|
Unschätzbarer Aktivposten
Kulturthesen wider die Schließungsdebatte · Von Matthias
Weidemann
Wenn man den Teufel an die Wand malt, dann kommt er auch. So könnte
man das interpretieren, was den Förderkreis der Oper jetzt
auf den Plan gerufen hat. Dort ist man nämlich die ständigen
Schließungs-Diskussionen hinsichtlich der Leipziger Kulturszene
leid. In Person des Vorsitzenden Wolfgang Ramsner zeigt man sich
darüber verärgert und nagelte symbolisch 10 Kulturthesen
an das Tor des Leipziger Rathauses.
Wolfgang Ramsner zu den Motiven des Vereins: „Uns fehlt völlig
das Verständnis, wenn eine angebliche Finanzierungskrise im
Promillebereich des städtischen Haushaltes lediglich zu einer
Kürzungs- und Schließungsdiskussion führt. Die
exzellenten Leipziger Kulturbetriebe sind für uns jedenfalls
kein lästiger Kostenfaktor. Sie sind der wertvollste Aktivposten,
den die Stadt Leipzig im internationalen Wettbewerb aufzubieten
hat. Weiter heißt es in der Pressemeldung des Förderkreises,
in vielen vergleichbaren Initiativen arbeiteten tausende ehrenamtliche
Mitglieder aus voller Überzeugung und mit viel Erfolg daran,
dieses Kulturangebot mit privaten Mitteln zu fördern. Ramsner
weiter: „Das wird vollends unmöglich, wenn die politisch
Verantwortlichen über jahrelange Kürzungsdebatten nicht
hinauskommen. Wer soll denn private Mittel in ein Kulturprojekt
einer Stadt stecken, die sich mehr und mehr aus der Verantwortung
stiehlt. Dass die Stadt ihre Verantwortung nun bequemerweise auf
externe Gutachter abschieben will, grenzt aus unserer Sicht an
eine Bankrotterklärung.“
Und dann fragt Wolfgang Ramsner: „Wie viel Geld kann ich
für Schuhe sparen, wenn ich mir ein Bein amputieren lasse?
Wer mit so einer Frage noch externen Sachverstand beauftragt, hat
seinen aktiven politischen Gestaltungswillen verloren.“ Richtig
wäre vielmehr, so der Vorsitzende weiter, eine Diskussion
darüber, wie das hervorragende Kulturangebot künftig
besser vermarktet werden könne. Gebraucht werde ein nachhaltiges
Kulturentwicklungskonzept und ein offensives Stadtmarketing.
Ramsner abschließend: „Ich bin überzeugt, dass
unzählige Leipziger, wie auch viele Gäste und Firmen
gerne bereit sind, das Kulturangebot zu unterstützen und zu
fördern. Unabdingbar dafür sind dann aber auch das materielle
Bekenntnis der Stadt sowie eine positive, zukunftsorientierte Debatte.“
Matthias Weidemann
Zehn Kulturthesen des Förderkreises der Leipziger Oper
1. Zum wiederholten Male werden die Leipziger Kulturbetriebe,
besonders aber die Oper, in der politischen Debatte in die bloße
Rolle von „Kostenfaktoren“ gedrängt. Dies ist
nicht hinnehmbar. Die Kulturbetriebe sind vielmehr unschätzbare
Aktivposten für Leipzig, die nicht nur entscheidend Bekanntheit
und Renommee unserer Stadt prägen, sondern auch in vielfältiger
Weise zum finanziellen Einkommen der Stadt beitragen.
2. Eine Diskussion über unsere Kulturbetriebe, die sich allein
auf die Frage beschränkt, welche Kürzungen oder gar Schließungen
den geringsten Schaden anrichten, führt in die falsche Richtung.
Aus ihr kann kein positives Szenario für eine gedeihliche
Entwicklung unserer Kulturlandschaft erwachsen. Schon die Fragestellung
an die Actori-Gutachter ist daher auf das Schärfste zu kritisieren.
