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Berichte

Treibstoff für die Liebe

Emil Nikolaus von Rezniceks „Benzin“ in Chemnitz · Von Gerhard Rohde

Was für ein Titel: „Benzin“! Klingt nach modern life. Motoren, Autos, Flugzeuge. Alle brauchen die explosive Flüssigkeit, die ölig aus der Erde quillt. Ende der 1920er-Jahre aber hatte ein Komponist, ein gewisser Emil Nikolaus von Reznicek noch eine andere Idee, wie man den Treibstoff verwenden könnte: als Antrieb für einen Musikbetrieb, in dem Unterhaltung produziert wird. Das Rezept dafür schrieb sich der Komponist selbst. Man nehme – wie gesagt – „Benzin“, setze damit einen Zeppelin in Gang, der bei einem Weltrekordflug wegen Benzinmangels auf einer unbekannten Insel notlanden muss, auf der, oh Wunder, genügend Öl aus der Erde sprudelt, das sich, noch einmal: oh Wunder, sofort in Benzin verwandelt. Der Weiterflug wäre damit gesichert.

 
Gymnastischer Tanz mit Johanna Stojkovic (Mitte) als Gladys und Tänzern. Foto: Wuschanski
 

Gymnastischer Tanz mit Johanna Stojkovic (Mitte) als Gladys und Tänzern. Foto: Wuschanski

 

Bei den Zutaten fehlte es nun nur noch an einer Handlung für die dramatis personae, und da fiel unserem Komponierautor Emil Nikolaus Reznicek nichts Modernes, sondern nur die alte Geschichte ein: Frau quält Männer, weil sie sich vor der Liebe fürchtet, das wiederum reizt die Männerwelt zu vermeintlichen Heldentaten. Zum Rätsellösen zum Beispiel, wie in Giacomo Puccinis „Turandot“. Auch William Shakespeares gezähmte „Widerspenstige“ gehört zum Thema, dessen Ursprung weit zurückreicht: zur Odys-
seus-Circe-Episode in Homers Epos. Calderón de la Barca verfasste dann im siebzehnten Jahrhundert über das Paar die wunderschöne Komödie „Über allem Zauber Liebe“, die früher einmal häufig, heutzutage eher selten auf den Spielplänen unserer Theater erscheint.

Einen kleinen Ersatz für Calderóns Stück bot kürzlich die Oper in Chemnitz. Dort spürte der Dirigent Frank Beermann das anfangs beschriebene „Heiter-phantastische (Benzin-) Spiel mit Musik“ von Emil Nikolaus von Reznicek auf. Odysseus heißt hier Ulysses Eisenhardt und befehligt den Zeppelin. Auf der imaginären Insel trifft er auf Gladys, die Tochter des Milliardärs Jeremias Thunderbolt, die sich, wie ihr antikes Vorbild, als Zauberin aufführt und alle Männer in Tiere verwandelt. Nur an Ulysses, dem Eisenharten, beißt sie sich die Zauberzähne aus. Dabei wäre dieser einer Liebelei nicht abgeneigt, aber, bitte, nicht mit Löwenkopf.Das erotische Duell in mehreren Runden endet nach bewährter Dramaturgie: Der standhafte deutsche Flugkapitän droht am Ende mit der eigenen Erschießung, worauf die Männerbändigerin jeden Widerstand aufgibt: Die Weltrekordreise nimmt einen neuen Kurs – in den siebenten Himmel der Liebe.

Emil Nikolaus von Reznicek, 1860 in Wien als Sohn eines k.-k.-Generals und einer rumänischen Adligen geboren, musste seinen musikalischen Ehrgeiz erst gegen die elterlichen Vorstellungen durchsetzen. Mit der 1894 uraufgeführten Oper „Donna Diana“ errang er einen Welterfolg, von dem heute nur noch die Ouvertüre, gleichsam als Erkennungsmelodie, zeugt. Mit seinen späteren Opern konnte er nicht reüssieren, nur „Spiel oder Ernst“ (1930) reichte an „Donna Diana“ heran. Drei weitere Opern blieben unaufgeführt, darunter auch „Benzin“.

Darf man die Chemnitzer Ausgrabung als Entdeckung feiern? Unser Opernrepertoire quillt nicht gerade über, wenn es sich um das heitere Genre handelt. Jeder neue Titel darf daher als dringend erwünscht gelten. Der Aufwand, den das Chemnitzer Theater für die Uraufführung trieb, war enorm. Sogar das Notenmaterial musste man erst erstellen. Im Programmheft findet sich ein informativer Aufsatz von Michael Wittmann über das Werk, die Zeitumstände, in denen es entstand, und warum es nicht aufgeführt wurde: Zur gleichen Zeit, in der „Benzin“ komponiert wurde, brach der Luftpionier Hugo Eckener mit dem Zeppelin zu einer Weltumrundung auf, an Bord mehrere Journalisten, die für die Zeitungen des Medienzars Hearst berichteten. Dieser hatte sich alle Rechte an der Expedition gesichert. Auch eine Affäre Eckeners mit einer begleitenden Reporterin mag bei einigen Theatern Befürchtungen wegen der Ähnlichkeit der Vorgänge ausgelöst haben.Heute interessiert dies nicht mehr. Rezniceks „Benzin“, eine Mixtur aus kleiner Oper, Operette und Musical gewinnt einen sympathischen Reiz aus dem Atmosphärischen der „Golden Twenties“. Die Modetänze jener Zeit klingen auf, am Strand wird gymnastisch getanzt, im modernen Bauhaus-Appartement Liebesintrige gespielt. Reznicek legt seinen Akteuren sanfte Melodien, virtuose Koloraturen, auch einiges Gesäusel in die Stimme. Johanna Stojkovic als Gladys und Carsten Süss als Ulysses führen sich bei aller Widerborstigkeit als „Filmtraumpaar“ vor, singen mit schönen Lineaments und lockerem Konversationston.

Regisseur Martin Duncan, sein Ausstatter Francis O‘Connor und der vielbeschäftigte Choreograf Nick Winston arrangierten alles flott und routiniert-gekonnt. Frank Beermann und die Robert-Schumann-Philharmonie gaben Rezniceks Musik einen noblen Ausdruck, ohne ganz deren streckenweise leicht anämischen Tonfall immer überspielen zu können. Die Damen und Herren des Opernchores, von Mary Adelyn Kauffman einstudiert, durften sich als Begleitung der „Zauberin Gladys“, als Zeppelin-Besatzung und als Flughafenarbeiter spielfreudig und mit „frischem Gesang“ in dem bunt-bewegten „Benzin“-Reigen tummeln. Wenn zu Beginn die Flughafenarbeiter das Luftschiff an langen Tauen in den Flughafen schleppen, rufen sie fröhlich im Chor immer wieder „Zepp, ahoi!“. Am Ende wechselt man auch zu „Benz ,ahoi!“. Ohne Benz fliegt (besser: flog) kein Zepp. Ohne Benz fährt kein Daimler. No joke about names! Aber Zepp und Benz sind ja Sachen, also erlaubt. Zumal alles andere auch gefällt.

Gerhard Rohde

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