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Kulturpolitik

Weimar liegt nicht in Bayern

Bayerischer Theaterpreis für das gefährdete DNT

Die zur Verleihung des Bayerischen Theaterpreises 2001 am 29. November ins Münchner Prinzregententheater Geladenen wurden am Eingang von Demonstranten aus Weimar begrüßt: „In München geehrt – in Weimar zerstört“ war da auf einem großen Schriftband zu lesen.

Wer mit dem dramatischen Text nicht sofort etwas anzufangen wusste, wurde von den mit Bussen nach München gefahrenen Weimarer Bürgerinnen und Bürgern freundlich aber nachdrücklich aufgeklärt: Die Bürgerinitiative für den Erhalt der Eigenständigkeit des Deutschen Nationaltheaters Weimar – DNT – und der Staatskapelle Weimar kämpfe zum dritten Male (und hoffentlich wiederum erfolgreich) gegen die Pläne der Regierung der Freistaates Thüringen, das Erfurter und das Weimarer Theater zu fusionieren.

 
 

DNT: „Mathis der Maler“ (Premiere im Juni 2001). Foto: Fernschild

 

Diese Zeitschrift hat über die Vorgänge in Thüringen ausführlich informiert (Ausgabe 2/01, S. 6: „Messerwetzen in Thüringen“ und Ausgabe 5/01, S. 4: „Editorial“): Ohne künstlerische, regionale oder auch wirtschaftliche Bedenken zu berücksichtigen, verfolgt Kunst-Ministerin Dagmar Schipanski ihr (und der Landeshauptstadt Erfurt) Vorhaben, die Dreisparten-Bühnen in Erfurt und Weimar dergestalt in eine Theatergemeinschaft zu zwingen, dass künftig – im wahrsten Sinne des Wortes – in Erfurt die Musik und das DNT Weimar allenfalls noch die zweite Geige spielt.

Everding-Kommission

Die Ironie der Widersprüche will es, dass ausgerechnet August Everding es war, der 1997 den Gedanken eines derart fusionierten „Thüringer Staatstheaters“ in die Welt gesetzt hatte, nachdem er zuvor – nicht nur in Thüringen – die vom Bund für die Zwischenfinanzierung der Theater- und Orchesterkultur in den neuen Bundesländern zur Verfügung gestellten Mittel so großzügig und planlos zugleich hatte vergeben lassen, dass die dadurch ermöglichten Maßnahmen noch zehn Jahre später einer sachgerechten Strukturreform im Wege stehen. Als der Goldsegen aus dem Füllhorn des Bundes ab 1993 zu versiegen und die harten Realitäten der Kulturfinanzierung durch die neuen Länder und ihre meist armen Kommunen Platz zu greifen begannen, war nur noch mehr oder weniger guter Rat billig zu haben.

Die im Oktober 2001 vorgelegte „Machbarkeitsstudie zur Umsetzung der Empfehlungen der Sachverständigenkommission – Everding-Kommission“, die der Deutsche Bühnenverein im Auftrag der Kulturministerin gefertigt hatte, befasst sich ausschließlich mit den Theatern in Erfurt und Weimar. In ihr wird zwar das böse Wort „Fusion“ durch „Theatergemeinschaft“ ersetzt und durchaus fachkundig wird ein, auch die Laufzeiten der Verträge der beiden amtierenden Intendanten berücksichtigender, bis 2006/2007 sich erstreckender Zeitplan für die Zusammenlegung entwickelt, der mit der Gründung einer vom Freistaat Thüringen und den beiden Städten zu tragenden GmbH beginnt und mit der Bestellung eines neuen Intendanten und dem erforderlichen Personalabbau endet – aber kein Gedanke wird darauf verwandt, ob nicht andere Modelle mit annähernd gleichem (auch Spar-)Effekt vorzuziehen wären, ob die Fusion – unter Einrechnung der absehbaren, auch wirtschaftlichen Beschädigungen der Stadt Weimar – überhaupt die erträumten Einsparungen bringen kann.

Zeichen setzen

Da traf es sich gut, dass Bayerns Kunstminister Hans Zehetmair bei der diesjährigen Verleihung der mit 450.000 Mark dotierten Bayerischen Theaterpreise an das im Vorjahr formulierte Motto anknüpfte, es gelte gerade in schwierigen Zeiten karger Kassen Zeichen zu setzen für die Förderung der Theaterkultur. Und so sehe das Signal aus: Der Freistaat Bayern werde im Haushalt des nächsten Jahres allein 13,5 Millionen Mark zusätzlich für seine nichtstaatlichen Bühnen zur Verfügung stellen. Der zustimmende Applaus nicht nur der Landtagsabgeordneten aus dem Raum Würzburg wurde vom Publikum vermerkt.

Noch besser traf es sich, dass das Deutsche Nationaltheater Weimar Träger des Bayerischen Theaterpreises 2001 für das Schauspiel ist: Julia von Sells und Karsten Wiegands Inszenierung von Goethes Faust I, in dem neben Mephisto, Faust und Gretchen der Opernchor des DNT die „vierte Hauptrolle“ spielt, wurde ausgezeichnet (vgl. „Oper & Tanz“, Ausgabe 3/01, S. 27). Ob es dem Geist Everdings und seinem Fusionsplan zuzuschreiben war, dass die Laudatorin, die Schauspielerin Sunnyi Melles, nur recht Selbstverliebtes über ihr Verhältnis zu Goethe vorzutragen wusste, und dass Weimars Generalintendant Stephan Märki seinen Dank für die porzellanene Columbine und den Scheck nicht zu einer seiner aufmüpfigen Reden nutzte, sondern nur konstatierte, Bayern habe mit der Verleihung des Preises erkannt, was Thüringen nicht sehen wolle?

Basel, Halle, Hamburg, München, Weimar

Neben Weimars Faust wurden im Bereich Musiktheater Herbert Wernickes Baseler Inszenierung von sechs Bach-Kantaten („Actus Tragicus“), die Uraufführung von Detlef Glanerts Grabbe-Oper „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ in Halle (Laudator Hans-Dietrich Genscher), David Aldens Opernregien an der Bayerischen Staatsoper und John Neumeiers Nijinsky-Ballett an der Hamburgischen Staatsoper ausgezeichnet.

Helmut Rilling fasste in seiner Laudatio auf die szenische Interpretation der Bach-Kantaten Sinn und Aufgabe dieser Inszenierung in drei lateinischen Wörtern zusammen: „Delectare, movere, docere“. Das Theater unterhält, bewegt und belehrt. Auch in bedrohten Zeiten. In Weimar und anderswo.

Stefan Meuschel

 

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