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Kulturpolitik


Brennpunkte · Zur Situation deutscher Theater und Orchester

Neues von „Friss oder Stirb“ aus Mecklenburg-Vorpommern · Von Sylke Urbanek

Nach erfolgter Wahl und Personalwechsel im Bildungs/Kultusministerium wird die Hoffnung auf eine Erhöhung der Landesmittel für die stark gebeutelten Theater in Mecklenburg-Vorpommern zunichte gemacht. Wie man immer wieder in der Presse lesen kann, ist der neue Kultusminister Mathias Brodkorb nicht bereit, den Theatern unter die Arme zu greifen. Er delegiert das Problem an die Kommunen – wenn sich die Kommunen Theater leisten wollen, dann müssen sie das auch finanzieren. Er verlangt wieder neue Strukturen und Fusionen und verweist auf die Tatsache, dass die Landesausgaben für Theater je Einwohner in Mecklenburg etwa doppelt so hoch liegen wie in Bayern. Einwohnerdichte, Arbeitslosenzahlen, Durchschnittsgehalt, Teuerungsrate etc. lässt er dabei außen vor. Mecklenburg-Vorpommern hat die geringste Bevölkerungsdichte Deutschlands, obwohl es das sechstgrößte Bundesland der Republik ist. Der Vergleich mit Bayern hinkt also erheblich.

 
Kulturabbau nicht länger hinnehmen: Das ist nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern die Devise. Auch in Leipzig (s. S. 7) wollen Kulturfreunde die Ignoranz der Sparpolitiker gegenüber den vorhandenen Kultur-Werten nicht mehr tatenlos akzeptieren. Das Bild (Matthias Weidemann) zeigt den Vorsitzenden des Förderkreises der Leipziger Oper, Wolfgang Ramsner, beim Anschlagen der „Zehn Kulturthesen“ an das Leipziger Rathaus.
 

Kulturabbau nicht länger hinnehmen: Das ist nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern die Devise. Auch in Leipzig (s. S. 7) wollen Kulturfreunde die Ignoranz der Sparpolitiker gegenüber den vorhandenen Kultur-Werten nicht mehr tatenlos akzeptieren. Das Bild (Matthias Weidemann) zeigt den Vorsitzenden des Förderkreises der Leipziger Oper, Wolfgang Ramsner, beim Anschlagen der „Zehn Kulturthesen“ an das Leipziger Rathaus.

 

Der Minister versichert, dass es keine vorgefertigte Meinung gebe, wie die künftige Theaterlandschaft im Land aussehen soll: Aber er hat eine neue Idee: Er orientiert sich am Hochschulpakt von 2006, welcher beinhaltet, dass bis zum Jahre 2017 jede fünfte Stelle wegfällt. Das Land finanziert an den Hochschulen eine bestimmte Anzahl von Studienplätzen, im Gegenzug verlangt es den Abbau der Stellen. Friss oder stirb! Keine Alternativen! Damals hatte es massive Proteste von Hochschulleitungen und Studenten gegeben, inzwischen ist es ruhig geworden um das Thema.

Zum Thema Theater – hier ist in den letzten Jahren schon deutlich mehr als jede fünfte Stelle abgebaut worden! – ist die Aussage vom Minister: „Wenn die Kommunen zu einer konsequenten Reform bereit sind, bin ich bereit zu Gesprächen über einen langfristigen Theaterpakt“. Die von der Volksinitiative „Theater und Orchester sind unverzichtbar“ gesammelten 47.000 Unterschriften von Menschen in Mecklenburg in nur 7 Wochen scheinen ihn offensichtlich wenig zu interessieren. Die Unterschriften sollten die Schweriner Landesregierung dazu bewegen, die Mittel in Mecklenburg-Vorpommern für die Kultur zu erhöhen und die jetzt bestehenden Theaterstandorte und Orchester zu erhalten. 15.000 Unterschriften waren nötig, damit sich der Landtag mit dem Thema befasst. Erreicht wurden 47.000 – ein phantastisches Ergebnis und ein klares JA der Bevölkerung zu ihren Kulturstandorten und den beschäftigten Künstlern. Wird sich die Landesregierung diesem Votum entziehen können? Wir müssen es abwarten und die Angst begleitet uns jeden Tag, denn schnelle und noch dazu positive Entscheidungen haben wir nur sehr selten in den vergangenen 15 Jahren erlebt, leider.

Sylke Urbanek

Wahlversprecher
Die desolate Haltung gegenüber den Belangen der Kultur im Land Mecklenburg-Vorpommern (s. Artikel von Sylke Urbanek) zeigt sich auch im Briefwechsel der Künstlergewerkschaften mit der Staatskanzlei. Die Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer hatte zeitgleich mit der Deutschen Orchestervereinigung und der GDBA einen Brief an den Ministerpräsidenten des Landes, Erwin Sellering, gerichtet (s.u.).
Die Antwort fiel mehr als lapidar aus. Der Leiter des Ministerpräsidenten-Büros teilte mit, sein Chef habe ihn gebeten, das Schreiben an das „zuständige Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Beantwortung weiterzuleiten“. Freundlicherweise wird noch ein Ansprechpartner mit Telefonnummer genannt. Davon, dass er höchstpersönlich ein Wahlversprechen in Sachen Kultur abgegeben hatte, dass er eben die Kultur zu seiner eigenen Sache hatte machen wollen, will der MP heute anscheinend nichts mehr wissen.
Pikant ist dabei, dass soeben eine Anfrage des Bühnenvereins bei der VdO einging, in der um die Aufnahme von Haustarifverhandlungen für das Volkstheater Rostock gebeten wird. Dass die Bereitschaft der Gewerkschaften vor dem Hintergrund der kultur-unfreundlichen Haltung im Lande gering ist, mag wohl niemanden überraschen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Sellering,
da sich leider die Situation der Theater und Orchester in Ihrem Bundesland weiter zuspitzt, sehen sich die Tarifparteien Deutsche Orchestervereinigung (DOV), Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer (VdO) und Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) genötigt, Sie an Ihr Wahlversprechen zu erinnern, die Kultur in Mecklenburg-Vorpommern zur Chefsache zu machen. Wir gehen davon aus, dass Sie dabei auch die Ansichten der Vertreter der betroffenen Musiker und Theaterschaffenden einbeziehen werden, und bitten Sie deshalb um einen zeitnahen Gesprächstermin.
Wir sehen es als sehr wichtig an, in diesem Gespräch einen Konsens zu finden zwischen der Kulturpolitik des Landes Mecklenburg-Vorpommern und den Interessen der Theaterschaffenden und Orchestermitglieder.
Sicher liegt die Lösung der problematischen Kultur- und Theaterfinanzierung auch in Ihrem Interesse und wir wären sehr dankbar, wenn Sie für Januar 2012 einen oder mehrere Terminvorschläge unterbreiten können.
Mit freundlichen Grüßen
Gerrit Wedel
Stellv. Geschäftsführer

 

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