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Ein kleines Wunder in Karlsruhe?
Birgit Keil ist neue Ballettdirektorin · Ein Porträt
von Nike Luber
Birgit Keil hat, wie schon oft in ihrer Karriere, ein umjubeltes
Debüt gegeben, dieses Mal in der neuen Rolle als Ballettdirektorin.
„Zeitgenössisch jung – zeitlos etabliert“,
der erste Ballettabend unter ihrer Leitung am Badischen Staatstheater
Karlsruhe, kam bei Presse wie Publikum gleichermaßen gut an.
Das ist für eine frisch gebackene Ballettdirektorin, selbst
wenn sie Birgit Keil heißt, nicht selbstverständlich.
Karlsruhes Tanzsparte war in den letzten Jahren in schweres Fahrwasser
geraten, und die einstige Primaballerina, die sich eigentlich ganz
der Ausbildung des Nachwuchses an der Mannheimer Tanzakademie verschrieben
hatte, soll nun nicht weniger als ein kleines Wunder vollbringen,
nämlich die dritte Sparte des Badischen Staatstheaters aus
dem Nichts zu neuer Blüte führen.
Vielfalt der Stile
Birgit Keil sieht darin eine große Chance. Mit gerade vier
Tänzern aus der alten Compagnie, aber zwei Ballettmeistern,
denen sie vollstes Vertrauen schenkt, und jungen Ensemblemitgliedern,
die sie zum Teil selbst an ihrer Tanzakademie ausgebildet hat, geht
sie daran, erst einmal ein Repertoire aufzubauen. Birgit Keil glaubt
an die Vielfalt der Tanzstile und choreografischen Handschriften.
Die Abwechslung macht auch ihrer Compagnie Spaß, wie der erste
Ballettabend dieser Spielzeit mit vier verschiedenen Stücken
von drei verschiedenen Choreografen gezeigt hat.
Als nächstes steht in Karlsruhe ein Klassiker auf dem Programm,
„Don Quijote“ nach Petipa. Einen Klassiker will sie
immer im Repertoire haben, sagt Birgit Keil. Denn klassischer Tanz
in einem Ballett mit vielen reizvollen Rollen ist etwas ganz anderes
als akademische Übungen im Ballettsaal, erklärt die Direktorin.
Außerdem sei die Gestaltung von Charakteren für die Tänzer
eine schöne Aufgabe. Sie hat sich deshalb für die dritte
Premiere ihrer Compagnie „Gefährliche Liebschaften“
ausgesucht. Jörg Mannes vom Stadttheater Bremerhaven wird eigens
für Karlsruhe eine erweiterte, auf die Tänzer zugeschnittene
Neufassung schaffen. Das passt zu einem weiteren Credo von Birgit
Keil: man muss die Stücke nach den Tänzern aussuchen,
nicht umgekehrt.
Ballett für alle
Das Publikum sollte eine gute Spartenchefin ebenfalls immer im
Blick haben. Birgit Keil wird auch dieser Seite ihrer Aufgabe mit
Enthusiasmus gerecht. Neben dem Zauber des Spitzentanzes, dem sich
die Karlsruher Zuschauer in „Don Quijote“ hingeben können,
wird als vierte und letzte Premiere ein familienfreundliches Ballett
kreiert. Birgit Keil handelt nach der zukunftsgerichteten Erkenntnis:
Kinder sind das Publikum von morgen. Zur Musik von Rimskij-Korsakow
wird Ralf Jaroschinski eine „Scheherazade“ choreografieren,
die Kinder ebenso wie Erwachsene ansprechen soll. „Scheherazade“
stellt zugleich den Beitrag des Karlsruher Balletts zu den Europäischen
Kulturtagen 2004 dar, in deren Mittelpunkt der Orient steht.
Weitere Pläne
So bunt und vielseitig soll es 2004/2005 weiter gehen. Birgit Keil
kommen ihre hervorragenden Kontakte zu Choreografen zustatten, Hans
van Manen etwa ist ein guter Freund, der eigens für sie in
der Premiere des ersten Ballettabends in Karlsruhe selbst auftrat.
Ralf Jaroschinski gehört zu ihren Entdeckungen, sein Beitrag
zu einem Choreografenwettbewerb gefiel ihr besonders durch seinen
Witz. Birgit Keil setzt nicht nur auf Altmeister des Fachs, sondern
wagt auch Experimente mit jungen Choreografen. Manchmal liegt das
Gute buchstäblich vor der eigenen Haustür, in diesem Fall
der Tanzakademie Mannheim. Zu deren Absolventen gehört Terence
Kohler, der mit „just before falling“ in Karlsruhe einen
ersten Erfolg als Choreograf verbuchen konnte.
Ballett und Akademie
Birgit Keil weiß ihre Rollen als Ballettdirektorin und Leiterin
der Tanzakademie geschickt zu kombinieren. Die Ausbildung des Nachwuchses
in Mannheim entspricht ihren hohen Ansprüchen. Dafür haben,
nach einer erneuten Auswahl, die Besten einen direkten Einstieg
in den Beruf über das einjährige Aufbaustudium „Bühnenpraxis“.
Die Studenten tanzen am Badischen Staatstheater in Operetten und
einem großen Ensemblestück mit. Für Birgit Keil
hat die Woche sieben Tage. Drei Tage widmet sie dem Nachwuchs, vier
Tage ist sie im Theater, und dabei strahlt sie noch vor Begeisterung.
Birgit Keils Enthusiasmus ist ansteckend, er hat bereits die Compagnie
infiziert und ist auf das Publikum übergegangen. Nur wenn man
selbst begeistert ist, kann man die harte Arbeit des Tänzers
durchhalten, sagt sie, und nur wenn man selbst begeistert ist, springt
der Funke von der Bühne über zum Publikum.
Nike
Luber
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