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Aktuelle Ausgabe

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Zur Situation deutscher Theater und Orchester
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Portrait
Die sängerische Kreativität fördern
Michael Betzner-Brandt und sein „Ich kann nicht singen“-Chor
Neue Wege in der Chor-Arbeit
Ein Porträt des Chorleiters Simon Halsey
Meine Güte, ist das hart hier!
Zentrum Hellerau und sein künstlerischer Leiter


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Der Choreograf John Neumeier
Endlich in Bayern angekommen
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Alles, was Recht ist

Nochmals: Urteil des BAG zur Abgrenzung vergütungspflichtiger Solo-Leistungen

Über das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG), in dem es einen Sondervergütungsanspruch für Chormitglieder für die Mitwirkung in den Duetten und Quartetten in Mozarts „Idomeneo“ sowie Edmund Nicks Lyrischer Suite „Leben in unserer Zeit“ verneint hat, ist bereits berichtet worden. Da dieses Urteil, wenn es nur vom Ergebnis her interpretiert wird, leicht zu Missverständnissen führen kann, erfolgt an dieser Stelle eine Zusammenfassung und Bewertung der wesentlichen Urteilsgründe.
Die primäre rechtliche Grundlage des Urteils ist nicht eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den streitigen Vorschriften der §§ 71 und 79 des NV Bühne, sondern eine prozessuale Betrachtung, und dies in zweierlei Hinsicht:

Zum Einen wird – und das ist im Prinzip unangreifbar – auf den revisionsrechtlichen Charakter des so genannten Aufhebungsverfahrens, also des Verfahrens der Überprüfung letztinstanzlicher Schiedssprüche durch die staatliche Gerichtsbarkeit hingewiesen. Das heißt, dass diese Schiedssprüche nicht in der Weise voll umfänglich auf ihre Richtigkeit überprüft werden können, dass die staatlichen Gerichte – egal in welcher Instanz – eine eigene Wertung an die Stelle der schiedsgerichtlichen setzen, sondern diese nur auf fehlerhafte Rechtsanwendung bzw. die Verletzung von Verfahrensvorschriften überprüfen können. Folglich hat das BAG wie schon die arbeitsgerichtlichen Vorinstanzen keine eigenständige rechtliche Bewertung des streitbefangenen Sachverhalts vorgenommen. Dies ist für die Bewertung der Tragweite des Urteils von eminenter Bedeutung.

Zum Anderen sieht das BAG die staatliche Gerichtsbarkeit – und dies ist jedenfalls im konkreten Fall aus Sicht der VdO höchst problematisch – durch das in Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerte Grundrecht der Kunstfreiheit gebunden. Dieser Ansatz wäre dann nachvollziehbar, wenn unmittelbar Art und Umfang der Mitwirkung an der Erbringung einer künstlerischen Leistung und somit die Möglichkeit des Theaters als Grundrechtsträger, eine bestimmte künstlerische Idee umzusetzen, in Frage stünden. Dies war in dem vorliegenden Rechtsstreit aber nicht der Fall; die Mitwirkungspflicht der Kläger/innen ist auch von deren Seite zu keinem Zeitpunkt unter irgendeinem Aspekt in Frage gestellt worden. Vielmehr ging es ausschließlich um die Frage der Vergütung künstlerischer Leistungen; diese aber liegt – jedenfalls mit Blick auf den zahlungspflichtigen Arbeitgeber – außerhalb des grundrechtlich geschützten Bereichs. Noch problematischer ist es, dass das Grundrecht der Kunstfreiheit nicht etwa dem beklagten Arbeitgeber als künstlerisch Handelndem, sondern dem Bühnenoberschiedsgericht zugesprochen wurde.

Wie vorstehend dargestellt, beschränkt sich die inhaltliche Betrachtung des BAG ausschließlich auf die Frage, ob das Bühnenoberschiedsgericht (BOSchG) Normen falsch angewandt hat. Bezüglich der in Frage stehenden auslegungsbedürftigen sogenannten „unbestimmten Rechtsbegriffe“ wie dem der „kurzen solistischen Gesangsleistung“ oder der „kleineren Rolle oder Partie“ bedeutet dies, dass das schiedsrichterliche Ermessen nur auf einen die Grenze zur Willkür überschreitenden Fehlgebrauch überprüft worden ist; jede rational herleitbare Wertung hingegen wird nicht in Frage gestellt.

Derart krasse Fehler hat das Bundesarbeitsgericht in der Anwendung der §§ 71 Abs. 2 und 3 sowie 79 Abs. 2 und 3 des NV Bühne durch das BOSchG unter bewusster Ausklammerung sowohl der allgemeinen Theaterpraxis als auch der Tarifgeschichte nicht feststellen können. Andererseits lässt es erkennen, dass auch die Sicht der Kläger/innen sowie des erstinstanzlichen Bühnenschiedsgerichts, das den Anspruch dem Grunde nach anerkannt hatte, eine fehlerfreie Subsumtion, d. h. Bewertung des Sachverhaltes im Lichte der einschlägigen Normen, darstellen kann. Dies führt geradezu zwangsläufig dazu, dass dem Urteil bzw. dem Schiedsspruch im Ergebnis keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung entnommen werden kann.
Dennoch enthält das Urteil einige wichtige Aussagen, die für die zukünftige Auslegung der §§ 71 und 79 NV Bühne von Bedeutung sind:

Nicht schon das bloße alleinige Singen führt zur Annahme eines solistischen Heraustretens aus der Chorleistung. Damit tritt das BAG der Argumentation entgegen, dass im Gegenschluss aus § 71 Abs. 2 lit. f) NV Bühne alleiniges Singen in einer Stimmgruppe keine mitwirkungspflichtige Chorgesangsleistung darstellt, wenn dies nicht auf den unvorhergesehenen Ausfall anderer Stimmgruppenmitglieder zurückzuführen ist.

Für die Abgrenzung einer kleineren Rolle oder Partie von einer kurzen solistischen Gesangsleistung kommt es weder allein auf den Umfang der solistischen Leistung noch auf die szenisch-musikalische Realisierung allein, sondern auf eine übergreifende Bewertung sowohl quantitativer als auch qualitativer Aspekte im jeweiligen Einzelfall an.
Die formelle Bezeichnung der zu erbringenden Leistung im Libretto, der Partitur oder der Sekundärliteratur ist nicht ausschlaggebend, sondern die Gesamtbewertung der Gesangsleistung im Rahmen der konkreten Inszenierung.

Das Annehmen einer anderen Individualität gegenüber dem Chor ist keine Voraussetzung für die Annahme einer kleineren Rolle oder Partie.

Darauf, dass bei der durch das BOSchG vorgenommenen Wertung zwangsläufig irgendwo eine Regelungslücke auftreten muss, nämlich dann, wenn eine eindeutig nicht mehr kurze Sprech- oder Gesangsleistung dennoch keine kleinere Rolle oder Partie darstellt, geht das BAG leider nicht abschließend ein. Hier besteht nach wie vor dringender tarifvertraglicher Regelungsbedarf – und zwar auch aus Arbeitgebersicht, denn hier stünde dann auch die Mitwirkungspflicht unmittelbar in Frage. Es ist zu wünschen, dass sich die Tarifparteien dieser Aufgabe stellen, denn dies würde zu mehr Rechtsfrieden, mehr Rechtssicherheit und einer sachgerechteren Lösung führen als die anderenfalls zu erwartende Flut schiedsgerichtlicher Verfahren zur Konkretisierung der (allzu vielen) durch das Urteil offen gelassenen Fragen.

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