Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester Berlin
Die letzte Verhandlungsrunde am 28.06. in Berlin hat leider entgegen
den hoffnungsvollen Erwartungen, die aus dem vorletzten Verhandlungstermin
zwei Wochen zuvor geschöpft werden durften, einen gewaltigen
Rückschritt dargestellt.
Zwar konnte ein grundsätzlicher Konsens in Hinblick auf die
beim Land unmittelbar beschäftigten Künstler gefunden
werden, für die Beschäftigten der Stiftung Oper in Berlin
hingegen überraschte die Arbeitgeberseite mit inakzeptablen
Vorstellungen: War doch im vorletzten Termin noch Einigkeit dahingehend
erzielt worden, dass zwar ein eigenständiger Weg, wirtschaftlich
aber für die Künstler (mindestens) ein vergleichbarer
Umfang wie im nichtkünstlerischen Bereich zugrunde gelegt
werden solle, so litt die Arbeitgeberseite respektive die Stiftung
Oper in Berlin bzw. deren Vertreter unter Führung von Generaldirektor
Peter F. Raddatz nun offensichtlich unter Gedächtnisverlust
und sah die vorhergehenden Verhandlungstermine lediglich als unverbindliche
Gespräche an. Es wurden nun Verhandlungsangebote unterbreitet,
die gerade wirtschaftlich in erheblichen Teilen hinter dem, was
im nichtkünstlerischen Bereich vereinbart worden ist, zurückbleiben
und nicht auch nur annähernd annehmbar sind.
Dennoch sollte die (Verhandlungs-)Tür nicht ganz zugeschlagen
werden, so dass die Gespräche gegen 01:00 Uhr nachts unterbrochen
wurden und nun am 28.08. fortgeführt werden. Wir werden weiter
berichten. Halle
Die erst vor eineinhalb Jahren gegründete Theater, Oper und
Orchester GmbH Halle steht vor großen finanziellen Problemen.
Konnte die Kultur GmbH die Spielzeit 2009/2010 mit einem Defizit
von „nur“ 90.000 Euro noch relativ erfolgreich abschließen,
droht für die nächsten beiden Spielzeiten das Zehnfache:
massive Finanzlöcher von jeweils 900.000 Euro.
Derzeit laufen mit den Gewerkschaften bereits Sondierungsgespräche
für einen Haustarifvertrag, um das Schlimmste abzuwenden.
Doch auch ein Haustarifvertrag kann nur eine Zwischenlösung
sein, wie Geschäftsführer Rolf Stiska richtig feststellt.
Sollte es keine tiefgreifenden Änderungen geben, so lande
die GmbH spätestens 2015 in der Zahlungsunfähigkeit,
so Stiska. Betriebsbedingte Kündigungen wie auch der Abbau
einer der Bühnen (das Thalia-Theater als schwächstes
Glied wird diskutiert) stünden bevor.
Zur Gründung der Kultur GmbH hatte sich der Stadtrat noch
eindeutig politisch positioniert: Alle Spielstätten und alle
Sparten sollten erhalten bleiben. Dazu steht jedoch klar im Widerspruch,
dass im Zuschussplan die allfälligen Tarifsteigerungen nicht
enthalten sind, was bei einem Personalkostenanteil von über
80 Prozent naturgemäß erhebliche Auswirkungen hat und
von Anfang an für die Politik auch klar erkennbar war.
War das Bekenntnis der Politik bei der Gründung also nur ein
wertloses Lippenbekenntnis? Ein Haustarifvertrag kann in jedem
Falle nur eine vorübergehende Lösung sein. Wie es langfristig
weitergehen soll? „Das ist eine politische Entscheidung“,
wie Geschäftsführer Stiska zu Recht konstatiert! Hof
Eine neue Form der Tarifflucht nimmt am Theater Hof Gestalt an:
Der Betrieb des bisher als Eigenbetrieb des Zweckverbandes Nordostoberfränkisches
Städtebundtheater geführten Hauses wird zum 1. September
2010 auf die neu gegründete Theater Hof GmbH übergehen.
Den Beschäftigten – künstlerischen wie nichtkünstlerischen – ist
dieser Betriebsübergang angezeigt worden; ihnen wurde freigestellt,
ihre Arbeitsverhältnisse unverändert, das heißt
(zumindest zunächst) unter Einschluss der Anwendbarkeit der
bisher geltenden Tarifverträge auf den neuen Betreiber übergehen
zu lassen oder dem Übergang zu widersprechen. Dies hat die
Folge, dass das Arbeitsverhältnis mit dem alten Arbeitgeber
fortbesteht, diese Beschäftigten aber dem neuen Betreiber „überlassen“ werden,
sich an ihrer Arbeit also nichts ändert. Für diese Widerspruchslösung
hat sich praktisch die gesamte Belegschaft entschieden.
Lässt man außer Acht, ob hierfür eine Erlaubnis
nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eingeholt worden ist,
erscheint diese Lösung für die Betroffenen zunächst
wenig problematisch: Sie behalten ihren bisherigen Arbeitgeber
einschließlich der unmittelbaren Tarifbindung. Problematisch
wäre die Sache, wenn sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses
nicht widersprochen hätten: die GmbH ist nämlich nicht
tarifgebunden; nach Ablauf eines Jahres ist die Anbindung an die
künftige Tarifentwicklung nicht mehr gewährleistet. Hier
liegt auch der wirkliche Pferdefuß der Neukonstruktion: Neueinstellungen
sollen ausschließlich durch die GmbH erfolgen – und
das schon jetzt zu Bedingungen, die massiv schlechter sind als
die tariflichen. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Theater
durch natürliche Fluktuation zum Billiglohnladen mutiert.
Das Schlimmste daran: Das Beispiel könnte Schule machen. Von
daher wäre auch vom Deutschen Bühnenverein eine Initiative
zu erwarten, die derartiges Treiben zumindest massiv anprangert.
Doch aus dieser Richtung ist leider – zumindest öffentlich – gar
nichts zu hören. Sollte man sich mit solchen Entwicklungen
abfinden wollen? Dann drohen den deutschen Theatern unruhige Zeiten.
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