Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


Aktuelle Ausgabe

Steuerkultur
Editorial von Tobias Könemann

Kulturpolitik

Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester

Auf ein Wort mit Antje Valentin
Im Gespräch mit Tobias Könemann, Rainer Nonnenmann und Gerrit Wedel

Kafka und die Musik
Überlegungen zu einem „unmusikalischen“ Autor

Portrait

Bedingungslos präzise Menschenbilder
Die Opern von Aribert Reimann (1936–2024)

„Opera Meets New Media“
Die Ausstellung „Puccini, Ricordi und der Aufstieg der modernen Unterhaltungsindustrie“

Berichte

Elektronische Reifezeit ohne physischen Chor
Roman Haubenstock-Ramatis „Amerika“ zum Kafka-Jahr an der Oper Zürich

Eine bipolare Störung?
Arnold Schönbergs „Erwartung“ und Ethel Smyths „Der Wald“ in Wuppertal

Musikdramatisch packender Appell
„LES MISÉRABLES“ IM GÄRTNERPLATZTHEATER MÜNCHEN

Mordsmäßig verknallt
Komödiantische und tragische Elemente in „Romeo und Julia“ der neuen Ulmer Tanztheaterdirektorin Annett Göhre

Eine musikalische Sternstunde
„Tannhäuser“ an der Oper Frankfurt unter neuem GMD Thomas Guggeis

Erotische Energie, psychische Power
Zur Uraufführung von Ehrenfellners „Karl und Anna“ im Kleinen Theater Würzburg

Ein neues Kapitel
Mieczysław Weinbergs „Die Passagierin“ an der Bayerischen Staatsoper

Ein Bärendienst
Albert Lortzings „Hans Sachs“ an der Oper Leipzig

Beethoven-Montage
Uraufführung von Charlotte Seithers „Fidelio schweigt“ in Gelsenkirchen

Krabbeln, kuscheln, schlafen
Musiktheater für Babys in der Hamburger opera stabile

Black Romeo
Osiel Gouneos Weg in der weissen Welt des Balletts – eine Neuerscheinung

Joana Mallwitz
Feuer und Sensibilität: die Dirigentin in einer aktuellen Filmbiografie

VdO-Nachrichten

VdO-Nachrichten
Bundesdelegierten- versammlung in Berlin – Intensive Tarifverhandlungen – VdO ist Mitglied im Dachverband Tanz

Wechsel in der Redaktion Oper & Tanz
Rainer Nonnenmann und Ursula Gaisa lösen Barbara Haack ab

Service

Schlagzeilen

Namen und Fakten

Oper&Tanz im TV

Stellenmarkt

Spielpläne 2023/2024

Berichte

Krabbeln, kuscheln, schlafen

Musiktheater für Babys in der Hamburger opera stabile

„Überkandidelt“ mag man für einen Moment lang denken – so etwas wie Blattgold auf einer Currywurst. Aber im Ernst: Müssen Babys im Alter von sechs Monaten bis zu zwei Jahren wirklich schon in die Oper gehen und sich Musiktheater anhören? Ist das altersmäßig nicht ein wenig zu früh und inhaltlich zu schwierig? Können Babys sich überhaupt ordentlich in diesen Tempeln der darstellenden Musik benehmen? Ist das nicht vielleicht doch ein klein wenig überkandidelt?

Foto: Niklas Marc Heinecke

Keineswegs! Ein Pfarrer wurde einmal gefragt, warum wir unsere Kinder taufen lassen sollen. Die Antwort überzeugt: „Wir machen für unsere Kinder alles, was ihnen guttut: Wir spielen und reden mit ihnen, geben ihnen zu essen und zu trinken und wechseln ihre Windeln. Folgerichtig müssen wir – als gläubige Christen – sie auch taufen.“ Genauso ist das mit allen kulturellen Phänomenen – wir als Erwachsene gehen ins Konzert, in die Oper und in Museen. Das tun wir, weil es uns ganz tief in uns drinnen – da wo die Seele ihr Zuhause hat – ein wohliges Gefühl beschert.

Die ersten musikalischen Erfahrungen hat das Kind schon im Mutterleib gemacht. Es hat dieselbe Musik gehört wie die Mutter. Mehr noch: Es hat sie gespürt, die Schwingungen, die über die Bauchdecke der Mutter zu ihm gedrungen sind. Dabei hat es wahrscheinlich auch die Emotionen der Mutter wahrgenommen und gelernt, was der Mutter – sehr subjektiv – gefällt.

So gesehen müsste man im angenehmen Rahmen vielleicht Konzerte für werdende Eltern anbieten, wo sich eine gewisse Nähe zwischen Mutter, Vater und ungeborenem Kind ergeben kann. – Babys mit sechs Monaten haben schon eine erhebliche musikalische Hörerfahrung. Im besten Fall hat die Mutter nach der Schwangerschaft nicht aufgehört, ihre Musik zu hören. Radio und Fernsehen in der Wohnung und jedem Geschäft und Restaurant, in das das Baby mitgeschleppt worden ist, haben ein Übriges getan. Alles das führt zu einem positiven Gewöhnungseffekt gegenüber Musik.

Eva Binkle ist seit nunmehr neun Jahren an der Staatsoper Hamburg für die Musikvermittlung zuständig. Sie möchte mit ihren Ideen, Aktionen und Produktionen sicherstellen, dass in der Staatsoper eine „nahtlose Versorgung“ aller Altersgruppen von ganz jungen Menschen bis ins hohe Alter gewährleistet ist. Um die älteren Opernbesucher muss sie sich da weniger kümmern, die sind bereits geübt und in das System Oper eingebunden.

