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Portrait

Gefühle in Bewegung verwandeln

Ein Porträt der Heidelberger Choreografin Irina Pauls · Von Nike Luber

Andere wollen Astronaut werden oder Filmstar – Kindheitsträume eben. Irina Pauls beschloss als Sechsjährige, das zu werden was sie heute ist: Choreografin. Im Ballettratten-Alter kein Gedanke, als Primaballerina über die Bühne zu schweben? Nein, sagt die Direktorin des Heidelberger TanzTheaters entschieden, sie wollte von Anfang an eigene Choreografien entwerfen. Das übte sie schon als kleines Mädchen zusammen mit ihrem Bruder, der heute Schauspieler ist. Zu Hause haben sie Szenen improvisiert, von der Mutter nach Kräften gefördert. Als Grundschülerin lockte Irina die Kinder aus dem Hort zu sich, um mit ihnen die ersten Miniatur-Ballettchen einzuüben.
Da blieb im rigiden Ausbildungssystem der DDR nur der Weg zur Palucca-Schule in Dresden. Auch diesen Weg hat sich Irina Pauls zielstrebig erkämpft, denn ursprünglich war sie zum Violinspiel ausersehen worden. Die Schülerin setzte sich durch. Mit zehn Jahren kam sie an die Palucca-Schule, die nach dem Vorbild sowjetischer Schulen funktionierte. Also unerbittliches Training wie an der Ausbildungsstätte des Kirov-Theaters St. Petersburg, mit dem die Palucca-Schule ein Partnerschaftsvertrag verband. Die große alte Dame der ersten Blütezeit des Tanztheaters, die legendäre Gret Palucca, hat Irina Pauls noch selbst erlebt. Was sie von der Palucca mitgenommen hat? Kreativität, sagt Pauls und erinnert sich, wie die Ballettschülerinnen zu Musik von Schubert und Chopin improvisieren, Gefühle in Tanz ausdrücken sollten. Als Kind hat sie zwar oft nicht verstanden, worauf die damals 75 Jahre alte Dame hinaus wollte. Aber die Fantasie der Schülerin wurde angeregt. Emotionen in Bewegung zu verwandeln ist das Lebensthema der Choreografin Irina Pauls.

   

Choreografin: Irina Pauls. Foto: Theater Heidelberg

 

Ihr Interesse am klassischen „weißen“ Ballett, das heute noch von den Petersburgern, deren Theater jetzt wieder wie zur Zarenzeit Mariinsky heißt, par excellence gepflegt wird, hielt sich immer schon in Grenzen. Einmal hat sie sich mit „Schwanensee“ beschäftigt, in ihrer Zeit als Ballett-Direktorin in Leipzig. Heraus kam „Happy Schwanensee Day“, eine beim Publikum beliebte Persiflage. Die Beanspruchung der Tänzer sei im modernen Tanztheater keineswegs geringer als im klassischen Ballett, sagt Irina Pauls, nur liege die Belastung woanders. Auch die Prioritäten seien im Tanztheater andere, da komme es auf einen anderen Umgang mit Tempo, Dynamik, Beweglichkeit an. Ihre Suche nach neuen Kombinationen und Bewegungsmustern fordert vom Ensemble eine enorme Kondition.

Woher nimmt Irina Pauls nach acht Jahren am Schauspiel Leipzig, Engagements in Altenburg und Oldenburg und jetzt in Heidelberg ihre Inspiration? Schwer zu sagen – alles, was ihr begegnet, kann ein Stück werden, erklärt sie. Das kann etwas ganz Alltägliches sein, eine Zeitungsnachricht, ein Wort, eine Musik, die in ihr Assoziationen frei setzt. Dann stellt sich die Frage: Wie fühlt es sich an? Nicht immer kommen Bewegungsideen dazu. Ihr neuestes Projekt entstand aus einem Untersetzer aus Filz, den sie in einem Geschäft sah. Die Choreografin recherchierte, sichtete Kataloge und Ausstellungen, und in ihrem Kopf fand sich ein ganzes „Meer an Ideen“. Während der Proben muss der rote Faden halten. Offen schildert Pauls, dass dieser rote Faden manchmal eben auch reißt. Dann muss eine Produktion mit den Künstlertugenden Disziplin und Fleiß durchgezogen werden. Doch der schlimmste Fall tritt ein, wenn das Stück fertig ist und sie eine Woche vor der Premiere plötzlich eine innere Distanz zu ihm spürt, obwohl auf der Bühne alles in Ordnung ist.
Uraufführungen – die Arbeit von Irina Pauls besteht aus nichts anderem – sind immer spannend. Wie wird das Publikum reagieren? In Leipzig brachte sie das „Weihnachtsoratorium“ auf die Bühne im Stil einer Christmette, mit einem tanzenden Pfarrer, umherwandernden Choristen, inszenierten Familienkrächen. Im Publikum herrschte Totenstille, die Choreografin stand Qualen aus. Bis die Krippe wie vorgesehen zusammenbrach und mit ihr der Bann. Von diesem Moment an waren die Zuschauer begeistert und zeigten das auch. Diese Kommunikation mit dem Publikum ist für sie und die Tänzer wichtig, variiert aber stark von Ort zu Ort. Die Oldenburger waren wesentlich kühler und reservierter als die Leipziger, erinnert sich Pauls. Und in Heidelberg wird das Tanztheater vom Bildungsbürgertum getragen, das sie als wesentlich aufgeschlossener erlebt als die Studenten.

Am meisten vermisst Irina Pauls den musikalischen Partner, der ihr in Leipzig zur Seite stand. Dabei ist die Choreografin keineswegs festgelegt, sie verwendete mittelalterliche Stücke für ihren „Jedermann“, romantische Lieder für „Bald gras ich am Neckar“ und trägt sich seit Jahren mit der „Winterreise“ als Keimzelle einer Idee. Da ist ihr nun John Neumeier zuvorgekommen, aber jetzt ist ohnehin die Arbeit an „Sie lassen sich nicht beirren in ihrer Einsamkeit“ wichtiger (Uraufführung: 15. Februar 2002). Für dieses Stück, in dem das Material Filz eine wichtige Rolle spielt, wollte sie eine kleine Besetzung „aus der zweiten Reihe“. Ein Bratscher und ein Posaunist werden das neueste Stück Tanztheater aus ihrer Werkstatt begleiten mit moderner Musik, „Sequenzen“ von Berio. In veränderter Form, denn im Gegensatz zu Musikern fühlt sich Irina Pauls nicht an Werktreue gebunden und geht mit der Musik so kreativ um wie mit ihren Choreografien. Das eigene Programm muss natürlich Abwechslung bieten, dessen ist sich die Leiterin des TanzTheaters bewusst, wenn sie feststellt, dass man sich nicht einfach nur der eigenen Kreativität hingeben kann.

Nike Luber

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