Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


 

Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Bekenntnis zum Ensembletheater
Ulrike Hessler, Intendantin der Semperoper, im Gespräch
Das BIP ist nicht der Maßstab
Gespräch mit der Grünen-Politikerin Agnes Krumwiede über den Tanz
Eine Messe für die Chöre
Der Deutsche Chorverband im Gespräch
Am „deutschen Broadway“
Neue Modelle im Musicalgeschäft

Berichte
Es ist so eine Sache mit der Religion
„ An den Wassern zu Babel“ in Aachen
Brechung und Parodie
„Der Vetter aus Dingsda“ in Bremen
Treibstoff für die Liebe
Emil Nikolaus von Rezniceks „Benzin“ in Chemnitz
Wie aufgeschreckte Hamster
Calixto Bieitos „Fidelio“ in München
„Aurora“ feiert Erfolge in Sevilla
Das Bayerische Staatsballett auf Tournee

VdO-Nachrichten
www.vdoper.de jetzt auch „intern“
Der neue Webauftritt der VdO
Nachrichten
Schmalspurlösung zum NV Bühne – Korrekturen in Berlin – Neuer HTV in Dessau – Überleben in Görlitz – Wir gratulieren
Alles, was Recht ist
Steuerliche Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Übungszimmer – Einsicht in die Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Service
Schlagzeilen
Namen und Fakten
Stellenmarkt
Spielpläne 2010/2011
Festspielvorschau (pdf)

 

Kulturpolitik

Am „deutschen Broadway“

Neue Modelle im Musicalgeschäft · Von Christoph Forsthoff

„Das Ding ist einfach ein Segen!“ Klar, dass Johannes Mock-O’Hara hellauf begeistert ist – was sollte der Deutschlandchef des weltgrößten Musicalveranstalters Stage Entertainment (SE) auch sonst sagen über sein jüngstes Baby, das Musical „Sister Act“, das im Dezember Deutschlandpremiere im Operettenhaus auf der Hamburger Reeperbahn feierte? Immerhin liegt der Geschichte ja auch der gleichnamige Kino-Erfolg mit Whoopi Goldberg aus den 1990er-Jahren zugrunde, zudem hat die US-Schauspielerin als Koproduzentin selbst mitgewirkt an dem Musical um die Nachtklubsängerin Deloris van Cartier, die auf der Flucht vor ihrem Ex-Liebhaber Unterschlupf in einem Kloster sucht – der Finsterling will die Disco-Maus töten, weil sie ihn bei einem Mord beobachtet hat. Statt Goldberg springt und tanzt in der Hansestadt zwar Zodwa Selele durch die grauen Klostermauern und das farbenprächtige Gotteshaus, doch zumindest in puncto Ausstrahlung und (verbaler) Schlagfähigkeit kann es die junge Südafrikanerin mit Goldberg durchaus aufnehmen, lässt sich im Laufe der 150-minütigen Show von dem musikalischen Disco-, Motown- und Gospel-Mix des Orchesters mitreißen und bringt so nicht nur den bis dahin dürftig piepsenden Nonnen-Chor in Glitzerkutten mächtig in Schwung, sondern auch das Publikum auf Touren.

Neues Geschäftsmodell

 
Johannes Mock-O‘Hara. Foto: SE
 

Johannes Mock-O‘Hara. Foto: SE

 

Denn statt himmlischer „Gloria“-Klänge hat Oscarpreisträger Alan Menken poppige Soulstücke für den Chor komponiert, die in die Beine gehen – und auch Mock-O’Hara freudig wippen lassen: „Sister Act“ ist nämlich eine Eigenproduktion der SE, die sonst üblichen 15 Prozent Lizenzgebühren vom Einspielerlös kann sich der Musicalkonzern hier sparen. Was sich trotz Entwicklungskosten für das Stück von fünf bis sechs Millionen Euro bei einem Erfolg der Produktion mittelfristig auszahlen und damit die Gesamtkosten senken könnte. Ein Geschäftsmodell, das künftig ausgebaut werden soll: „Mit ‚Sister Act‘ haben wir nun die erste internationale Produktion als Eigenproduktion“, begeistert sich Mock-O’Hara für das Musical, das nach London und Hamburg im Frühjahr auch am Broadway herauskommen wird. „Das ist die nächste Liga: Titel selbst zu produzieren, die in allen Sprachräumen spielen können. Das ist eine große Chance – und gleichzeitig ist man dadurch in der glücklichen Lage, nicht immer nur Lizenzen zu bezahlen, sondern auch mal für Lizenzen Rechnungen zu schreiben.“

