Am 7. Mai diesen Jahres wurde ein exotisches Pflänzchen der
deutschen Fernsehlandschaft sang- und klanglos untergepflügt:
der ZDF-Theaterkanal, der in gefällig-seichter Aufmachung
die „Hochkultur“ in Form von Theater und („klassischer“)
Musik in die Wohnzimmer transportierte, die auszustrahlen die großen
Sender sich längst nicht mehr trauten. Ins Leben gerufen wurde
er vor rund 10 Jahren, als die ersten Digitalkanäle auf Sendung
gingen, im Rahmen einer Frequenzbesetzungsstrategie der öffentlich-rechtlichen
Sender. Doch nun, wo die Digitalkanäle nicht mehr faktisch
unter Ausschluß der Öffentlichkeit dahindämmern,
ist für etwas vermeintlich so Elitäres wie einen Theaterkanal
kein Platz mehr.
Der Pflug, der diesem Pflänzchen den Garaus machte,
stand allerdings schon bereit, lange bevor es zu keimen begann.
Es ist
die fundamentale Fehlentscheidung, die das bis dahin monopolistische öffentlich-rechtliche
System traf, als Mitte der 80er Jahre die ersten kommerziellen
Fernsehsender den Betrieb aufnahmen: man positionierte sich zu
ihnen ängstlich-aggressiv als Konkurrenz, statt sie selbstbewußt
als Ergänzung und Entlastung bei der Erfüllung des eigenen öffentlich-rechtlichen
Programmauftrags zu sehen. Es begann der unselige Wettlauf um die
Einschaltquote – und das um jeden Preis, auch den eines nicht
absehbaren gesellschaftlichen Schadens. So mußte, obwohl
Jahr für Jahr mehr als 30 Millionen Besucher die Theater in
Deutschland bevölkern, (nicht nur) das Theater zunächst
aus der „primetime“, dann schließlich völlig
aus dem Angebot der Mainstream-Sender von ARD und ZDF verschwinden
und bekam dafür – immerhin – den Theaterkanal,
wenngleich mit bescheidenster Finanzausstattung. Doch da – entgegen der demographischen Entwicklung – die
primäre Wunschzielgruppe auch des ZDF die Jugend ist, wurde
nach der Verdrängung des ZDF-Dokukanals durch zdf.neo nun
auch der Theaterkanal ersetzt, und zwar, wohl um den Schein zu
wahren, durch ein Programm mit dem irreführenden Namen zdf.kultur – besser
wäre allerdings die Schreibweise „cool tour“.
Denn was man hier findet, ist, auf die These gebaut, es gebe keinen
Unterschied mehr zwischen Pop- und Hochkultur, ein auf Biegen und
Brechen auf Jugendlichkeit getrimmtes wildes Sammelsurium unterschiedlichster
Inhalte und Qualitätsniveaus. Hier trifft – eingebettet
in einen geradezu unendlichen Lärmteppich von Popmusik – Samuel
Beckett ungebremst auf Wettsaufgelage Jugendlicher auf dem Campingplatz à la
RTL II. Ob allerdings diejenigen, die sich letzteres reinziehen,
dadurch zu ersterem finden, muß bezweifelt werden. Und ob
dann Senderbindung entsteht, auch.
Dreh- und Angelpunkt des Senders ist ein inhaltsarmes Blödelmagazin
namens „Der Marker“, selbstbewußt (oder größenwahnsinnig?)
mit „Popkulturellem aus der analogen und der digitalen Alltagswelt“ von
20.00 bis 20.15 Uhr gegen die „Tagesschau“ programmiert.
Ohnehin scheint gequälte Witzigkeit um jeden Preis oberstes
Gebot aller Formate zu sein – die Folge ist frühzeitige
Ermüdung.
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Dieser
Kanal enthält durchaus auch einige erfrischende Formate sowie
hochwertige Inhalte, und an der Spritzigkeit der Präsentation
könnten sich die Hauptprogramm-Schlachtschiffe „aspekte“ und „ttt“ zumindest
teilweise ein Beispiel nehmen. Aber insgesamt läßt dieser
Versuch der Quadratur des Kreises doch befürchten, daß hier
die Alten und Mittelalten vergrault werden, ohne daß die
Jungen kommen.
Denn wenn es darum geht, Inhaltslosigkeit durch möglichst
dumme Shows oder Daily Soaps in die Gehirne einer zugegebenermaßen
höchst unterhaltungsorientierten Zukunftsgeneration einzubrennen:
Das können RTL, Pro 7 & Co. – mit Programm und Formaten
gefüttert von der US-Entertainmnent-Industrie – immer
noch ein Stück besser. Die Herausforderung, hierzu ein intelligentes
Gegengewicht – „Infotainment“ im eigentlichen
Sinne des Wortes – zu entwickeln, erscheint den ZDF-Verantwortlichen
aber offenbar zu hoch gehängt. Und so wird der Flickenteppich
der als jugendaffin deklarierten Programme – nach KiKa und
zdf.neo – um einen weiteren Anlauf erweitert, ohne inhaltlich
bereichert zu werden.
Ob ARD und ZDF (und mit ihnen die leider notwendige Politik)
irgendwann doch noch über ihren Schatten springen und die Kanäle,
die ihnen zur Verfügung stehen, für ein gemeinsames Spartenkonzept
nutzen, bei dem jeder Zuschauer zuverlässig und unkompliziert
das findet, was ihn gerade interessiert? Erste Ansätze dazu
gibt es ja schon in Form von Kika und Phoenix. Das wäre ein überzeugender
Schritt im Sinne der Qualität, der Zuschauer und der Tragfähigkeit
des dualen Systems – und in Richtung der vorausschauenden
Formierung für die unweigerlich anbrechende Zeit, in der das
Internet mit seinen „on-demand“-Services das traditionelle
Fernsehen aus seiner zentralen Position verdrängen wird. Tobias Könemann
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