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Portrait

Klein, stimmkräftig und spielfreudig

Der Bonner Opernchor wird 75 · Ein Porträt von Brigitte Jung

Der Bonner Opernchor, mit 38 festen Stellen der kleinste unter den 1-a-Chören Deutschlands, feiert in dieser Spielzeit das 75-jährige Jubiläum seines Bestehens. Im Zuge der Erweiterung des Bonner Theaters zum Drei-Sparten-Haus wurde im Jahr 1935 ein eigener kleiner Opernchor gegründet. Vom nur 16 Stellen umfassenden kleinen Stadttheaterchor der 30er- und der Nachkriegsjahre vergrößerte sich das Ensemble in den Folgejahren parallel zur künstlerischen Entwicklung des Beethoven Orchesters. Mitte der 80er-Jahre gehörten dem „Opernchor der Bundeshauptstadt Bonn“ 42 Sänger und Sängerinnen an.

Kürzungen und kein Ende

Massive Sparmaßnahmen nach dem Umzug der Bundesregierung und dem Ablauf des Bonn-Vertrages mit dem Bund führten in den letzten Jahren auch zum Personalabbau beim Opernchor. Seit der Spielzeit 2008/2009 sind es nur noch 38 feste Stellen. Weitere Stelleneinsparungen sind in naher Zukunft zu befürchten, sogar die komplette Schließung der Sparte Oper als Sanierungslösung des maroden Bonner Stadthaushaltes stand bereits im Fokus aktueller kulturpolitischer Diskussionen.

 

Hohe Anforderungen an den Chor in Hindemiths „Cardillac“ (oben rechts) und Moritz Eggerts „Freaks“ (unten links). Fotos: Theater Bonn
Hohe Anforderungen an den Chor in Hindemiths „Cardillac“ (oben rechts) und Moritz Eggerts „Freaks“ (unten links). Fotos: Theater Bonn

 

Hohe Anforderungen an den Chor in Hindemiths „Cardillac“ (oben rechts) und Moritz Eggerts „Freaks“ (unten links). Fotos: Theater Bonn

 

Dass die Feierlaune angesichts dieser dunk-len Wolken am Opernhimmel beim Chor momentan etwas getrübt ist, mag nachvollziehbar sein. Dabei hatte die Jubiläumssaison musikalisch so fulminant mit der Neuinszenierung der Oper „Turandot“ begonnen.

Im November 2010 erschien die große, reich bebilderte Festschrift „75 Jahre Bonner Opernchor“, die in der Redaktion einiger Opernchormitglieder entstand. Die Geschichte des Chors wird durch Zeitzeugenberichte und historische Fotos illustriert. Neben verschiedenen interessanten Artikeln über den Beruf des Opernchorsängers enthält sie auch Grußworte prominenter Wegbegleiter sowie vieler namhafter Dirigenten und Regisseure, die von der gemeinsamen Arbeit mit dem Chor berichten.

Ein Geschenk des Hauses an alle Opernchorfans war das große Jubiläumschorkonzert mit dem Beethoven Orchester Bonn im Dezember 2010 unter der Schirmherrschaft von Kammersängerin Edda Moser. Der Opernchor präsentierte unter dem Dirigat von Chor-
direktorin Sibylle Wagner, die den Chor seit 1997 leitet, alle Highlights der vergangenen Jahrzehnte. Weiterer Höhepunkt des Jubiläumsjahres ist Mitte Mai ein Abend mit Kompositionen und A-cappella-Chören von Clara und Robert Schumann sowie den „Liebesliederwalzern“ von Johannes Brahms.

Neben „Turandot“ und „Carmen“ steht in dieser Spielzeit als Neuinszenierung auch die selten gespielte Oper „Irrelohe“ von Franz Schreker auf dem Spielplan. Die Premiere im November 2010 wurde als Live-Mitschnitt auf einer CD veröffentlicht. Auch die Oper „Der Golem“ von Eugene D‘Albert mit dem Beethoven Orchester Bonn wurde unter Leitung von GMD Stefan Blunier live eingespielt. Weitere empfehlenswerte CD-Rarität mit dem Bonner Opernchor ist die Oper „Il Guarany“ des Komponisten Antonio Carlos Gomes; 1995 wurde sie mit Placido Domingo in der Hauptrolle in der Bonner Oper an fünf Abenden live eingespielt.

Etwa 110 Vorstellungen pro Spielzeit singen die Mitglieder des Bonner Opernchors. Geteilte Dienste sind wegen der geringen Größe des Ensembles nur in Ausnahmefällen möglich, wie zum Beispiel in dieser Spielzeit bei der Wiederaufnahme von „Don Giovanni“. Pro Jahr werden sechs bis sieben Neuinszenierungen erarbeitet und bis zu drei Produktionen wiederaufgenommen. Bei gro-ßen Opern wird der Chor durch einen für die jeweilige Produktion zusammengestellten Extrachor verstärkt. Das Repertoire reicht quer durch alle Genres, Epochen und Stile: von Adam bis Ziehrer, von Vivaldi bis Verdi, von Händel bis Henze, von Gluck bis Glass.

