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„Modelle“ und „Reformen“, gar „modellhafte
Reformen“ – die Begriffe sind nichtssagend und billig
wie Fliegenschiss geworden. Statt vorbildhafter Erneuerung –
meist auf den letzten Drücker begonnene Flickschusterei, um
ein Desaster zu verhindern, das unvorhersehbar wie Weihnachten oder
Ostern auszubrechen droht.
Die zum 1. Januar 2004 durch Landesgesetz installierte „Stiftung
Oper in Berlin“ kam zwar auch sehr spät, sozusagen auch
„auf den letzten Drücker“, birgt aber dennoch die
Chance, eine modellhafte Reform zu werden.
Schon die ersten, unmittelbaren Folgen des Stiftungsgesetzes sind
für das kulturelle Selbstbewusstsein der Bundeshauptstadt,
für die Rechtssicherheit und für die Arbeitsmöglichkeiten
der drei Opernhäuser und der dort Beschäftigten von kaum
hoch genug anzusetzender Bedeutung. Dem bedrohlichen Gerede von
Schließungen oder Fusionen, die nach den per behördlichen
Federstrichen erfolgten Abwicklungen von Schiller- und Metropol-Theater,
von Freier Volksbühne sowie Chor und Orchester des Theaters
des Westens auch durchaus als bedrohlich betrachtet werden mussten,
ist jetzt der Riegel des Gesetzgebungsvorbehalts vorgeschoben.
Wenn Christina Weiss, die Bundesstaatsministerin für
Kultur, eine Woche vor Verabschiedung des Stiftungsgesetzes die
Lage so einschätzte, dass „noch immer Einzelne nichts
lieber wollen, als die Deutsche Oper zu schließen und trotzdem
das Reformgeld (des Bundes) einzustreichen“, ist zu ermessen,
welche Überzeugungsarbeit Kultursenator Thomas Flierl innerhalb
der Regierungskoalition leisten musste, wie viele Menschen über
eigene oder politische Schatten springen mussten, um das Gesetz,
und sei es durch wohlwollende Stimmenthaltung, zu ermöglichen.
Das „Reformgeld“ besteht aus einer Aufstockung des Hauptstadtkulturvertrages
ab 2004 um 22 Millionen Euro, mit denen der Bund Verantwortung und
Finanzierung zusätzlich für die Akademie der Künste,
für das Filmhaus mit dem Kinematheken-Verbund und für
die Betriebskosten des Hamburger Bahnhofs übernimmt. Die dadurch
eintretende Entlastung des Berliner Kulturhaushaltes ermöglicht
es, dem Etat der Opernstiftung beziehungsweise bis 2009 anteilig
auch dem Struktur- und Abfindungsfonds jährlich 16,4 Millionen
Euro zufließen zu lassen mit der Folge, dass der Opernetat
im Jahr 2009 nicht, wie vom Senat beschlossen, um 33,2 sondern nur
um 16,8 Millionen Euro gesunken sein wird.
Das Stiftungsgesetz – im
vollen Wortlaut abgedruckt auf S. 7 dieser Ausgabe – orientiert
sich an der Struktur der Wiener Bundestheater-Holding GmbH, unter
deren Dach die Burgtheater GmbH, die Wiener Staatsoper GmbH und
die Volksoper Wien GmbH als künstlerisch und wirtschaftlich
eigenständige Betriebe geführt werden und zu der als gemeinsame
Einrichtung die „Theater Service GmbH ART FOR ART“ gehört,
die für Werkstätten, Gebäudetechnik sowie für
gemeinsame Marketing- und Verwaltungsaufgaben zuständig ist.
Im Vergleich der Wiener Holding mit der Berliner Stiftung wird das
in Berlin zusätzlich zu bewältigende Problem sichtbar:
Sind es in Wien drei Theater mit deutlich voneinander abgrenzbaren
Profilen und Aufgaben, so müssen die in der Trägerschaft
der Berliner Stiftung befindlichen drei Opernhäuser –
einschließlich des vierten künstlerischen Betriebes,
des Balletts der Stiftung – entsprechende Verabredungen erst
treffen. Dieser Prozess wird – auch angesichts bereits abgeschlossener
Planungen – selbst bei unterstellter Kooperationswilligkeit
aller Beteiligter ebenso lange Zeit in Anspruch nehmen wie die Errichtung
des Bühnenservicebetriebes, der – umfassender als die
Wiener ART FOR ART – durch die Zusammenfassung von Werkstätten,
Logistik, Marketing und Verwaltung die Synergien erzielen soll,
ohne die sich das Stiftungsmodell nicht rechnet.
Das Stiftungsgesetz ist eine große Chance, aber zunächst
nur ein Gerüst. Um überhaupt mit der Arbeit beginnen zu
können, muss sich die Stiftung eine Satzung geben, muss sie
den ersten fünfjährigen Zuwendungsvertrag mit dem Land
abschließen, der auch die tarifpolitischen Positionen aufzeigen
wird. Und sie braucht einen Intendanten für die Deutsche Oper
sowie einen Stiftungsdirektor, dessen Auswahl sein Anforderungsprofil
verraten wird.
Kein Wunder, dass die Fülle der offenen Fragen auch
zu Verunsicherungen bei den Beschäftigten geführt hat.
Dass einige prophylaktischen Widerspruch gegen den Übergang
ihres Arbeitsverhältnisses auf die Stiftung mit der Begründung
eingelegt haben, diese sei nicht Mitglied des Deutschen Bühnenvereins,
obschon das Gegenteil seit langem bekannt war, zeigt, dass Verunsicherung
auch in Verwirrung umschlagen kann.
Ihr
Stefan Meuschel
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