Denn die Ticketumsätze am deutschen Musicalmarkt stagnieren seit einigen Jahren bestenfalls noch – laut einer GfK-Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft – bei steigenden Produktionskosten; auf den beiden größten Musicalmärkten der Welt, am New Yorker Broadway und im Londoner West End, waren die Besucherzahlen 2009 rückläufig. Und auch hierzulande spürt die SE die Schwierigkeiten: In ihrem Essener Colosseum Theater fiel nach fast zehn Jahren und einem Verlust von geschätzten 30 Millionen Euro im Juli der letzte Vorhang, die erhoffte neue Einnahmequelle aus dem Verkauf von Theaternamensrechten an einen Sponsor (wie in Hamburg) ist ein einmaliges Geschäft geblieben – und die für „Sister Act“ im Vorverkauf abgesetzten 70.000 Tickets lagen deutlich unter den 200.000 oder gar 300.000 Karten, die vor Jahren noch in derselben Stadt für Produktionen wie „Ich war noch niemals in New York“ oder „ Dirty Dancing“ verkauft worden waren.

Expansionspläne

Dennoch will die SE über ihre neun Spielstätten in Hamburg, Berlin, Stuttgart und Oberhausen hinaus weitere Musicaltheater eröffnen – mittlerweile allerdings nur noch in Hamburg und München. Während es im Süden indes mangels einer geeigneten Immobilie laut Mock-O’Hara nach wie vor „keine konkreten Pläne“ für einen Standort gibt, soll an der Elbe schon bald mit dem Bau einer vierten Spielstätte für etwa 2.000 Besucher begonnen werden – und zwar im Hafengebiet unmittelbar neben dem Zelt, wo seit neun Jahren die Erfolgsproduktion (fast 7,5 Millionen Besucher) „König der Löwen“ läuft. „Der Bekanntheitsgrad des Standortes ist ein ganz großer Trumpf“, sagt der deutsche SE-Geschäftsführer. „Wir sind fest überzeugt, dass ein viertes Theater in Hamburg Sinn macht und sich für uns auch rechnet. Hamburg ist eine große Touristenstadt geworden mit überregionaler Anziehungskraft – da sehen wir noch viel Potenzial.“

 
„Sister Act“ in Hamburg mit Zodwa Selele. Foto: SE
 

„Sister Act“ in Hamburg mit Zodwa Selele. Foto: SE

 

Ein Potenzial am „deutschen Broadway“, das offenbar auch andere Veranstalter wie BB Promotion sehen oder der ehemalige SE-Chef Maik Klokow, der inzwischen mit der in Düsseldorf ansässigen „Mehr! Entertainment“ selbst drei Musicaltheater betreibt und ein viertes in der Hansestadt eröffnen will. Geschäftssinn – oder doch eher ein aufgesetzter Optimismus? Schließlich ist das Musicalgeschäft „ein sehr, sehr knappes Geschäft“, wie auch Mock-O’Hara zugibt. „Wir wollen unsere Investitionen zurückverdienen und unsere neuen Shows aus Eigenmitteln finanzieren – Ergebnisse abzuliefern, wie sie im Private-Equity-Bereich üblich sind, das ist in diesem Sektor nicht darstellbar.“ Selbst SE-Gründer und Eigentümer Joop van den Ende habe bis heute „nicht einen Cent aus der Firma gezogen – insofern hat er auf seine Investitionen überhaupt keine Rendite bekommen“.

Schwieriger Break Even

Und das dürfte sich für den niederländischen Milliardär so schnell auch nicht ändern: Schlägt doch der geplante Theaterneubau mit 40 bis 50 Millionen Euro zu Buche, für die vorgesehene Produktion (angeblich ein Beatles-Musical) sind weitere 10 bis 20 Millionen Euro fällig – da ist der Break Even frühestens nach drei Jahren erreicht. Solch eine lange Laufzeit aber schafften zuletzt immer weniger Groß-Musicals – und auch bei „Sister Act“ kommen dem Betrachter während der ersten Stunde doch erhebliche Zweifel angesichts der trotz schwungvoller Musik mit wenig Esprit und platten Witzen dahindümpelnden Handlung. Ein Segen, dass hier zumindest keine Lizenzgebühren fällig werden.

Christoph Forsthoff

 

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner