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Aktuelle Ausgabe

Editorial von Tobias Könemann
Solidarität – und ihre Grenzen

Kulturpolitik

Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester

Ausruhen geht mit mir nicht
Karl M. Sibelius im Oper & Tanz-Gespräch mit Barbara Haack

Ohne erkennbare politische Wirkung
Was will „politisches Musiktheater“ heute? Eine Tagung in Heidelberg

Interdisziplinäres Feuerwerk
Leipziger Symposium zur Kinder- und Jugendstimme

Im Wohnzimmer-Ambiente
„Oper am Klavier“ am Mainfrankentheater Würzburg

Strukturiert unstrukturiert
Der Theater-Website-Check: Mainfrankentheater

Portrait

Wir wollen keine Löcher stopfen
Die „Freunde des Nationaltheaters“ in München

Berichte

Die Geburt der nächsten Frage
Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ an der Komischen Oper Berlin

Starke Symbolkraft
Leos Janáceks Oper „Jenufa“ in Gera

Entlarvung der Spießermoral
»La Cage aux Folles« an der Musikalischen Komödie Leipzig

Spannendes Untergangsszenario
Deutsche Tanzkompanie Neustrelitz mit »Die Nibelungen«

Strawinsky heute
Ballett-Triple am Stuttgarter Ballett

Klingender Horror
Gerhard Stäblers »The Colour« am Mainfranken Theater Würzburg

Verwandlung und Kontinuität
Dagmar Ellen Fischer: Ivan Liska. Tänzer. Die Leichtigkeit des Augenblicks

Die Zauberflöte
Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte

Les Vêpres Siciliennes
Giuseppe Verdi: Les Vêpres siciliennes. Mit dem Chor u. Orchester der Royal Opera London

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Tarifeinheitsgesetz verabschiedet – Verfassungsbeschwerde steht an +++ Zwei Tarifabschlüsse zum NV Bühne +++ Wir gratulieren …

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Wir wollen keine Löcher stopfen

Die „Freunde des Nationaltheaters“ in München

Ihre Oper haben die Münchner schon immer geliebt. Bereits 1823 unterwarfen sie sich freiwillig einer Biersteuer, damit das gerade abgebrannte Opernhaus wieder aufgebaut werden konnte. 1825 freute man sich dann über die Eröffnung des von Leo von Klenze konzipierten Baus. In der Nacht zum 3. Oktober 1943 wurde das Haus erneut zerstört. Als Ausweichquartier diente das Prinzregententheater, dessen Besucherfassungsvermögen allerdings etwa bei der Hälfte des Nationaltheaters lag. Nach dem Krieg waren die Münchner so opernhungrig, dass die Zuschauerplätze des Hauses nicht mehr ausreichten. Grund genug für einige einflussreiche Bürger, 1951 einen „Verein zur Förderung der Erhaltung und des Wiederaufbaues des Nationaltheaters“ zu gründen. Damit gab es – ganze zwölf Jahre, bevor das zerstörte Haus wiedereröffnet werden konnte – einen Freundeverein. Die aus diesem Konstrukt resultierende Unabhängigkeit vom eigentlichen Theaterbetrieb macht sich bis heute bemerkbar. Andreas Schwankhart, aktueller Geschäftsführer der „Freunde des Nationaltheaters“, spricht von einer „angenehmen Freundschaft“ zwischen Haus und Verein. Selbstverständlich mischen sich die „Freunde“ nicht in künstlerische Belange ein. „Wenn man das ausklammert, gibt es wenig Potenzial, um sich ins Gehege zu kommen oder miteinander zu streiten. Das macht auch keinen Sinn“, so Schwankhart. Umgekehrt trifft der Verein seine Förderentscheidungen eigenständig – wobei Wünsche der zu Fördernden natürlich geprüft und häufig berücksichtigt werden.

