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Portrait

Kein nahtloser Wechsel

Neuanfänge beim Theater Regensburg

Erleichterung bei den traditionsbewussten Beobachtern des Theaters Regensburg: Die zwischenzeitlich in „Bürgerloge“ umbenannten Repräsentierplätze im kurz vor der Wiedereröffnung stehenden Haus am Bismarckplatz dürfen künftig wieder „Fürstenloge“ heißen. So hat sich zumindest diese Aufregung gelegt, und eigentlich könnte sich die Aufmerksamkeit nun ganz jenem in Zeiten knapper Kulturkassen durchaus respektablen Kraftakt zuwenden, den die Renovierung des klassizistischen Theaterbaus aus dem frühen 19. Jahrhundert darstellt. Über 50 Millionen Mark lässt man sich das aufwändige Vorhaben kosten, bei dem der Denkmalschutz und die Anforderungen eines modernen Drei-Sparten-Betriebs eine prekäre Zweckehe eingehen müssen.

Indes droht eine weitere Erregung öffentlichen Ärgernisses die Feierstimmung, die eigentlich die komplette Spielzeit durchwirken sollte, zumindest ein Stück weit einzutrüben, ist diese Spielzeit doch auch die letzte der seit 13 Jahren amtierenden Intendantin Marietheres List. Und der Intendantenwechsel wird sich, wie in der Branche durchaus üblich, alles andere als nahtlos vollziehen, denn der designierte Nachfolger Ernö Weil hat nicht nur großen Teilen des Balletts samt Chef sowie der Dramaturgie, sondern bis auf fünf Auserwählte auch dem Sängerensemble gekündigt, beziehungsweise die Verträge nicht über die laufende Saison hinaus verlängert. Die Empfindlichkeit, mit der das Regensburger Publikum reagierte, geriet angesichts der Kommunalwahlen im kommenden Frühjahr schnell in politische Fahrwasser, so dass es dem Pforzheimer Intendanten Weil ein Leichtes war, das Ganze als „Sturm im Wasserglas“ abzutun, der auf Unkenntnis beruhe. So wird es für ihn bei Amtsantritt zur nächsten Spielzeit zunächst darum gehen, die Verhältnisse nach innen und außen wieder in konstruktive Bahnen zu lenken und dann mit inhaltlichen Schwerpunkten den Blick aufs Wesentliche, die künstlerische Arbeit zu lenken.

 
 

Darf sich nun wieder „Fürstenloge“ nennen: Neue Pracht im alten Theater. Foto: Ferstl

 

Die Perspektiven, die der erfahrene (für manche zu erfahrene) Theatermann für das Musiktheater andeutet, muten dabei bislang wenig spektakulär an: Als Dienstleister am Publikum habe er vor, neben Ausgefallenem auch das 20. Jahrhundert, das ihm besonders am Herzen liege, zu berücksichtigen, ohne es aber gegen den Publikumswunsch in eine Majorität zu bringen. Als Opernregisseur werde er mindestens eine, maximal drei Produktionen pro Saison leiten. Das birgt natürlich die Gefahr einer musikdramatischen Monokultur, vielleicht aber auch die Chance, den Operninszenierungen stärkeres Profil zu verleihen – ein Profil, das man in der Ära List bisweilen schmerzlich vermisste.

Webers romantische Feenoper „Oberon“, mit der man die Wiedereröffnung wagt, ist nicht das einzige Wagnis, das Marietheres List am Ende ihrer Regensburger Zeit eingeht. Mit Massenets „Werther“ war die Saison in dem als Ausweichspielstätte fast luxuriösen Velodrom musikalisch zwar hocherfreulich, ansonsten aber eher unspektakulär gestartet. Der Publikumszuspruch hält sich hier ebenso in Grenzen wie beim etwas angestaubten Musical „Sweet Charity“, das anstelle eines nach dem 11. September als unpassend erschienenen „Anything goes“ eilig aufs Programm gesetzt wurde. Um die erheblichen Verlagskosten nicht verfallen zu lassen, muss nun ein weiteres ehrgeiziges Projekt, die Produktion von Detlev Glanerts „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“, weichen. Zumindest aber führt Antonio Bibalos „Fräulein Julie“ die unter Intendantin List zur schönen Tradition gewordenen Kammeropern im Theater am Haidplatz fort. Weitere Akzente abseits des Vorhersehbaren sind mit Händels „Alcina“ oder Bellinis „La Straniera“ (konzertant) zu erwarten. Marietheres List, der es mit bewusst populären Spielplänen gelungen ist, ein neues, auch junges Publikum ins Velodrom zu locken (das als Spielort erhalten bleibt), hofft nun, durch das Interesse am renovierten Haus, auch bei diesen Stücken eine hohe Auslastung zu erzielen. In eine andere Richtung geht die Zuversicht, die Chordirektor Karl Andreas Mehling formuliert. Er hoffe, dass sein 24-köpfiges Ensemble unter dem neuen, als Mann der Oper bekannten Intendanten, eine Aufwertung erfahre. Zumindest habe man mit dem Kleinen Neuhaussaal im renovierten Gebäude nun endlich einen festen Probenraum zur Verfügung, so dass schon jetzt die Zeit permanenter Provisorien ein Ende habe.

Abschiedsstimmung dagegen beim Ballett, doch auch Winfried Schneider, dessen Compagnie zehn feste Tänzer zählt, von denen viele nicht auf neue Festanstellungen hoffen können, glaubt daran, dass seine Tänzer in dieser schwierigen Phase zu ihm stehen und die laufende Spielzeit unter anderem mit einer Neudeutung des Carmen-Stoffs im Mai nächsten Jahres erfolgreich absolvieren werden. Manchem dürfte da der einzig bemerkenswerte Satz aus „Sweet Charity“ im Gedächtnis nachklingen: „Wir tanzen nicht, wir verteidigen uns zur Musik“.

Juan Martin Koch

 

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