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Freiwillig, aber notwendig
Über die Musikschulen in Deutschland · Von Ulrich Wüster
Die Musikschulen sind die Basis unseres Musiklebens. Sagt Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang
Tiefensee. Ohne die Musikschulen, ohne die breite musikalische Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen
hätte unsere einzigartige Musikkultur vielleicht noch eine Gegenwart, aber keine Zukunft. Dann sehr
ernsthaft der Zusatz: Ich selbst bin Kind der Leipziger Musikschule, sie hat mich ganz entscheidend geprägt.
Öffentliche Musikschulen sind heute die wichtigsten Einrichtungen der musikalischen Bildung in Deutschland.
Die etwa 1.000 Musikschulen sind mit über 35.000 Lehrkräften ein interessanter Arbeitgeber für
Musikpädagogen und mit zuletzt über 1,3 Milliarden Mark Haushaltsvolumen auch ein Wirtschaftsfaktor.
Über eine Million überwiegend junge Menschen nutzen aktuell ihre Angebote, der ungebremste Andrang
schlägt sich in Wartelisten nieder. Und das, obwohl die Musikschule eine Freizeit-Schule ist,
eine Angebotsschule im außerschulischen Bereich. Den bedauerlicherweise schwindenden Musikunterricht an
den allgemein bildenden Schulen kann und soll sie nicht ersetzen. Aber Erwartungen, dass Musizieren einen positiven
Einfluss auf die Persönlichkeit hat und ein lebensbereichernder Wert an sich ist, richten sich heute auf
die Musikschule.
Musikschulen sind öffentliche Bildungseinrichtungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
Ihre Aufgaben sind die musikalische Grundbildung, die Befähigung zum aktiven Musizieren, die Begabtenfindung
und Begabtenförderung sowie gegebenenfalls die Vorbereitung auf ein Musikstudium. So steht es im
Strukturplan für Musikschulen des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM), dem verbindlichen
Grundkonzept jeder Musikschule. Auf jeden Fall braucht es qualifizierte Musikschullehrkräfte mit Diplomstudium,
die sich mit ihrer Arbeit identifizieren und sich über die Maßen eines Normalarbeitsplatzes hinaus
engagieren.
Das Regelangebot beginnt mit der Musikalischen Früherziehung für Vier- bis Sechs-Jährige,
weil Kinder in diesem Alter optimal zu musikalisieren sind. Hier werden durch Singen, Tanzen, elementares Instrumentalspiel,
aktives Hören und handgreifliche Instrumentenkunde Kanäle geöffnet, Kräfte geweckt
und Weichen für eine musikalische Entwicklung gestellt. Für etwas ältere Kinder gibt es die Musikalische
Grundausbildung. Alljährlich finden rund 100.000 neue Kinder auf diesem Weg einen lebendigen Zugang
zur Musik. Neuerdings erfreuen sich Kurse großer Beliebtheit, in denen Eltern mit Kleinstkindern ab sechs
Monaten praktische Tipps zur musikalischen Beschäftigung mit dem Nachwuchs bekommen. Orientierungsangebote
wie das Instrumentenkarussell helfen beim Übergang von der Grundstufe in den Instrumentalunterricht.
Heute können Kinder schon früh auch mit zum Teil verkleinerten Orchesterinstrumenten
beginnen. Übrigens zeigt der Zustrom von immer mehr Erwachsenen (heute etwa zehn Prozent der Musikschüler),
dass pädagogische Kompetenz auch für sie vorhanden ist. Während der Anfang zumeist in kleinen
Gruppen gemacht wird, ist später der Einzelunterricht die geeignete Lernform. Zum Grundkonzept der Musikschulen
gehört es, dass das Erlernte auch im Zusammenspiel eingesetzt wird: In den zahlreichen Ensemblefächern
wird das Musizieren im Spielkreis, im Orchester, in der Gruppe, im Chor erlernt und praktiziert. Hier besteht
auch eine attraktive Möglichkeit des öffentlichen Auftritts ein Motivationsfaktor besonderer
Art.
Musikschulen versuchen, Bedürfnissen und Vermögen ihrer Schüler gerecht zu werden: Nicht jeder
wird die Bachsonate erreichen, im klassischen Virtuosen sein Ziel sehen. Aber auf jedem Niveau, in jeder Stilistik,
auf jedem Instrument und mit der Stimme qualitätsvoll, erlebnisorientiert und musikverständig zu musizieren
das muss in jedem Fall gelingen. Musikschulen bilden vom Anfänger bis zum anspruchsvollen Amateur-
und Hobbymusiker aus, wecken Freude an der Leistung und entwickeln Begabungen. Die Studienvorbereitende Ausbildung
ist ein Intensivunterricht für besonders begabte Schüler, von denen jährlich etwa 800 an die
Musikhochschulen gehen, um dort ein Musikstudium aufzunehmen.
Groß ist die Palette an Ergänzungsfächern, Kursen und Projekten, mit denen Musikschulen ihr
Profil gestalten und örtliches Kulturleben beleben: von der Rhythmik über Tanz bis gar zum Ballett,
von der Trommelgruppe über Bandcoaching bis zur Musical-Ausbildung hier und da, vom Kinderchor über
Jugend- und gemischte Chöre bis zum Vokalensemble, vom Märchenspiel im Kindergarten bis hin zum Chorkonzert
und zur Musiktheaterproduktion.
Was Josef Deimer noch als Präsident des Bayerischen Städtetages formulierte, gilt daher als kommunalpolitisches
Credo vielerorts auch bewusst gegen den misslichen Umstand, dass Musikschulen als freiwillige Aufgaben
einer Kommune gelten und beim öffentlichen Sparzwang von Reduzierung und Schließung bedroht sind:
Eine Stadt, die etwas auf sich hält, muss eine Musikschule haben.
Ulrich
Wüster
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