3. Das exzellente Kulturangebot der Stadt Leipzig ist das wichtigste,
vielleicht einzige internationale Alleinstellungsmerkmal unserer
Stadt. Dieses Angebot weiterzuentwickeln und zu verstärken
ist zentrale Aufgabe aller Verantwortlichen in Leipzig.
4. Ein gutachterlich vorhergesagtes zukünftiges „Finanzierungsloch“ von
angeblich etwa drei Promille des städtischen Haushaltes zum
Anlass für Debatten über Sparten- oder Spielstättenschließungen
zu nehmen ist nicht nachvollziehbar. Offenbar soll damit das Unvermögen
der politisch Verantwortlichen verschleiert werden, eine nachhaltige
und zukunftsorientierte Kulturpolitik für Leipzig zu formulieren.
Für eine Stadt, die Kulturhauptstadt Europas werden will,
ist eine Schließungsdiskussion ein Armutszeugnis.
5. Die Bemühungen zahlreicher ehrenamtlicher bürgerschaftlicher
Vereinigungen, private Fördermittel für die Kultur in
Leipzig zu mobilisieren, werden verunmöglicht, wenn die politisch
Verantwortlichen in Leipzig die eigenen Betriebe schlecht reden,
die Betriebe nur als Kostenfaktor begreifen und daher über
eine ständige Kürzungs- und Schließungsdebatte
nicht hinauskommen.
6. Gemessen an der weltweit einmaligen Musiktradition in Leipzig
und an ihrem insgesamt exzellenten Kulturangebot bleibt dessen
internationale Bekanntheit und damit der Nutzen für die Stadt
bisher leider weit hinter den Möglichkeiten zurück. Den
flagranten Defiziten beim Stadtmarketing und ebenso bei der Außenkommunikation
der Stadt wird aber mit einer Strangulierungsdebatte bei den Kulturbetrieben
nicht beizukommen sein.
7. Es soll nicht verkannt werden, dass finanzielle Zwänge
eine Diskussion über Prioritäten und damit auch Nachrangigkeiten
in der Kulturlandschaft erfordern. Dies muss aber in Respekt vor
den Leipziger Traditionen, vor allem der Musik, erfolgen. Eine Überführung
der Musikalischen Komödie in eine Jugendmusikeinrichtung – bei
faktischer Entlassung des Ensembles – zu propagieren und
dies eine „Fortentwicklung“ zu nennen, ist in unseren
Augen geradezu eine Verhöhnung dieses traditionsreichen Hauses.
8. Notwendig sind hingegen eine Finanzierung und Vermarktung der
Leipziger Kulturbetriebe nach dem Vorbild weltweit bekannter Kulturmetropolen.
International einmaligen, ja konkurrenzlosen Museen einen Marketingetat
zu verweigern, hoch renommierten Orchestern, Theatern oder Chören
finanziell so enge Fesseln anzulegen, dass an offensive Werbung
nicht zu denken ist, ist ein politischer Irrweg.
9. Die Leipziger Kulturentwicklung braucht Nachhaltigkeit. Kulturaufwendungen
angeblich zu „deckeln“, in Wahrheit aber jährlich
zu kürzen in der Erwartung, dass Kosten- und Lohnsteigerungen
dauerhaft von den Kulturbetrieben selbst erwirtschaftet werden,
ist ganz offensichtlich unrealistisch und lohnt keine nähere
Betrachtung. Selbst nach massivsten Amputationen wäre mit
diesem Vorgehen ein – fragwürdiger – Erfolg nur
von kurzer Dauer.
10. Unsere Stadt braucht ein integriertes, aktives Stadtmarketing
zur besseren Nutzbarmachung des exzellenten Leipziger Kulturangebotes.
So lange uns viel kleinere Städte bei der internationalen
Bekanntheit als Kulturmetropolen den Rang ablaufen, benötigen
wir keine Schließungsdiskussion. Was wir brauchen, ist eine
ehrliche Bestandsaufnahme der Defizite unserer Kommunikation und
als Konsequenz daraus deren Beseitigung.
|