal abgeschlossen wäre, lockt zudem eine frühklassische, seit der Pionierleistung
von René Jacobs rehabilitierte Opera seria Musikfreunde ins Bergische.
Neben der prominentesten Vertonung des Antiken-Stoffes durch Händel hatte es Cleopatra e Cesare
von Carl Heinrich Graun immer schwer. 1742 anlässlich der Eröffnung des ersten deutschen Opernhauses,
der Berliner Lindenoper uraufgeführt, steht dieses Dramma per musica geradezu exemplarisch für einen
musikästhetischen Wandel. Um so deutlicher wurde denn auch das kleine Wunder, für das Dirigent Christoph
Spering sorgte. Das Wuppertaler Sinfonieorchester hat er auf ein undogmatisches Originalklangbild geeicht, das
in rhythmischer Leichtigkeit und intimer Abgründigkeit nichts zu wünschen übrig lässt und
dessen funkensprühenden Animationskräfte sich wie selbstverständlich auf das Sänger-Ensemble
übertrugen.
Regisseur Jakobs-Messer hat mit Bühnenbildner Markus Meyer an dem vordergründigen Repräsentationsspektakel
geschickt gekratzt, um hinter die Kulissen mit ihren Falltüren zu gucken. Diese überkünstliche
Guckkasten-Bühne entpuppt sich für die heroischen Gefühle als schmucke Fassade, hinter der in
verwinkelten Ecken und Räumen Verschwörungen und Beziehungen geschmiedet werden.
Die Huldigungsoper an Cesares Alter Ego, an Friedrich den Großen, wird somit wie unter ein Brennglas
gelegt und damit zu einer Leidenschaftstragödie. Dass es dabei am Ende dieser hervorragenden Produktion
zur Versöhnung kommt, könnte gleichsam als symbolträchtige Initialzündung für die noch
wankelmütigen Zuschauer Wuppertals stehen. Und nicht zuletzt für die Stadtoberen, die angesichts der
Kosten kommender Renovierungsarbeiten am Opern- und Schauspielhaus tatsächlich darüber nachdenken,
mal wieder aus zwei Bühnen eine zu machen. Dabei ist doch gerade die letzte Theaterehe, die zwischen Wuppertal
und Gelsenkirchen, erst so gnadenlos gescheitert.
Guido
Fischer
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