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Editorial

Mit einer politisch beabsichtigten Unwahrheit begann es: Die Modellversuche zur Erprobung des privatwirtschaftlich organisierten Rundfunks seien „jederzeit rückholbar“, hieß es zu Beginn der 80er-Jahre. Wer da glaubte, Millionen-Investitionen würden unter dem Risiko eines politisch gewollten „Zurückholens“ getätigt, musste schon zum Pudern regelmäßig den sprichwörtlichen Klammerbeutel benutzen. Und günstigstenfalls nur naiv mussten diejenigen gewesen sein, die auf die vor allem von der CDU und ihrem Bundeskanzler Helmut Kohl verbreitete Verheißung hereinfielen, die neuen kommerziellen Hörfunk- und Fernsehprogramme würden zu mehr Meinungsvielfalt, zu gründlicherer Information, zu mehr Demokratie, gar zu mehr Bildung und Kultur im Rundfunk beitragen.

   

Stefan Meuschel

 

Was sich da neben dem gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk als privatwirtschaftlich-kommerzieller Rundfunk innerhalb knapp zweier Jahrzehnte zu etablieren begann, war vorhersehbar: Die Bürger wurden über das System der Finanzierung der neuen Sender durch Werbung zum zweiten Mal zur Kasse gebeten und der Kampf der Privaten um hohe Akzeptanz beim Publikum, ausgefochten mit ranschmeißerischer Massenware, färbte anpasserisch in vermeintlicher Konkurrenz auf die Öffentlich-rechtlichen ab. Den Kommerziellen ist dabei zuzugestehen, dass ihre Programmgestaltung nachvollziehbar ist: Nur mit hoher Einschaltquote, erzielt durch Schnulze, Schund und Schweinkram, sind die erforderlichen Werbeeinnahmen zu generieren. Ihnen ist auch zuzugestehen, dass sie sich schrittweise der Einsicht öffnen mussten, Schrott allein ruiniere den Ruf und verärgere die Landesmedienanstalten.

Gäbe es da nicht eine weitere politische Unwahrheit, könnte zur Tagesordnung übergegangen werden – Volksverblödung ist schließlich kein Ausschließlichkeitsrecht des kommerziellen Rundfunks. Diese zweite Unwahrheit behauptet die Existenz eines „dualen Rundfunksystems“ in der Bundesrepublik, was nichts anderes heißt, als seien die öffentlich-rechtlichen und die privaten Rundfunkveranstalter einander insoweit ebenbürtig, als sie beide einen gesellschaftlich-demokratischen und kulturellen Programmauftrag zu erfüllen hätten. Doch diesen Auftrag haben nur die Öffentlich-rechtlichen; diesem Auftrag nachzukommen rechtfertigt ihre Finanzierung durch die Rundfunkgebühr.

Der Zeitpunkt ist günstig, „von der Lebenslüge des dualen Systems Abschied zu nehmen“, wie es Heribert Prantl in der SZ formulierte. Soeben hat die EU-Kommission das Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingestellt, das sie nicht zuletzt auf Betreiben des Privatfunkverbandes VPRT angestrengt hatte (vgl. O&T, Ausg. 1/07, S. 17). Binnen zweier Jahre müssen die rechtlichen Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dahingehend präzisiert werden, dass er digitale Angebote zu begründen hat und kommerzielle Aktivitäten nicht mit Gebührengeldern subventionieren darf. Gleichzeitig dürfte die von ARD, ZDF und Deutschlandradio beim Bundesverfassungsgericht anhängig gemachte Klage gegen die Entscheidung der Länder, die Rundfunkgebühren nicht, wie von der Gebühren-Kommission KEF empfohlen, um 2,01 Euro pro Monat, sondern nur um 88 Cent anzuheben, Klarheit über die Stellung und die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter bringen. Das Bundesverfassungsgericht ist seit seinem grundlegenden Urteil zum „Adenauer-Fernsehen“ vom 28. Februar 1961, das den Rundfunk der Kulturhoheit der Länder zuordnete, ohnehin als der Patron der Rundfunkfreiheit im Sinne des Grundgesetzes zu sehen: „Der Rundfunk ist mehr als nur Medium der öffentlichen Meinungsbildung; er ist ein eminenter ,Faktor’ der öffentlichen Meinungsbildung,“ urteilte es.

Will der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Medienwende überstehen, wird er sich auf seinen demokratischen Programmauftrag samt den auf ihn gerichteten Aufklärungs- und Bildungsansprüchen zu besinnen haben. Minderheitenprogramme nicht in Nischen verbannen, keine Schleichwerbung, kein Sponsoring, keine Anbiederungen in den Hauptprogrammen. Und da wir Partei sind: Kein Abbau der Rundfunk-Klangkörper, keine Popularisierung der E-Programme – und Opern nicht nur dann, wenn Anna Netrebko singt.

Ihr Stefan Meuschel

 

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