Die Oper muss 1958 fertig sein... Foto: Archiv

Die Oper muss 1958 fertig sein... Foto: Archiv

Zurück zu den Anfängen: „Tombola“ lautete die geniale Idee, die die Sammlung erster bedeutender Geldspenden möglich machte. 1952 wurde die erste dieser Tombolen realisiert und brachte die enorme Summe von 625.000 Mark ein. Allerdings fand die Idee des Nationaltheater-Wiederaufbaus nicht nur Freunde. Gerade hatte man sich mit der Neuerrichtung des Residenztheaters mörderisch verkalkuliert. Mit weiteren Wiederaufbauprojekten wollte man sich daher erst einmal Zeit lassen. Es gab darüber hinaus Stimmen, die sich einer Rekonstruktion des Klenze-Baus widersetzten und eher einen modernen Bau (und den später…) wünschten. Der erste Scheck, den die Freunde überreichen wollten, war also nicht durchgängig erwünscht. „600.000 Mark suchen einen Empfänger“, schrieb der „Spiegel“ im August 1953, darauf anspielend, dass dieses Geld zunächst keinen Abnehmer fand. Natürlich bauten die engagierten Münchner Bürger mit ihrer Spende auch einen öffentlichen Druck auf. Viele Tombolen später hatten sich die Freunde schließlich durchgesetzt. 1963 konnte das Nationaltheater wiedereröffnet werden. Von den insgesamt 67,7 Millionen Aufbaukosten kamen immerhin 6,5 Millionen vom Freundeverein, nicht mitgerechnet das jahrelange ideelle und politische Engagement für die Idee des Wiederaufbaus.

Die Förderaktivitäten beschränkt man nicht nur auf die Staatsoper mit ihren Einrichtungen. Gärtnerplatztheater, Hubertussaal im Nymphenburger Schloss oder die Bayerische Theaterakademie gehören ebenfalls ins „Portfolio“. Darüber hinaus gilt das Interesse dem „Kunstleben im weitesten Sinne“. Kommt es da nicht zu Konkurrenz zwischen den Institutionen? „Eher nicht“, meint Schwankhart. „Die befruchten sich ja gegenseitig. So eine Konkurrenz gab es wohl mal, aber inzwischen wird das nicht mehr so gesehen.“

Zu den Projekten, die dauerhaft Geld vom Verein erhalten, gehören die Orchesterakademie und das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper: Ausdruck des erklärten Willens, etwas für den Nachwuchs zu tun. Darüber hinaus werden Einzelprojekte oder -vorhaben gefördert. So kamen im Jahr 2011 150.000 Euro für einen neuen Konzertflügel für das Staatsorchester zusammen. Zum 50-jährigen Jubiläum der Wiedereröffnung des Nationaltheaters im November 2013 konnten 100.000 Euro für die Erweiterung der Gemäldegalerie in den Foyers des Nationaltheaters gesammelt werden. Eine Orchestertournee des Gärtnerplatztheaters wurde im Herbst 2014 mit 15.000 Euro unterstützt.

Siegfried Kneißl, Vorstandsmitglied, und Berthold Eichwald, Vorsitzender des Vorstands, in der Porträtgalerie im Foyer des Nationaltheaters. Foto: Wilfried Hösl

Siegfried Kneißl, Vorstandsmitglied, und Berthold Eichwald, Vorsitzender des Vorstands, in der Porträtgalerie im Foyer des Nationaltheaters. Foto: Wilfried Hösl

Etwa 800 Mitglieder hat der Verein. Der obligatorische Mitgliedsbeitrag wird eher gering gehalten. Er liegt bei 200 Euro für Privatpersonen und 500 Euro für Firmen. „Wir wollen für viele offen sein. Schließlich sind wir aus einem bürgerschaftlichen Engagement heraus entstanden“, erklärt Schwankhart. Viele Mitglieder geben allerdings mehr – und für bestimmte Förderprojekte startet der Verein auch schon mal spezielle Sammelaktionen. Geld in die Kasse kommt auch durch eigene Veranstaltungen wie zum Beispiel ein Jahreskonzert für die Mitglieder, zu denen diese dann noch Freunde und Verwandte mitbringen. Solche Veranstaltungen tragen auch zur Mitgliederbindung bei. So gibt es Führungen hinter die Kulissen: „Zum Beispiel haben wir den Staatsopernchor mal in den Mittelpunkt gestellt. Wir haben eine Chorprobe besucht und wollten wissen, wie dort gearbeitet wird. 200 Vereins-Mitglieder haben zugeschaut, und vorne stand der Chor. Das war toll. Am Ende durften wir alle mitsingen: ganz große Emotion! Anschließend gab es ein Get together, bei dem wir uns mit den Künstlern unterhalten konnten.“ Eines der Jahres-Highlights seit 45 Jahren: die Einladung ehemaliger Ensemblemitglieder zu einem festlichen Essen und einem Opernbesuch. Da begegnen sich die Stars von einst; „es ist ein bisschen wie ein Klassentreffen“, sagt Schwankhart.

