Rezensionen
Black Romeo – Osiel Gouneos Weg in der weissen Welt des Balletts – eine Neuerscheinung
Osiel Gouneo und Thilo Komma-Pöllath: „Black Romeo – Mein Weg in der weißen Welt des Balletts“, Verlag C.H. Beck, München 2024, 251 Seiten mit 25 meist farbigen Fotografien, 28 Euro
Der Afrokubaner Osiel Gouneo hat ein kleines Stück Ballettgeschichte geschrieben: In Paris durfte er 2021 als erster schwarzer Tänzer den Romeo in Rudolf Nurejews legendärer Choreographie verkörpern. Dabei musste er nicht nur mit seiner Technik als hervorragender klassischer Tänzer und Bühnenpräsenz überzeugen. Seine dunkle Hautfarbe wurde nebensächlich.Doch er war nicht der erste farbige Romeo. Sein Landsmann und großes Vorbild Carlos Acosta reüssierte beim Londoner Royal Ballet bereits einige Jahre zuvor als schwarzer Romeo und 2008 mit der Biographie: „Kein Weg zurück – Die Geschichte eines kubanischen Tänzers“. Ob das den Mitautor, den Journalisten Thilo Komma-Pöllath und den mittlerweile 34-jährigen Osiel Gouneo inspirierte, nun die eigene und nicht ganz so steinige Geschichte als Person of Color zu erzählen?
Osiel Gouneo und Thilo Komma-Pöllath: „Black Romeo – Mein Weg in der weißen Welt des Balletts“, Verlag C.H. Beck, München 2024
Gouneo wurde 1990 in Matanzas geboren und hatte Zeit seines Lebens immer Menschen um sich, die ihn gefordert und gefördert haben. Seine Mutter erkannte früh seine tänzerische Begabung und meldete ihn mit gerade mal neun Jahren an der Alfonso-Pérez-Isaac-Musikschule für den Ballettzweig an. Gouneo beschreibt, wie fremd er sich gefühlt hat im harten Trainings- und Schulalltag sowie seine geringe Begeisterung für Tanz. Erst als er ein Video mit den Tänzern Yoel Carreño und dem schwarzen Carlos Acosta sah, waren Leidenschaft und Ehrgeiz entfacht.In einem Vorwort schildert Carreño die erste Begegnung mit Gouneo 2004 bei einem Nachwuchswettbewerb. Die Jury war trotz technischer Fehler beeindruckt und gab ihm eine „lobende Erwähnung“ mit auf den Weg.
2005 wurde er schließlich an der National Ballet School Cuba in Havanna aufgenommen. Gleich nach dem Abschluss trat er in das kubanische Nationalballett ein und es kam zur Wiederbegegnung mit Yoel Carreño, der nun sein Mentor wurde. Die künstlerische Leiterin Alicia Alonso war eine wichtige Förderin und ernannte ihn nach drei Jahren zum Ersten Solisten. Seine erste Hauptrolle war Prinz Siegfried in „Schwanensee“. Als nächste Stationen folgten das Norwegische Nationalballett in Oslo und ab der Spielzeit 2016/17 das Bayerische Staatsballett. Es war Igor Zelensky, der ihn nach München holte. Gleich in seiner ersten Spielzeit besetzt er mit Gouneo die Titelrolle des erfolgreichen sowjetischen Balletts „Spartacus“, das die Geschichte des Sklavenführers erzählt. Gouneo überzeugte Publikum wie Kritiker: 2017 wurde er von der Fachjury „Tanz“ zum Tänzer des Jahres gekürt.
Neben all den Erfolgen schreibt Gouneo auch über Gefahren, Verletzlichkeit und falschen Ehrgeiz in seinem Beruf. Eher zu kurz kommt, wie er nach verletzungsbedingten Zwangspausen immer wieder an seine bisherigen Höchstleistungen anknüpfen konnte. Auch insgesamt wird diese frühe Biographie seiner Bedeutung in der Tanzwelt nicht gerecht. Wurde aus PR-Gründen der schwarze Romeo als Titelbild gewählt? Die künstlerisch sehr viel gewichtigeren Rollen sind neben Spartacus vor allem Onegin, Puck und Des Grieux, die er unzutreffend einordnet. An manchen Stellen hat ihn Mitautor Komma-Pöllath einfach schlecht beraten: etwa bei unbedarften Anmerkungen zu Igor Zelensky und dessen Verstrickung mit dem System Putin. Auch die herablassenden Bemerkungen von Zelensky zu dessen Vorgängern werden nicht kritisch hinterfragt. Gerade die Staatsballettdirektion mit Ivan Liška, Bettina Wagner-Bergelt und Wolfgang Oberender stand für ein vielfältiges Programm, in dem sich Klassik gleichberechtigt neben Moderne fand. Ein anderes Beispiel ist der nicht erwiesene Vorwurf des Rassismus bei der Besetzung des Onegin oder Des Grieux: In beiden Rollen konnte er später brillieren.
Vielleicht lag es an der Auswahl seines Co-Autors, einem anwaltschaftlichen Journalisten, der kein ausgewiesener Tanzexperte ist. So fehlen dem Buch nicht nur Fachwissen, sondern Struktur und ein dramaturgisch schlüssiger Faden. Für Ballettinteressierte hilfreich gewesen wären außerdem ein Verzeichnis seiner Auftritte, ein Personenregister und eine Zeittafel.
Beatrix Leser |