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Mit einer politisch beabsichtigten Unwahrheit begann es: Die Modellversuche
zur Erprobung des privatwirtschaftlich organisierten Rundfunks
seien „jederzeit rückholbar“, hieß es zu
Beginn der 80er-Jahre. Wer da glaubte, Millionen-Investitionen
würden unter dem Risiko eines politisch gewollten „Zurückholens“ getätigt,
musste schon zum Pudern regelmäßig den sprichwörtlichen
Klammerbeutel benutzen. Und günstigstenfalls nur naiv mussten
diejenigen gewesen sein, die auf die vor allem von der CDU und
ihrem Bundeskanzler Helmut Kohl verbreitete Verheißung hereinfielen,
die neuen kommerziellen Hörfunk- und Fernsehprogramme würden
zu mehr Meinungsvielfalt, zu gründlicherer Information, zu
mehr Demokratie, gar zu mehr Bildung und Kultur im Rundfunk beitragen.
Was sich da neben dem gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen
Rundfunk als privatwirtschaftlich-kommerzieller Rundfunk innerhalb
knapp zweier Jahrzehnte zu etablieren begann, war vorhersehbar:
Die Bürger wurden über das System der Finanzierung der
neuen Sender durch Werbung zum zweiten Mal zur Kasse gebeten und
der Kampf der Privaten um hohe Akzeptanz beim Publikum, ausgefochten
mit ranschmeißerischer Massenware, färbte anpasserisch
in vermeintlicher Konkurrenz auf die Öffentlich-rechtlichen
ab. Den Kommerziellen ist dabei zuzugestehen, dass ihre Programmgestaltung
nachvollziehbar ist: Nur mit hoher Einschaltquote, erzielt durch
Schnulze, Schund und Schweinkram, sind die erforderlichen Werbeeinnahmen
zu generieren. Ihnen ist auch zuzugestehen, dass sie sich schrittweise
der Einsicht öffnen mussten, Schrott allein ruiniere den Ruf
und verärgere die Landesmedienanstalten.
Gäbe es da nicht eine weitere politische Unwahrheit, könnte
zur Tagesordnung übergegangen werden – Volksverblödung
ist schließlich kein Ausschließlichkeitsrecht des kommerziellen
Rundfunks. Diese zweite Unwahrheit behauptet die Existenz eines „dualen
Rundfunksystems“ in der Bundesrepublik, was nichts anderes
heißt, als seien die öffentlich-rechtlichen und die
privaten Rundfunkveranstalter einander insoweit ebenbürtig,
als sie beide einen gesellschaftlich-demokratischen und kulturellen
Programmauftrag zu erfüllen hätten. Doch diesen Auftrag
haben nur die Öffentlich-rechtlichen; diesem Auftrag nachzukommen
rechtfertigt ihre Finanzierung durch die Rundfunkgebühr.
Der Zeitpunkt ist günstig, „von der
Lebenslüge
des dualen Systems Abschied zu nehmen“, wie es Heribert Prantl
in der SZ formulierte. Soeben hat die EU-Kommission das Verfahren
gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Gebührenfinanzierung
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingestellt, das sie
nicht zuletzt auf Betreiben des Privatfunkverbandes VPRT angestrengt
hatte (vgl. O&T, Ausg. 1/07, S. 17). Binnen zweier Jahre müssen
die rechtlichen Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
dahingehend präzisiert werden, dass er digitale Angebote zu
begründen hat und kommerzielle Aktivitäten nicht mit
Gebührengeldern subventionieren darf. Gleichzeitig dürfte
die von ARD, ZDF und Deutschlandradio beim Bundesverfassungsgericht
anhängig gemachte Klage gegen die Entscheidung der Länder,
die Rundfunkgebühren nicht, wie von der Gebühren-Kommission
KEF empfohlen, um 2,01 Euro pro Monat, sondern nur um 88 Cent anzuheben,
Klarheit über die Stellung und die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks im digitalen Zeitalter bringen. Das Bundesverfassungsgericht
ist seit seinem grundlegenden Urteil zum „Adenauer-Fernsehen“ vom
28. Februar 1961, das den Rundfunk der Kulturhoheit der Länder
zuordnete, ohnehin als der Patron der Rundfunkfreiheit im Sinne
des Grundgesetzes zu sehen: „Der Rundfunk ist mehr als nur
Medium der öffentlichen Meinungsbildung; er ist ein eminenter
,Faktor’ der öffentlichen
Meinungsbildung,“ urteilte es.
Will der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Medienwende überstehen,
wird er sich auf seinen demokratischen Programmauftrag samt den
auf ihn gerichteten Aufklärungs- und Bildungsansprüchen
zu besinnen haben. Minderheitenprogramme nicht in Nischen verbannen,
keine Schleichwerbung, kein Sponsoring, keine Anbiederungen in
den Hauptprogrammen. Und da wir Partei sind: Kein Abbau der Rundfunk-Klangkörper,
keine Popularisierung der E-Programme – und Opern nicht nur
dann, wenn Anna Netrebko singt. Ihr Stefan Meuschel
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