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Editorial

„Modelle“ und „Reformen“, gar „modellhafte Reformen“ – die Begriffe sind nichtssagend und billig wie Fliegenschiss geworden. Statt vorbildhafter Erneuerung – meist auf den letzten Drücker begonnene Flickschusterei, um ein Desaster zu verhindern, das unvorhersehbar wie Weihnachten oder Ostern auszubrechen droht.

Die zum 1. Januar 2004 durch Landesgesetz installierte „Stiftung Oper in Berlin“ kam zwar auch sehr spät, sozusagen auch „auf den letzten Drücker“, birgt aber dennoch die Chance, eine modellhafte Reform zu werden.

  

Stefan Meuschel

 

Schon die ersten, unmittelbaren Folgen des Stiftungsgesetzes sind für das kulturelle Selbstbewusstsein der Bundeshauptstadt, für die Rechtssicherheit und für die Arbeitsmöglichkeiten der drei Opernhäuser und der dort Beschäftigten von kaum hoch genug anzusetzender Bedeutung. Dem bedrohlichen Gerede von Schließungen oder Fusionen, die nach den per behördlichen Federstrichen erfolgten Abwicklungen von Schiller- und Metropol-Theater, von Freier Volksbühne sowie Chor und Orchester des Theaters des Westens auch durchaus als bedrohlich betrachtet werden mussten, ist jetzt der Riegel des Gesetzgebungsvorbehalts vorgeschoben.

Wenn Christina Weiss, die Bundesstaatsministerin für Kultur, eine Woche vor Verabschiedung des Stiftungsgesetzes die Lage so einschätzte, dass „noch immer Einzelne nichts lieber wollen, als die Deutsche Oper zu schließen und trotzdem das Reformgeld (des Bundes) einzustreichen“, ist zu ermessen, welche Überzeugungsarbeit Kultursenator Thomas Flierl innerhalb der Regierungskoalition leisten musste, wie viele Menschen über eigene oder politische Schatten springen mussten, um das Gesetz, und sei es durch wohlwollende Stimmenthaltung, zu ermöglichen. Das „Reformgeld“ besteht aus einer Aufstockung des Hauptstadtkulturvertrages ab 2004 um 22 Millionen Euro, mit denen der Bund Verantwortung und Finanzierung zusätzlich für die Akademie der Künste, für das Filmhaus mit dem Kinematheken-Verbund und für die Betriebskosten des Hamburger Bahnhofs übernimmt. Die dadurch eintretende Entlastung des Berliner Kulturhaushaltes ermöglicht es, dem Etat der Opernstiftung beziehungsweise bis 2009 anteilig auch dem Struktur- und Abfindungsfonds jährlich 16,4 Millionen Euro zufließen zu lassen mit der Folge, dass der Opernetat im Jahr 2009 nicht, wie vom Senat beschlossen, um 33,2 sondern nur um 16,8 Millionen Euro gesunken sein wird.

Das Stiftungsgesetz – im vollen Wortlaut abgedruckt auf S. 7 dieser Ausgabe – orientiert sich an der Struktur der Wiener Bundestheater-Holding GmbH, unter deren Dach die Burgtheater GmbH, die Wiener Staatsoper GmbH und die Volksoper Wien GmbH als künstlerisch und wirtschaftlich eigenständige Betriebe geführt werden und zu der als gemeinsame Einrichtung die „Theater Service GmbH ART FOR ART“ gehört, die für Werkstätten, Gebäudetechnik sowie für gemeinsame Marketing- und Verwaltungsaufgaben zuständig ist. Im Vergleich der Wiener Holding mit der Berliner Stiftung wird das in Berlin zusätzlich zu bewältigende Problem sichtbar: Sind es in Wien drei Theater mit deutlich voneinander abgrenzbaren Profilen und Aufgaben, so müssen die in der Trägerschaft der Berliner Stiftung befindlichen drei Opernhäuser – einschließlich des vierten künstlerischen Betriebes, des Balletts der Stiftung – entsprechende Verabredungen erst treffen. Dieser Prozess wird – auch angesichts bereits abgeschlossener Planungen – selbst bei unterstellter Kooperationswilligkeit aller Beteiligter ebenso lange Zeit in Anspruch nehmen wie die Errichtung des Bühnenservicebetriebes, der – umfassender als die Wiener ART FOR ART – durch die Zusammenfassung von Werkstätten, Logistik, Marketing und Verwaltung die Synergien erzielen soll, ohne die sich das Stiftungsmodell nicht rechnet.

Das Stiftungsgesetz ist eine große Chance, aber zunächst nur ein Gerüst. Um überhaupt mit der Arbeit beginnen zu können, muss sich die Stiftung eine Satzung geben, muss sie den ersten fünfjährigen Zuwendungsvertrag mit dem Land abschließen, der auch die tarifpolitischen Positionen aufzeigen wird. Und sie braucht einen Intendanten für die Deutsche Oper sowie einen Stiftungsdirektor, dessen Auswahl sein Anforderungsprofil verraten wird.

Kein Wunder, dass die Fülle der offenen Fragen auch zu Verunsicherungen bei den Beschäftigten geführt hat. Dass einige prophylaktischen Widerspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Stiftung mit der Begründung eingelegt haben, diese sei nicht Mitglied des Deutschen Bühnenvereins, obschon das Gegenteil seit langem bekannt war, zeigt, dass Verunsicherung auch in Verwirrung umschlagen kann.

Ihr Stefan Meuschel

 

 

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