Chor-Noten in Nöten?
Chormusikverlage in Deutschland · Von Petra Pfaffenheuser
In Deutschland sind zirka 1,8 Millionen Menschen in 60.000 Chören
sängerisch aktiv: ein großer Absatzmarkt für Chornoten,
Chor-CDs und andere Produkte. Allein 350 Verlage im deutschsprachigen
Raum offerieren ein dementsprechend riesiges Angebot an Chornoten.
Der „typische“ Chormusikverlag ist unter der Vielzahl
an Anbietern nur schwer auszumachen. Die Spanne reicht von den großen,
renommierten Verlagen wie zum Beispiel Breitkopf, Bärenreiter
oder Schott, deren Chornotensortiment nur eine Sparte von vielen
ist, bis hin zu kleinen Fachverlagen wie „Ars Cantandi“
oder „Berliner Chormusik Verlag“. Oftmals betreiben
auch Kirchenmusiker oder Chorleiter neben ihrem Hauptberuf einen
kleinen Notenverlag zum Vertrieb ihrer eigenen – zumeist als
Gebrauchsmusik zu bezeichnenden – Arrangements oder Chorsätze.
Das Repertoire der veröffentlichten Chormusik bei den „großen“
Verlagen beinhaltet Chorwerke innerhalb von Gesamtausgaben –
bei Bärenreiter unter anderem von Wolfgang Amadeus Mozart,
Johann Sebastian Bach oder Georg Friedrich Händel – aber
auch spezielle Chorreihen, Chorsammlungen und Einzelsätze.
Einige Fachverlage spezialisieren sich auf bestimmte Arrangements,
wie zum Beispiel der Kölner Verlag Wolfgang G. Haas, der neben
A-Cappella-Werken vor allem Chormusik mit Bläserbegleitung
oder Bläserarrangements von Chorälen und Motetten herausgibt.
Bei vielen Fachverlagen ist eine Kombination der Werke für
Chor und Orgel zu finden, so beim J. Butz Verlag Sankt Augustin,
Strube Verlag München, Coppenrath Verlag Altötting oder
beim Jubilate Verlag Eichstätt. Der Fokus der Werkauswahl liegt
auf Kompositionen für den liturgischen Gebrauch in Gottesdiensten,
also ist diese Verbindung naheliegend. In jüngster Zeit ist
die Kombination von Chornoten und Übungs-CDs zum Erlernen einer
bestimmten Chorstimme von „gängigen“ Chorwerken
zu beobachten, so zum Beispiel die Reihe „Chorsingen leicht
gemacht“ der Edition Peters.
Stellvertretend soll hier ein Verlag vorgestellt werden, der in
der Fülle der Anbieter als „der wichtigste“ Chormusikverlag
gilt: der Carus Verlag Stuttgart. Ungefähr 70 Prozent der verlegten
Werke gehören bei Carus der Gattung Chormusik an. Dabei nimmt
die geistliche Chormusik die bedeutendste Stellung ein. Das geistliche
Gesamtwerk unter anderem von Johannes Brahms, Josef Gabriel Rheinberger,
Heinrich Schütz oder Georg Philipp Telemann gehört ebenso
zum Programm wie Chorsammlungen geordnet nach musikgeschichtlichen
Epochen, thematischen Gesichtspunkten oder nach Besetzungen. Ergänzt
wird das Notenprogramm durch Fachbücher zum Thema und Tonträger.
Ein Bereich, dem sich der Carus Verlag immer mehr widmet, sind Notenausgaben
für Kinder- und Jugendchöre.
In dem Maße, wie in der Ausbildung von (Kirchen)Musikern
der Bereich Kinderchorleitung immer mehr Bedeutung gewinnt, steigt
auch die Nachfrage nach zeitgemäßer Literatur.
Betrachtet man im Internet die Websites der „Chormusikverlage“,
so fällt auf, dass zum einen bis auf wenige Ausnahmen alle
Verlage mit einer eigenen Website vertreten sind und zum anderen
eine sehr große Anzahl auch Online-Bestellmöglichkeiten
anbieten. Die Produkte werden zum größten Teil auch direkt
vom Verlag zum Endkunden versandt ohne den „Umweg“ über
einen Musikalienhändler. Das Onlinegeschäft hat bei Carus
einen Anteil von zehn Prozent am Gesamtumsatz. Die Bedeutung dieses
Marktsegments wird in Zukunft jedoch sicherlich noch ansteigen.
Die zum Teil ausgezeichneten Websites der Verlage machen es dem
Kunden möglich, gezielt nach bestimmtem Notenausgaben zu suchen.
Dennoch ist es schwierig, alle Angebote zu überblicken. Deshalb
ist die Nutzung von Fachforen im Netz zu empfehlen, die sich auf
den Bereich Chormusik spezialisiert haben. So hat das „Deutsche
Centrum für Chormusik“ (www.dcfc.de)
über 1.000 Verzeichnisse von deutschen und internationalen
Chormusikverlagen katalogisiert und ein angeschlossener Notenversand
(www.chorisma.de)
ermöglicht die Online-Suche und Bestellung. Daneben gibt es
weitere Fachversände, die verlagsübergreifend Noten zusenden,
unter anderem den Seebold Chornotenversand, Bodensee-Musikversand
oder den iris-Musikverlag.
Über 90 Verlage, die dem Deutschen Musikverlegerverband (DMV)
angehören, veröffentlichen Chorliteratur. Ein Fachausschuss
des DMV für Chormusik kümmert sich intensiv um das größte
Problem aller Verlage, die Chornoten publizieren: das unerlaubte
Vervielfältigen der Noten, ein Phänomen, das immer größere
Ausmaße annimmt und zu dessen Verbreitung die Verlage zu einem
gewissen Teil selbst beigetragen haben.
Jahrzehntelang duldeten die Verlage das Kopieren als „Kavaliersdelikt“,
sahen sie ihre Umsätze doch durch die GEMA-Tantiemen aus den
Aufführungen der von ihnen verlegten Werke gesichert. Nun,
da die GEMA die U-Musik gegenüber der E-Musik noch weiter aufzuwerten
plant, sehen die Verlage plötzlich ihre Umsätze rapide
schwinden und werden sensibel für das Thema.
Das unerlaubte Vervielfältigen von Noten hat sich jedoch in
der Gesellschaft weit verbreitet und gilt mittlerweile in weiten
Kreisen als selbstverständlich, so dass dieses späte Aufwachen
der Verlage wenig ausrichten wird. Nach Auskunft des Kölner
Verlegers Christoph Dohr ist es mittlerweile keine Seltenheit mehr,
dass sich wutentbrannte Kunden bei ihm wortreich darüber beschweren,
dass auf seinen kostenlos zugesendeten Ansichtsheften der Stempel
„Probeexemplar“ mitten auf den Noten angebracht sei,
so dass man sie gar nicht richtig kopieren könne.
Es bleibt eine Herausforderung für die Zukunft, das Bewusstsein
für Urheberrecht zu sensibilisieren und die Existenzgrundlage
von Notenverlagen zu sichern.
Petra
Paffenheuser
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