Dresdner Sänger-Wettstreit
Finalisten-Auswahl beim Competizione dell Opera
Nein, bei der Wegbeschreibung in die Künstlergarderoben schüttelten die beiden männlichen Finalisten
am Bühneneingang die Köpfe. Erst als der Portier den Weg in russischer Sprache erklärte, huschte
ein Leuchten über die Gesichter die beiden verstanden. Das sind die versteckten Dresdner Potenziale,
die Siege entscheiden können. Nicht nur für die Insider, auch für das aus dem In- und Ausland
zahlreich angereiste Publikum gab es an diesem 4. Juni, dem Tag der feierlichen Galaveranstaltung, an dem aus
den zehn Finalisten die drei Preisträger sowie ein Stipendiat der Oscar und Vera Ritter-Stiftung und der
Publikumsliebling gekürt wurden, vieles zu bestaunen und zu entdecken. Allem und allen voran die Qualität
der Finalisten. Bis zum Ende des von Friedrich-Wilhelm Jung kapriziös moderierten Endausscheids des Wettbewerbs
Competizione dell Opera 2001 in der Semperoper Dresden stieg die Spannung von Arie zu Arie.
Es wurde immer schwieriger, sich auf einen Hauptpreisträger festzulegen.
Bereits von 400 eingereichten und von 99 durch die Juroren geprüften Sängern in die Zehnerliste gewählt
zu werden, ist eine Auszeichnung. Die Regeln waren offen. Der Wettbewerb war für Sänger aller Nationen
ausgeschrieben, die an einer Musikhochschule oder an vergleichbaren Institutionen studieren oder studierten.
Das Höchstalter der Sängerinnen lag bei 31 Jahren, bei den Sängern bei 33 Jahren. Gefordert wurden
von jedem Teilnehmer sechs Arien in italienischer Sprache und in Originaltonart, darunter Pflichtarien und Wahlarien.
Kammersänger Theo Adam, Vorsitzender der Jury, hatte in der vorausgehenden Pressekonferenz das überragende
Niveau hervorgehoben; nicht grundlos komme die internationale Fachwelt nach Dresden zum Competizione. Über
die Preise haben unter anderem Sir Peter Jonas, Staatsintendant der Bayerischen Staatsoper, Louwrens Langevoort,
Intendant der Hamburgischen Staatsoper, Henri Maier, neuer Intendant der Oper Leipzig sowie Franz Müller-Heuser,
Präsident des Deutschen Musikrates, entschieden.
Glanzvolle Erste Preisträgerin wurde die italienische Sopranistin Carla Maria Izzo, die bereits an der
Mailänder Scala mit La Damnation de Faust unter Seiji Ozawa debütiert hatte. Hier brillierte
sie mit Tu che le vanità von Verdi; eine reife Leistung, bei der der musikalische Ausdruck
überzeugte. Sie bekam übrigens neben dem mit 10.000 Mark dotierten Hauptpreis den Publikumspreis verliehen.
Der zweite Preis ging an den koreanischen Tenor Woo Kyung Kim, der aus dem Verdischen Requiem die Arie Ingemisco
mit einer großvolumigen Stimme und baritonalem Glanz sang. Den dritten Preis teilen sich die russische
Sopranistin Ekaterina Morozowa und die Wiener Sopranistin Kristiane Kaiser. Besaß die erste eine unglaubliche
stimmliche Präzision, Körperbeherrschung und technische Virtuosität, bestach die andere durch
ihre Kultiviertheit und sangliche Grandezza.
Für alle Finalisten zählte die Tatsache am stärksten, dass sie während des Empfanges von
den anwesenden Opernintendanten, Künstleragenten, Dirigenten und Musikredakteuren regelrecht mit Beschlag
belegt wurden. Zahlreiche Opernhäuser hatten Vorsingen, Engagements und Gastspiele zu vergeben. Das tröstete
denn auch diejenigen, die sich Chancen auf einen Preis ausgerechnet hatten; etwa Silvia Hablowitz, eine Mezzosopranistin,
die von Detmold an die Leipziger Musikhochschule zu Helga Forner gewechselt war. Sie ärgerte sich, dass
die Jury ihr eine Arie von Händel zum Finale aufgegeben hatte; denn alle anderen sangen etwas Italienisches
aus dem 19. Jahrhundert. Sie wie auch Preisträgerin Kristiane Kaiser bestätigten in jedem Falle den
professionellen Ablauf, das Engagement der Veranstalter und die Kunstbegeisterung der Dresdner.
Rückblickend betrachtend konnten die beiden Wettbewerbsleiter Hans-Joachim Frey (Künstlerischer Betriebsdirektor
der Sächsischen Staatsoper Dresden) und Torsten Mosgraber (Intendant der Dresdner Musikfestspiele) einen
gewaltigen Erfolg verbuchen. Denn unter der Schirmherrschaft des Sächsischen Wissenschaftsministers Hans-Joachim
Meyer (er und sein Wirtschaftsminister Kajo Schommer waren am Pfingstmontag anwesend) und in Zusammenarbeit
mit den Dresdner Musikfestspielen, dem MDR und den Musikhochschulen in Dresden und Hamburg konnte dem bislang
ziemlich haltlos strudelnden Wettbewerb eine neue Heimat und eine sichere Zukunft geschaffen werden: So hat
sich der Hauptsponsor coram publico bereit erklärt, diesen Wettbewerb weiterhin zu fördern. Der nächste
Termin steht schon fest: Am 5. Juni 2002 um 20 Uhr wird das Finale des nächsten Competizione stattfinden,
der danach in jedem geraden Kalenderjahr in Dresden, der Stadt italienischen Prunkes, durchgeführt wird.
Beate
Hennenberg
|