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50 Jahre VdO

Was die Welt zusammenhält

Rolf Bolwin zum VdO-Jubiläum

Wenn ich in mancher Theaterrezension den Satz lese, die Aufführung habe nur Stadttheater-Niveau gehabt, dann wundere ich mich doch sehr… Denn zusammen mit der so beurteilten Inszenierung soll doch zugleich das gesamte deutsche Theatersystem mit abgestraft werden. Ein Theatersystem, das jährlich seinen Zuschauern 5.000 Inszenierungen, über 60.000 Vorstellungen und ungefähr 400 Uraufführungen anbietet. Ich weiß, nicht die Masse macht es. Aber beginnen nicht viele Künstler ihre Karrieren in deutschen Stadttheatern? Waltraud Meier sang am Anfang in Würzburg und Jonas Kaufmann in Saarbrücken. Solche Künstler von Weltrang sind nicht erst gut, wenn sie in der Staatsoper Unter den Linden, den Kammerspielen München oder im Hamburg Ballett von John Neumeier angekommen sind. Und viele, die gut sind, bleiben auch am Ort ihres ersten oder zweiten Wirkens, weil sie dort ihre künstlerische und persönliche Heimat gefunden haben. Was uns von anderen Ländern unterscheidet, ist die Tatsache, dass es diese Theater nicht nur in den Metropolen gibt, sondern auch in Städten wie Bielefeld, Chemnitz oder Augsburg… Wer ins Theater geht, weiß am Ende, was die Welt im Inneren zusammenhält, und das ist auch gut so. Doch statt stolz auf dieses kulturelle Erbe zu sein, leisten wir uns eine Gelddebatte ohnegleichen.

Kraftzentrum der Kreativität

 
 

Rolf Bolwin. Foto: Heymann

 

8 Milliarden Euro kostet die öffentliche Hand Kunst und Kultur, das sind 0,8 Prozent aller öffentlichen Ausgaben. Ein Viertel davon fließt in Theater und Orchester. Eine schöne Summe, die die öffentlichen Haushalte jedoch in ihrer Gesamtheit nicht ruinieren wird. Künstlerisch erlaubt sie eine Vielfalt ohnegleichen. Autoren, Komponisten, Schauspieler, Sänger, Tänzer, Dramaturgen und tausende von anderen Menschen leben davon. Sie sind das Kraftzentrum von Phantasie und Kreativität in dieser unserer Gesellschaft… Angesichts dessen finde ich eine vielerorts geführte aktuelle Debatte nahezu absurd. Kunst und Kultur, so heißt es oft aus dem Munde von Kämmerern, seien eine freiwillige Aufgabe. Dort müsse zuerst gespart werden, wenn gespart werden müsse. Dies ist juristisch der bare Unsinn und lässt sich nirgendwo aus den Regelungen der Kommunalfinanzierung ableiten. Hier ist unser gemeinsamer Widerstand gefragt, dessen Motto zu lauten hat: Kunst ist mehr als eine freiwillige Aufgabe. Sie zu pflegen und zu fördern ist Pflicht für ein Land, das sich gerne als ein Kulturland feiern lässt.

Die haben ja gut reden, denkt so mancher Kämmerer oder Finanzminister. Die kommunalen Finanzen und auch die der Länder sind angespannt. Wo gespart werden muss, muss gespart werden. So lauten die Einwände. Ja sicher. Aber kaum jemand hat dies in den letzten Jahren so sehr gespürt wie die Theater und Orchester. 7.000 Stellen wurden abgebaut. Zahlreiche Haustarifverträge haben wir mittlerweile abgeschlossen, mit denen Mitarbeiter einzelner Theater und Orchester auf Teile ihrer Vergütung zum Erhalt ihrer Arbeitsplätze verzichtet haben. Anders lässt sich vielerorts ein Stadttheaterbetrieb mit eigenem Ensemble nicht aufrecht erhalten. Ebenso klar muss aber sein: Auch hier muss es für den Gehaltsverzicht endlich eine verbindliche, von der Politik akzeptierte Untergrenze geben, will man mittel- und langfristig eine personelle Auszehrung dieser kleineren Betriebe vermeiden…

Am Rand der Leistungsfähigkeit

Lassen Sie mich kurz zu einem Thema kommen, das uns beide, Bühnenverein und Künstlergewerkschaften, gleichermaßen bewegt: das Thema Lohnerhöhungen. Ich halte es für richtig, dass Länder und Kommunen für ihre Mitarbeiter und damit auch für die Mitarbeiter der Theater und Orchester die Lohnerhöhungen vereinbaren. Das mag Sie aus dem Munde eines Arbeitgebervertreters ein wenig überraschen. Aber ich glaube, anders lassen sich attraktive Arbeitsplätze für gut ausgebildete Mitarbeiter nicht anbieten. Für nicht nachvollziehbar halte ich es umso mehr, dass zwar der ganzen öffentlichen Verwaltung die entsprechenden Gelder für die Finanzierung dieser Lohnerhöhungen von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden, nur den Theatern und Orchestern oft nicht. Das bringt viele Betriebe an den Rand ihrer künstlerischen Leistungsfähigkeit und ist eine Praxis, die dringend geändert werden muss.

Doch genug der Zahlen. Die Frage ist doch, was uns veranlassen muss, mit aller Kraft um den Erhalt unserer Theater und Orchester zu streiten. Ich glaube, es geht um eine gesellschaftspolitische Frage. Die Gesellschaft wird heutzutage nach meiner und nicht nur meiner Beobachtung von zwei Phänomenen geprägt: dem der Individualisierung und dem der Kommerzialisierung. Was bedeutet das? Zum einen ist eine immer weiter fortschreitende Zersplitterung der Gesellschaft in zahlreiche, oft sich widersprechende Partikular-interessen zu beobachten… Das Interesse an der Gestaltung des Gemeinwesens ist erschreckend rückläufig, Wahlbeteiligungen von 50 Prozent und weniger sind ein schlagender Beweis für diese Entwicklung. Zum anderen ist ein Vordringen des Kommerziellen in alle Lebensbereiche zu beobachten… Beiden Entwicklungen muss die Gesellschaft und müssen die, die in ihr Verantwortung tragen, entgegentreten. Wir brauchen deshalb öffentliche Räume, die der kollektiven Wahrnehmung und dem öffentlichen Diskurs dienen. Diese Räume müssen, um dem Kommerziellen nicht anheim zu fallen, öffentlich finanziert werden und bleiben, will man ihre Unabhängigkeit nicht preisgeben. Öffentlich finanzierte Einrichtungen von Wissenschaft, Bildung und Kultur sind ein Teil unserer Freiheit und unverzichtbarer Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft… Diese Freiheit ist als Grundrecht in unserer Verfassung verankert…

Ich möchte noch einmal betonen, dass wir ein gemeinsames großes Anliegen haben: den Erhalt unserer Stadttheater. Dazu brauchen wir auch starke Künstlergewerkschaften, die sich für die Interessen der Künstler und den Erhalt ihrer Arbeitsplätze einsetzen, auch wenn dies manchmal für die Arbeitgeberseite etwas ungemütlich ist. In diesem Sinne gratuliere ich der VdO von Herzen zu ihrem 50. Geburtstag und wünsche ihr eine glückliche und auch erfolgreiche Zukunft.

 

 

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