Kahlschlag beim SWR
Beschnitt des Vokalensembles · Von Gerhard Rohde
Bei der bekannten Einsichtslosigkeit und Unsensibilität des
SWR-Intendanten Professor Peter Voß gegenüber musikalischen
Strukturen war es nicht anders zu erwarten: Das SWR-Vokalensemble
wird von derzeit 36 Planstellen auf 24 reduziert. Das sei nicht
der Untergang des Abendlandes, so kommentierte Professor Voß
vor einiger Zeit diese Reduzierung. Vielleicht stimmt das sogar,
auf jeden Fall aber bedeutet es den Untergang jedweder Vernunft
und fachlicher Kompetenz.
Was der SWR-Intendant im Laufe vieler Monate zum Thema Kulturauftrag
des Rundfunks, Musik im Funk und so fort geäußert hat,
wirkt in seiner formalistischen Starrköpfigkeit nur mehr gespenstisch
und dabei doch höchst real: Denn wer die Macht hat… setzt
sie auch ein. Der Ordnung halber ließ Voß seine Einsparvorlagen
noch vom Verwaltungsrat des SWR und jetzt vom Rundfunkrat des Senders
abnicken. Immerhin fassten zwanzig Rundfunkratsmitglieder den Mut,
die Vorlage zurückzuweisen (bei drei Enthaltungen und 31 Ja-Sagern).
Man braucht den Lesern dieser Zeitschrift nicht zu erklären,
was für ein sensibler Organismus ein Hochleistungsensemble
wie das SWR-Vokalensemble ist. Jeder Eingriff in die Struktur, in
das Funktionieren des Klangkörpers, kann zu schweren Schäden
bis hin zum Tod führen. Aber womöglich ist das ja insgeheim
auch beabsichtigt: Stellenstreichungen, Vorruhestandsregelungen,
Zweidrittel-Stellen, Aushilfen et cetera – mit solchen Begriffen
aus dem Vokabular einer Arbeitsagentur versucht man dem Vokalensemble
den Wahnsinn schmackhaft zu machen, und das für eine vergleichsweise
geringe Einsparungssumme, wodurch das kaum abschätzbare künstlerische
Kapital, welches das Vokalensemble angesammelt hat, sinnlos verschleudert
wird.
Aber Peter Voß ist ja der Ansicht, dass der Rundfunk nicht
den Auftrag habe, Musikgeschichte zu schreiben. Das allerdings haben
die Sender bis zum Sankt-Peterleins-Tag schon längst getan,
und zwar mustergültig, beneidet von vielen Musikländern
in aller Welt. Den Beitrag, den die deutschen Rundfunkhäuser
nach dem Krieg für die Musik geleistet haben, darf man ohne
Einschränkungen der Musikgeschichte zuschlagen. Da nützt
es dem Herrn Professor Voß gar nichts, wenn er die Fakten
nicht zur Kenntnis nehmen will. Vielleicht kann er es auch nicht.
Man muss ja von Glück sagen, dass das Arditti String Quartet
nicht zum SWR gehört, dann würde womöglich der zweite
Geiger weggespart. Ein blöder Vergleich? Der Unterschied zur
Deformation des Vokalensembles wäre gar nicht besonders groß.
Damit sich Professor Voß nicht so allein fühlt, sei hier
noch auf die Situation des ARD-Wettbewerbes verwiesen (siehe Seite
16). Dass die ARD für das neue Bremer Funkhaus 64,4 Millionen
Euro übrig hat, nur damit Funk und Fernsehen unter einem Dach
vereinigt sind, während man einen kleinen Chor am liebsten
wegsparen möchte, unterstreicht nur den grassierenden allgemeinen
Irrsinn.
Gerhard Rohde
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