 
Der Bonner Opernchor vor der Rhein-Kulisse. Foto: Thilo Beu
 

Der Bonner Opernchor vor der Rhein-Kulisse. Foto: Thilo Beu

 

Große Erfolge feierte der Chor in den Jahren 2001 bis 2005 mit den von Regisseur Dietrich Hilsdorf szenisch umgesetzten Händel-Oratorien „Saul“, „Belsazar“ und „Jephtha“ unter der Leitung des Dirigenten Jos van Veldhoven. Zeitgleich zu „Belsazar“ arbeitete der Chor damals an der Oper „Satyagraha“ von Philip Glass: Händels wuchtige Chorfugen als Kontrastprogramm zu in Sanskrit gesungener Minimalmusik.

Das Auswendiglernen der „Satyagraha“-Textverse war für die Chorsänger eine echte Herausforderung. Die musikalische und szenische Umsetzung mit Dirigent Ulrich Windfuhr und Regisseur Silviu Purcarete war ein Höhepunkt in der Chor-Geschichte.
Gute Aussprache bei fremdsprachigen Opern ist übrigens ein Markenzeichen des Bonner Opernchors. In den letzten Jahren wurde sehr viel Repertoire in russischer Sprache erarbeitet. Dem Chor gehören Mitglieder aus zwölf Nationen mit elf unterschiedlichen Muttersprachen an. Kompetentes Sprach-Coaching auch aus dem Kollegenkreis verhalf dem Chor zu perfektem Polnisch in Karol Szymanowskis „Król Roger“ in der Spielzeit 2008/2009. Und „Rusalka“ auf Tschechisch war für den Chor bei der Premiere im April 2011 eine Kleinigkeit.

Neue Musik und Rockgesang

Auch den besonderen Anforderungen des neuen experimentellen Musiktheaters stellt sich der Bonner Opernchor bewusst. Erfordert es das künstlerische Gesamtkonzept, werden aus Chorsängern auch schon einmal singende Roboter. Allerdings: Seitenlang nur zweigestrichenes g zu singen, wird für den Sopran irgendwann langweilig, und auch die Bässe möchten nicht die halbe Oper lang in Tieftonzonen à la Sarastro verweilen.

Mehr Spaß bereitete den Damen des Chors in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mit der hauseigenen Rockband des Bonner Schauspiels, „The Mann Mann Mann Manns“, oder 2001/2002 das Bader-Meinhof-Stück „Alzheimer“ des Komponisten FM Einheit mit der Band „Einstürzende Neubauten“. Klassische Klangfülle durfte der Chor bei der Uraufführung der Oper „Freaks“ von Moritz Eggert in der Spielzeit 2007/2008 präsentieren.

Dass Individualität und Homogenität nicht im Widerspruch stehen, beweist die Bonner Chorgemeinschaft immer wieder aufs Neue. Alle 38 Mitglieder des Chors haben in den letzten Jahren solistische oder chorsolistische Aufgaben übernommen. Für ein A-Haus werden sehr viele kleine und mittlere Partien mit Kräften aus dem Chor besetzt. Das Ensemble diente auch immer wieder jungen Sängern als Karrieresprungbrett, viele Solisten sind daraus hervorgegangen.

 
Festschrift zum 75. Geburtstag (für 3 Euro zzgl. Porto beim Opernchor Bonn erhältlich)
 

Festschrift zum 75. Geburtstag (für 3 Euro zzgl. Porto beim Opernchor Bonn erhältlich)

 

Wer sich für eine Stelle im Bonner Opernchor bewirbt, muss zwar als Pflichtstück keine Chorstellen aus der „Neunten“ von Beethoven vorbereiten. Als Opernchormitglied in Beethovens Geburtsstadt wird er allerdings regelmäßig bei Aufführungen der neunten Sinfonie singen. Neben den diversen saisonalen Verpflichtungen im Opernhaus – wie Auftakt-, Neujahrs- und Kehrauskonzerten – ist der Chor auch regelmäßig Gast beim Internationalen Beethovenfest Bonn. Im September 2009 wirkte er bei der Aufführung von Gus-tav Mahlers achter Symphonie („Symphonie der Tausend“) mit. Zu Ostern 2009 sang der Opernchor unter Leitung von Nello Santi das Verdi-Requiem in der Beethovenhalle und der Herrenchor wirkte zudem bei Busonis Konzert für Klavier, Männerchor und Orchester in der Kölner Philharmonie mit.

Regisseure und Choreografen sind immer wieder von der Spielfreude und dem Bewegungstalent des Bonner Chorensembles begeistert. Egal ob Charleston in der „Herzogin von Chicago“, ein flotter Schuhplattler in Rameaus „Dardanus“ oder der locker aus der Hüfte swingende „Einzug der Gäste“ im „Tannhäuser“, die rheinische Lebensfreude scheint diesem Ensemble in den Beinen zu stecken. Die 38 Sänger-Darsteller freuen sich immer, wenn sie individuelle Rollen spielen dürfen und nicht nur als Masse inszeniert sind.

Brigitte Jung ist Mitglied des Bonner Opernchors.

 

 

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