Das meiste Geld erhalten die Theatereinrichtungen nach wie vor von der öffentlichen Hand; darüber hinaus finanzieren Sponsoren bestimmte Projekte. Wie grenzt man sich als Freundeverein da ab? Und: Besteht nicht die Gefahr, dass immer mehr das gerettet werden muss, was Stadt und Freistaat durch Einsparungen reduzieren?

„Generell zieht sich die öffentliche Hand ja sowieso immer mehr zurück, weil immer mehr gespart wird“, sagt Schwankhart. „Dann versuchen die Verantwortlichen im Haus, diese Löcher zu stopfen. Wenn sie jemanden finden, sagen die Geldgeber: Das funktioniert, da können wir nochmal zehn Prozent kürzen. Das ist die Spirale.“ Für den Vereins-Geschäftsführer steht allerdings auch fest: „Freundeskreise sind ganz bewusst nicht dazu da, um Löcher zu stopfen, sondern um Dinge zu fördern, die ‚oben drauf‘ kommen und die dem Haus gut tun.“ Und: „Bei uns geht es vor allem auch um Kontinuität, nicht so sehr um die ganz großen Summen. Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass unsere Mitglieder für die Theater ein wichtiger Absatzmarkt sind und mitunter sehr wichtige Multiplikatoren.“ Im Übrigen steigt die Mitgliederzahl, was angesichts der generellen gesellschaftlichen Entwicklung erstaunlich ist. Ab 45 Jahre aufwärts sind die Freunde in der Regel alt. Jüngere Menschen seien für diese Idee nicht zu begeistern, meint Schwankhart. Erst, wenn berufliche Karriere und Familienplanung einigermaßen geregelt sind, denken Opernfreunde über ein solches Engagement nach. Junge Menschen will man allerdings mit den „Jungen Opernfreunden“ erreichen. Die bis zu 30-jährigen Opernfans finden hier eine Heimat. Das Angebot: ermäßigte Karten, gemeinsame Proben- oder Theaterbesuche, Einladung zu Veranstaltungen.

Seit 2010 macht Andreas Schwankhart den Job. Als gelernter Kaufmann und Musiker interessierte ihn die Verbindung aus beiden Bereichen. „Ich bin mit dieser Arbeit sehr glücklich. Es ist ein sehr spannender Job mit vielen interessanten Persönlichkeiten. Wir haben den Vorteil, dass wir Geber sind. Wir bringen keine Hiobs-, sondern in der Regel frohe Botschaften. Und wir können uns aus künstlerischen Diskussionen heraushalten. Das ist auch gut so, denn natürlich gibt es innerhalb des Vereins Menschen mit unterschiedlichen Meinungen über künstlerische Konzepte.“

Jüngstes Beispiel: die vom Freundeverein unterstütze Münchner Erstaufführung der „Salome“ von Antoine Mariotte an der Theaterakademie. Da wurde eine Vergewaltigung auf offener Bühne gezeigt. Beim gemeinsamen Besuch der Hauptprobe gerieten einige Mitglieder durchaus in Wallung. Aber in der anschließenden Diskussion erklärten die Dramaturgen schlüssig, warum sie sich für diese drastische Darstellung entschieden hatten. Auch das gehört also zum Freundeverein: Auseinandersetzung mit den Inhalten. Aber es gibt kein generelles „Wir sind dagegen“. Denn, so Schwankhart: „DIE Meinung des Vereins gibt es gar nicht.“ Das soll auch so bleiben.

Barbara Haack

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