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Flucht vor der skrupellosen Welt

Reimanns „Melusine“ am Staatstheater Nürnberg · Von Juan Martin Koch

Häufig sei er überrascht über neue Inszenierungen seiner Opern, aber nie negativ. Was Aribert Reimann vor Beginn der Premiere seiner 1971 uraufgeführten „Melusine“ im Foyergespräch sagte, hätte man als freundliche Distanzierung von Helen Malkowskys Regiekonzept verstehen können; der Schulterschluss aber, den das gesamte Team – Reimann eingeschlossen – beim Schlussjubel zeigte, sendete ein anderes Signal.

 
Marlene Mild als Melusine, Gabriele May als Madame Lapérouse. Foto: Bettina Stöß/Stage Picture
 

Marlene Mild als Melusine, Gabriele May als Madame Lapérouse. Foto: Bettina Stöß/Stage Picture

 

Und tatsächlich ist der Nürnberger Oberspielleiterin eine schlüssige Umdeutung der ursprünglich auf französische Sagenquellen des 12. Jahrhunderts, hier aber auf Yvan Golls Theaterstück von 1922 zurückgehenden Vorlage gelungen. Keine Öko-Oper – so wurde das Werk in der frühen Rezeptionsgeschichte gelesen – bringt sie auf die Bühne: Der von der Bebauung bedrohte Park wird zur Chiffre für die körperliche Unversehrtheit, nach der sich die Kindfrau Melusine, ein Opfer sexuellen Missbrauchs, sehnt. Die Zwiesprache mit der Naturmutter Pythia, der Schutz, den die Verwandlung in eine Nymphe verheißt, ist als Rückzug in eine Welt zu verstehen, in der ihre reale Mutter, die sie skrupellos an die Männer verkauft, keine Macht über sie hat. Das Bühnenbild von Robert Schrag, das von Melusines Kinderzeichnungen ausgehend einen stilisierten Papierwald hinter der bürgerlichen Fassade öffnet, sorgt zusammen mit der Lichtregie für ein fließendes Ineinanderdriften der Sphären, von Innen- und Außenwelt.

Was Malkowsyks Arbeit auszeichnet, ist zum einen das genaue Hinhören auf die Musik, in der sie erstaunliche Parallelen für ihren Ansatz aufspürt: Die Verführung des Architekten wird zu einer Vergewaltigung durch ihn. Zum anderen hat sie die Gelassenheit, nicht alle Facetten des Stoffes dieser einen Deutungsebene unterzuordnen. So gerät der zweite Teil der Oper mit dem Aufeinandertreffen von Melusine und dem Grafen zu genau dem, was Reimann hier in atemberaubender Klarheit der ineinander greifenden Vokallinien auskomponiert hat: zu einer Utopie der Partnerschaft. Auch diese Begegnung – die grell-bunte Unterwasserlandschaft, in die sich der Park gewandelt hat, deutet es an – ist freilich eine imaginierte, eine Traumflucht: Melusines innere Verletztheit ist zu weit fortgeschritten, die Zweisamkeit zerbricht, Melusine wird von der Mutter endgültig realen Männern ausgeliefert.

Ohne ein starkes musikalisches Pendant könnte eine solche Inszenierung nicht bestehen. Vor allem für die Titelrolle hat Reimann in Übersteigerung der Königin der Nacht und der Lulu eine der extremsten Koloratursopranpartien des gesamten Repertoires komponiert. Was Marlene Mild hier leistete, kann getrost als totale Erfüllung dieser Rolle bezeichnet werden. Klar artikuliert, schlackenlos bis in Schwindel erregende Regionen sich hochschraubend, macht sie die Koloraturen doch auch zu einem sprechenden Ausdruck von Melusines innerer Erregung; die seelische Beruhigung im Duett mit dem ebenfalls puren Wohlklang verströmenden Song-Hu Liu als Graf war handgreiflich spürbar. Eine überragende Leistung.

Ohne Ausfälle bewältigte das ausgezeichnete Staatstheater-Ensemble auch die kleineren, anspruchsvollen Partien: Teresa Erbe (Pythia) und Thomas Fleischmann (Oger) als Repräsentanten der erträumten Naturmächte, Sibrand Basa (Architekt), Wieland Satter (Geometer), Dariusz Siedlik (Maurer) als Kindfrauenschänder und Gabriele May (Mme. Laperouse) als deren Handlangerin. Peter Hirschs präzise, die herb-subtilen Klangmischungen Reimanns genau realisierende Einstudierung der Philharmoniker litt im ersten Teil noch ein wenig an der knalligen Akustik des Nürnberger Orchestergrabens, nach der Pause dann aber auch von hier: Musik gewordene Utopie.

Juan Martin Koch

 

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