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Entartete Musik
Amaury du Closel: Erstickte Stimmen. „Entartete Musik“ im
Dritten Reich, Böhlau Verlag Wien/Köln/Weimar 2010, 506
S., 39,00 Euro
Der Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 in München
ließ das NS-Regime ein Jahr später die Ausstellung „Entartete
Musik“ in Düsseldorf folgen. Gezeigt wurde alles, was
den Machthabern als „undeutsch“, „krank“ und „dekadent“ galt.
Am Pranger standen selbstverständlich Schönberg, Hindemith,
Alban Berg, Kurt Weill und Franz Schreker, aber auch viele andere
wie etwa Erich Korngold oder Oscar Straus.
Amaury du Closel hat seine Arbeit in drei Abschnitte unterteilt.
Zu Beginn schildert er, was an Polemik und Aggressivität schon
lange vor 1933 vorhanden war. Da war die Ablehnung der musikalischen
Moderne schlechthin, die Ablehnung von Jazz („Negermusik“),
die Polemik gegen einen schwammig definierten „Kulturbolschewismus“.
1933 war letztlich alles schon vorgedacht, es musste dann nur noch „praktisch“ umgesetzt
werden. Du Closel schildert ausführlich die „Säuberungen“ des
deutschen Musiklebens, die mit größter Gründlichkeit
erfolgten. Der dritte Teil behandelt zahlreiche Einzelschicksale
sowie die Situation in den wichtigsten Exilländern Frankreich,
Großbritannien und Amerika. Das bedrückendste Kapitel
ist das über Musik in deutschen Konzentrationslagern.
Am Schluss des Buches steht ein ebenso überraschendes wie
bedrückendes Paradoxon: Die Neue Musik nach 1950, wie sie
sich in Darmstadt und Donaueschingen zusammenfand, wollte so radikal
neu sein, dass selbst NS-verfolgte Komponisten unter ein Verdikt
fielen und gleichsam ein zweites Mal geächtet wurden. Seitdem
erfolgte immerhin einige Wiedergutmachung. Aber die meisten vom
NS-Regime als „entartet“ geschmähten Musiker sind
nach wie vor kaum bekannt. Der Autor beklagt, die braunen Machthaber
hätten ihr Ziel erreicht, „nämlich die Auslöschung
einer ganzen Generation von Komponisten und ihrer Werke aus dem
kollektiven Gedächtnis“. Es liegt an uns heute, ob das
das letzte Wort ist!
Dirk Klose
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