|
Konwitschnys Abschied aus Leipzig
Verdis „Macbeth“ an der Leipziger Oper · Von
Midou Grossmann Hoffen wir, dass die Turbulenzen um die Oper Leipzig nun bald
der Vergangenheit angehören werden. Diese scheibchenweisen
Umorientierungen, die das Haus seit Jahren lähmen, sind sicherlich
mit Peter Konwitschnys Rücktritt zum Jahresende erst einmal
beendet. Allerdings ist für dieses Dilemma hauptsächlich
eine Stadtverwaltung verantwortlich, der es seit der Demission
von Riccardo Chailly nie gelungen war, einen kulturpolitisch überzeugenden
Weg einzuschlagen. Hierfür fehlt es den Verantwortlichen wohl
auch an Fachkenntnis, denn vom Wesen des Musiktheaters scheint
man im Rathaus nicht wirklich etwas zu verstehen.
Eigentlich vertreten Peter Konwitschny und Ulf Schirmer keine
konträren Positionen, nur die weltanschauliche und ästhetische
Sicht ist bei beiden unterschiedlich. Dass die Kunstgattung Oper
ein kostbares Kulturgut ist, das wertebildend wirkt, dürfte
für beide außer Frage stehen. Doch Peter Konwitschny
führt einen fast besessenen Feldzug zur Rettung der westlichen
Zivilisation und benutzt seine Inszenierungen gerne dazu, das Publikum
auf die Missstände radikal einzustimmen. Aber Bürgerschelte
hat noch nie Wirkung gezeigt. Ulf Schirmer sieht das Musiktheater
vielleicht ähnlich wie Egon Friedell, der es in seiner „Kulturgeschichte
der Neuzeit“ wie folgt beschreibt: „Eben mehr, als
die Meisten glauben, keine bunte Oberfläche, kein bloßes
Theater, sondern etwas Entsiegelndes und Erlösendes, etwas
schlechthin Magisches in unserem Dasein.“ Das Magische scheint
Peter Konwitschny aus den Augen verloren zu haben, wenngleich er
es in seinen frühen Inszenierungen durchaus auf die Bühne
zu bringen verstand.
Verdis „Macbeth“ war wohl Konwitschnys letzte Arbeit
für das Opernhaus Leipzig. Allerdings war diese Produktion
schon 1999 in Graz gezeigt worden und Leipzig erlebte nur einen
lauen Aufguss. Da schon erkrankt, konnte Konwitschny die Proben
nicht selbst leiten; beauftragt wurden zwei Assistentinnen, Heide
Stock und Verena Graubner. Beide bemühten sich redlich die
Produktion für die große Leipziger Bühne einzurichten.
Das gelang nicht wirklich überzeugend, man konzentrierte sich
nur auf den Ablauf, für eine intensive Arbeit mit den Sängern
scheint die Zeit nicht gereicht zu haben.
Leider setzte Konwitschny auch in dieser Produktion zu sehr auf
Klamauk. Wann immer Blut floss, ging ein Konfettiregen auf der
Bühne nieder, der sofort von den Hexen mit einem Staubsauger
entsorgt wurde. Diese zeigten sich hier als eine emanzipierte Frauenkommune,
die immer wieder durch die Inszenierung huschte. Sie wohnten in
einer ärmlichen
Küche, Macbeth und Freunde stiegen durch das Fenster ein.
Der Hauptmann und spätere König residierte selbst in
einem palastähnlichen Raum, mit großen Panoramafenstern,
die an Hitlers Obersalzberg erinnerten (Bühnenbild Jörg
Kossdorff). Der Wald von Birnam verirrte sich mit kleinen Weihnachtsbäumen
schon früher als von Verdi geplant in diesen Raum. Lady Macbeth
singt die große Wahnsinnsarie zwischen diesen Bäumchen,
stirbt dann diskret im Hintergrund.
Allerdings zeigte der dirigierende Intendant mit dem Gewandhausorchester
eine beeindruckende Leistung. Das Schicksal tobte schon während
der Ouvertüre beeindruckend im Orchestergraben, und spannend
blieb es bis zum Schluss. Tempi, Dynamik sowie eine perfekte musikalische
Differenzierung prägten Schirmers hervorragendes Dirigat,
dem die sängerischen Leistungen leider nicht entsprachen.
Verdi versuchte mit dieser Oper den dramatischen Ansprüchen
von Shakespeares Werk gerecht zu werden. Im Libretto rang er um
jedes Wort, setzte stark auf die Eigenschaften des Schauspiels.
Um dieses Drama auch auf die Bühne zu bringen, benötigt
man begabte Sängerdarsteller, die es verstehen, mit dem Gesang
zu gestalten.
Leider zeigte das Leipziger Besetzungsbüro wieder einmal
ein recht oberflächliches Casting. Marco di Felice in der
Titelpartie sowie seine Lady Amarilli Nizza meisterten zwar gesanglich
die schwierigen Partien einigermaßen ansprechend, doch darstellerisch
blieben beide blass. Selbst das Striptease der Lady wirkte gehemmt,
ja sogar peinlich. James Moellenhoff (Banquo) zeigte stimmlich
schon mehr Ausdruck, dennoch schien auch er darstellerisch befangen.
Nur Giuseppe Varano als Macduff konnte in seiner Arie mit einer
ansprechenden tonalen Gestaltung gefallen. Alessandro Zuppardo,
der neue Chordirektor des Hauses, hatte seine Truppe so großartig
vorbereitet, dass man selbst einen kleinen Aussetzer verzieh. Auch
die Statisterie agierte enorm spielfreudig, dennoch wurde der Abend
kein Erfolg. Diese Inszenierung dürfte künftig unter
der Rubrik „Altlasten“ laufen.
Midou Grossmann |