So hat sie im Laufe der Jahre mehrere Reihen für altersmäßig genau definierte Zielgruppen initiiert, die vom Beginn eines Menschenlebens bis hin zum Erwachsenenalter alle ansprechen sollen: Musiktheater für Babys (sechs Monate bis zwei Jahre), Musiktheater für Kinder (zwei bis vier Jahre, drei bis fünf Jahre, fünf bis acht Jahre), im Grundschulalter werden dann eher ganze Klassenverbände angesprochen. Ab sechs Jahren bietet das Opernhaus „Opera piccola“ an und „Jugendopern“ für Jugendliche ab 14 Jahren.

Die Hamburger Staatsoper ist in der glücklichen Lage, mit den kleinen Zuschauern und Zuhörern nicht in den riesengroßen Saal mit der beeindruckend großen Bühne gehen zu müssen. Sie besitzt einen genial wandelbaren Raum, die „opera stabile“, den man an die Bedürfnisse der Inszenierung, aber auch der Altersgruppen anpassen kann. Eigentlich ist die opera stabile nur ein großer leerer Raum. Je nach Bedarf kann er gestaltet werden, zum Beispiel mit einem Teppich ausgelegt, auf dem man nach Herzenslust herumkrabbeln kann, oder aber auch in Bühne und Tribüne geteilt werden.

Für Binkle ist es bei ihren Inszenierungen wichtig, dass sich das junge Publikum wohlfühlt, vielleicht sogar ein bisschen zuhause. So heißt es in den Ankündigungen ihrer Musiktheaterstücke immer: „Krabbeln, kuscheln, schlafen – hier ist alles erlaubt!“ War es anfangs noch notwendig, Werbung zu machen, so ist Binkles Rezept voll aufgegangen – heute sind ihre Produktionen Selbstläufer und immer ausverkauft. Unter der Woche kommen Kitas, andere Betreuungseinrichtungen und Gruppen, wenige private Einzelpersonen, am Wochenende nur Familien.

Was konkret ist denn nur Musiktheater für Babys? Binkle beschreibt das folgendermaßen: „Musiktheater für Babys ermöglicht auch den Allerkleinsten die Begegnung mit allem, was da klingt, singt und tönt. Sie lauschen bekannten und neuen Klängen und bewegen sich im Rhythmus der Musik. Die Krabbellandschaft der opera stabile erlaubt es Babys und ihren Eltern in gemütlicher Atmosphäre ganz nah am Geschehen zu sein oder sich auch mal in sicherer Distanz zu halten. Auf Decken und Kissen können die Kleinen gemeinsam mit Müttern und Vätern eine gute halbe Stunde lang einer abwechslungsreichen musikalischen Geschichte lauschen.“

Was so schön klingt, erfordert harte Arbeit. „Da muss absolut alles passen“, sagt Binkle. Sehr oft sieht Binkle begleitende Eltern, Erwachsene, die selbst aber auch überhaupt noch nie in der Oper gewesen sind. Auch diese müssen sich gut aufgehoben fühlen! Mittlerweile schöpft Binkle aus einem großen Fundus an Erfahrungen. So weiß sie, dass bereits das Vorderhausteam am Einlass und der Garderobe (inklusive Wickeltisch und Kinderwagenparkplatz) den Gästen ein erstes gutes Gefühl vermitteln muss.

Was dann im Saal und auf der Bühne passiert, muss genauestens durchdacht sein und einfach passen. Das Setting, die Zeit, die Ruhe, die Zuwendung – all das ist wichtig. Dreißig Minuten dürfen nicht überschritten werden, denn dann lässt die Aufmerksamkeitsfähigkeit rapide nach, und es entsteht Unruhe. Ein wenig präsentieren, ein wenig mitmachen lassen – all das gehört zu einer guten Inszenierung dazu. Manches im Raum lässt sich einfach durch das Licht steuern, dunkel und hell gehören ebenso zusammen wie leise und laut.

Auf der Bühne geschieht dann in Programmen wie „Schwuppdiwupp – getürmt und umgestupst“ oder „Tut tut! Baby an Bord“ nichts Geniales, sondern es ereignen sich Szenen aus dem Leben der Babys, die – ganz ohne den berühmten Zeigefinger – ein kleines pädagogisches Konzept beinhalten: Zählen bis zur Drei, ein paar Buchstaben des Alphabets, die Grundfarben, das Bauen und Umstupsen von kleinen Türmchen, einfache Verkehrssituationen – mehr gibt es nicht. Das aber ist genau das, was die Kleinsten der Kleinen brauchen und verstehen.

Die musikalische Gestaltung beschränkt sich auf kleine Ensembles – ein Sänger und drei Instrumentalisten. Die Musik entstammt bereits für diese Ersthörer dem gesamten Fundus der Musikgeschichte: Alte Musik, klassische Musik, neue Musik, ernste Musik, Unterhaltungsmusik, Literatur und Improvisation, (begleiteter) Gesang und reine Instrumentalmusik aus allen Ecken und Gegenden der Erde. Für Binkle ist es ganz selbstverständlich, dass es auch Musik von Komponistinnen gibt – denn das Wort „Vorbild“ fällt oft im Gespräch mit ihr. Spätestens als ein kleiner „schwarzer“ Junge nach der Vorstellung zu dem ebenfalls „schwarzen“ Sänger Zachariah N. Kariithi sagte „Du siehst genau so aus wie ich“, ist dieses Konzept voll aufgegangen.

Ralf-Thomas Lindner

 

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner